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Politik

Entscheidungsjahr für Mohammed bin Salman

24. Dezember 2018

Der Kronprinz ist nach dem Mord an dem Journalisten Jamal Khashoggi politisch angeschlagen. Die CIA wirft ihm vor, die Tat angeordnet zu haben. Politiker machen einen Bogen um ihn. Seine politische Zukunft ist unsicher.

Buenos Aires G20 Mohammed bin Salman
Bild: Reuters/K. Lamarque

Zum warmen Händedruck kam es beim G-20-Gipfel in Buenos Aires dann doch noch. Fast überschwänglich begrüßten sich der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman (MbS) und Russlands Präsident Putin mit einem „High five“. Klar war nun: Mohammed bin Salman war auf dem globalen Treffen in Buenos Aires international nicht isoliert. Jedenfalls nicht ganz.

Doch bei diesem persönlichen Kontakt blieb es - zumindest vor den Kulissen - dann auch. Weitere Staats- und Regierungschefs wollten sich öffentlich mit dem Kronprinzen, der sich gern MbS nennen lässt, nicht zeigen. Schließlich gilt er vielen als Drahtzieher des Mordes an dem saudischen Journalisten Jamal Khashoggi.

So blieb MbS, den veröffentlichten Fotos nach zu urteilen, in Buenos Aires eine isolierte Figur. Nicht einmal eine persönliche Begegnung mit US-Präsident Donald Trump war drin. Zu allem Überfluss stellte die Menschenrechtsorganisation "Human Rights Watch" auch noch eine Strafanzeige gegen den Prinzen. Die dürfte juristisch zwar aussichtslos sein. Politisch aber setzt sie ein Zeichen: Der Kronprinz ist nicht unantastbar. Die Nachricht von der Anzeige dürfte sich auch in Saudi-Arabien herumgesprochen haben.

MbS, persona non grata

Gewiss, die Reise des Kronprinzen Ende November mit Buenos Aires als Endstation hatte gut begonnen. Auf den beiden ersten Stationen, in Bahrain und Abu Dhabi, erhielt MbS erwartungsgemäß einen freundlichen Empfang.

Doch in Tunesien, der dritten Station, demonstrierte die Öffentlichkeit, allen voran der tunesische Journalistenverband, was man von diesem Besuch hielt: nichts. Der Besuch des Kronprinzen gefährde Frieden und Stabilität der Region, hieß es auf weithin sichtbaren Spruchbändern.

Auch die Rückreise von Buenos Aires verlief wenig erfreulich. Eigentlich hatte der Kronprinz auf dem Rückweg Station in Marokko machen wollen. Dort aber ließ man ihn unter dem Applaus der Bevölkerung wissen, dass er nicht willkommen sei.

In Algerien hingegen wurde er zwar empfangen, allerdings nicht von Staatschef Abdelaziz Bouteflika. Der sagte ein Treffen mit Hinweise auf seinen schlechten Gesundheitszustand ab.

Und ein geplanter Besuch in Jordanien stieß bei der Bevölkerung dort auf so viel Unmut, dass die Reise abgesagt wurde.

MbS? Nein Danke! Proteste gegen den Besuch des Kronprinzen in Tunesien, November 2018Bild: Reuters/Z. Souissi

Die Interessen der Königsfamilie

Gemessen an den Fotos mochte sich die Reise nach Buenos Aires gelohnt haben: Zumindest auf dem Gruppenfoto machte MbS eine gute Figur - ein wichtiges Ergebnis für die politische Öffentlichkeitsarbeit daheim in Saudi-Arabien.

Klar ist aber: Das Ergebnis hätte besser ausfallen können. Inwiefern dies Einfluss auf das politische Schicksal des Kronprinzen haben könnte, sei offen, sagt Sebastian Sons, Saudi-Arabien-Experte bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP).

Oberste Prämisse der Königsfamilie sei es, die innere Stabilität zu wahren, das Überleben des Königshauses zu sichern. Dabei stehe die Familie als Ganzes über dem Schicksal des Einzelnen. "Wenn das nicht mehr gegeben sein sollte, wenn etwa eine Einzelperson das Überleben der Königsfamilie als Ganzes oder die nationale Stabilität in Frage stellt oder gefährdet, und wenn das dann Mehrheitsmeinung ist in der Königsfamilie - dann wird man dementsprechend handeln."

Verbrechen und Entsetzen: Szene vom Trauergebet für Jamal Khashoggi in Istanbul, November 2018Bild: picture-alliance/dpa/AP/E. Gurel

Entscheidend: Das Verhältnis zu den USA

Bedeutsam für die politische Zukunft der Familie Saud wie auch des gesamten Landes ist das Verhältnis zu den USA. Die Vereinigten Staaten gelten als eine Art Schutzmacht des Königreichs. Genau dieses Verhältnis habe nun aber einen Teil seiner Selbstverständlichkeit eingebüßt, heißt es in dem Politmagazin Al-Monitor. "Die saudische Allianz steht in den USA unter strengerer Beobachtung als jemals seit dem Öl-Embargo des Jahres 1973."

Damals sei es zudem um rein politische Themen gegangen, Personalfragen hätten nicht zur Debatte gestanden. "Es ist die Unberechenbarkeit und Brutalität im Benehmen des Kronprinzen, die die traditionellen Unterstützer des Königreichs in den Medien und im Kongress dazu veranlasst, sich nun gegen die Saudis zu wenden", so Al-Monitor.

Auf unmittelbaren Druck aus dem Ausland reagiere Saudi-Arabien traditionell nicht, sagt der Politologe Sebastian Sons. Allerdings dürfte man in Riad sehr genau hinschauen, wie ausländische Politiker auf den Kronprinzen reagieren. In Buenos Aires legten sie äußerste Zurückhaltung an den Tag. Aus den USA kommen ähnliche Gesten und Äußerungen. Allerdings schätzt die US-Regierung Saudi-Arabien sowohl in der Auseinandersetzung mit dem gemeinsamen Gegner Iran als auch als Waffenkäufer. Zudem ist das Königreich als verlässlicher Erdöl-Lieferant begehrt.

Bleibt die kritische Haltung dem Prinzen gegenüber aber bestehen, könnte das in Riad womöglich Eindruck machen, sagt Sons. "Wenn man in der Königsfamilie den Eindruck hat, dass die Person Mohammed bin Salman die Einheit der Familie gefährdet oder dort wie auch innerhalb der Bevölkerung keinen Rückhalt mehr hat, wird man handeln." Offen ist, wie die Familie Saud die derzeitige Lage einschätzt.

Saudi-Arabien steht wegen seiner zerstörerischen Intervention im Jemen stark in der Kritik.Bild: picture-alliance/Photoshot/M. Mohammed

Versöhnliche Gesten aus Riad

Derzeit scheint es, als bemühe sie sich, den Schaden zumindest in Teilen wieder gut zu machen. So kommt es im Oman erstmals zu Friedensgesprächen über den Bürgerkrieg im Jemen, an dem Saudi-Arabien maßgeblich beteiligt ist.

Und zu einer weiteren Geste in Richtung der Regierung Trump hat man sich in Riad entschlossen: Staatenlose Palästinenser erhalten für das Königreich kein Reisevisum mehr. Noch nicht einmal die Hadsch, die Pilgerreise nach Mekka und Medina, können die Betroffenen unter diesen Umständen antreten.

Das mag man in Israel und in den USA gerne zur Kenntnis nehmen, erhöht es doch den Druck auf die Palästinenser, eine politische Lösung des Nahost-Konflikts zu suchen. In der arabischen Welt sorgte die Entscheidung hingegen für Aufruhr. Dass Saudi-Arabien diesen Unmut in Kauf nimmt zeigt, wie wichtig dem Herrscherhaus die Partnerschaft mit den USA ist. Für die Gunst Washingtons opfert Riad offenbar einen Teil seiner außenpolitischen Autonomie. Dem Jahr 2019 blickt das saudische Königreich, allen voran dessen Kronprinz, mit Ungewissheit entgegen.

Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika