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Politik

2019 muss sich die SPD entscheiden

31. Dezember 2018

Es war ein miserables Jahr für die deutschen Sozialdemokraten. In Umfragen liegen sie bei nur noch 15 Prozent. Droht der SPD der Untergang? Oder ist sie noch zu retten? Aus Berlin Sabine Kinkartz.

SPD-Parteitag
Bild: picture alliance/dpa/G. Kirchner

Wohin man in Europa auch blickt, Sozialdemokraten haben in vielen Ländern einen schweren Stand. In Österreich wurde die SPÖ 2017 aus der Regierung abgewählt. In Frankreich und den Niederlanden fuhren die Sozialdemokraten erdrutschartige Verluste ein und erzielten nur noch einstellige Ergebnisse. Selbst im einstigen sozialdemokratischen Vorzeigeland Schweden schnitt die Arbeiterpartei 2018 so schlecht ab wie noch nie.

Auch für die deutschen Genossen geht es seit einiger Zeit bergab. Bei der letzten Bundestagswahl im September 2017 stürzte die SPD um mehr als fünf Prozentpunkte auf 20,5 Prozent. Von diesem Ergebnis kann sie inzwischen allerdings nur noch träumen. Meinungsumfragen zufolge würden derzeit gerade einmal 15 Prozent der Bundesbürger die SPD wählen. Im November waren es sogar nur 14 Prozent. Eine große Mehrheit gibt an, sie wisse nicht mehr, wofür die SPD stehe. Die Partei habe keine Botschaft, keine klaren Standpunkte mehr.

Regieren und erneuern: Der Spagat funktioniert nicht

SPD-Chefin Andrea Nahles treffen solche Aussagen schwer. Bei ihrem Amtsantritt im April 2018 hatte sie der Partei viel versprochen. Mit einer Doppelstrategie wollte sie den Wiederaufstieg schaffen: einerseits die SPD programmatisch neu ausrichten und andererseits mit CDU und CSU in der Regierung gute Arbeit leisten. Doch der Spagat zwischen linker Profilierung und der Kompromissfindung in der Regierung funktioniert nicht. Zuletzt fuhr die SPD in Bayern und Hessen bei den Landtagswahlen geradezu desaströse Ergebnisse ein.

Frustriert und erschöpft: SPD-Chefin Nahles nach der Landtagswahl in BayernBild: picture-alliance/dpa/C. Koall

Vielleicht liegt das auch daran, dass den Sozialdemokraten ihre eigentliche Wählergruppe seit Jahren immer weiter verloren gegangen ist. Historisch gesehen war die SPD immer die Partei der einfachen Arbeiter. Jahrzehntelang kämpften Sozialdemokraten zusammen mit den Gewerkschaften für arbeitsrechtliche Verbesserungen, für mehr Bildung und mehr Teilhabe. Mit Erfolg. Heute gehört jeder zweite Deutsche zur klassischen Mittelschicht.

Ihre politische Heimat finden diese Menschen inzwischen aber nicht mehr bei der SPD, sondern bei der Union, den Grünen und der FDP. Wer in prekären Verhältnissen lebt oder sich vom Abstieg bedroht fühlt, wählt inzwischen eher die Linkspartei oder die rechtspopulistische AfD.

Mit dem Rücken zur Wand

Die Misserfolge der vergangenen Monate haben bei SPD-Chefin Andrea Nahles Spuren hinterlassen. In der Partei hat sie an Rückhalt verloren. Doch selbst ihre ärgsten Kritiker schrecken derzeit noch davor zurück, sie aus dem Amt zu drängen. Nur die Köpfe auszutauschen, das bringt nicht viel, wie die Vergangenheit zeigt. Zehn Vorsitzende hat die SPD seit 1999 verschlissen. Zum Vergleich: Angela Merkel war 18 Jahre lang CDU-Vorsitzende.

Um den Frust zu bremsen, will Parteichefin Nahles den Erneuerungsprozess nun beschleunigen. Statt bis Ende 2019 zu diskutieren, soll schon Ende Januar Bilanz gezogen und ein neuer SPD-Kurs beschlossen werden. Auf dem Wunschzettel ganz oben steht eine "umfassende Sozialstaatsreform", deren Kern der Abschied von "Hartz IV" sein soll. Jene Arbeitsmarktreform, die die SPD selbst 2003 auf den Weg gebracht hat. Mit der sie aber seitdem hadert.

Kampagne in der SPD: "Weg mit Hartz IV"Bild: Verein NoGroKo

Arbeitslose und Bedürftige sollen mehr Geld bekommen. Wer gegen Auflagen der Arbeitsagentur verstößt, also beispielsweise zu spät zu einem Termin mit seinem Berater kommt, der soll nicht mehr so schnell finanziell bestraft werden. Auf der Agenda stehen auch die Rente und der Mindestlohn, der weiter angehoben werden soll. In einer Regierungskoalition mit der Union werden solche Forderungen allerdings nicht umzusetzen sein. Auch nicht mit der neuen CDU-Parteiführung.

Neuwahlen wären ein Desaster

Realistisch betrachtet kann das nur heißen, dass die SPD die Regierung verlassen muss. Doch das will Parteichefin Andrea Nahles auf keinen Fall. Würde die Koalition jetzt platzen, dann würde es unweigerlich zu Neuwahlen kommen. Für die SPD wäre das angesichts der derzeitigen Umfragewerte ein Desaster. Nahles braucht mehr Zeit. Sie hofft, den Spagat zwischen Erneuern und Regieren wenigstens bis zum Spätherbst 2019 durchhalten zu können. Dann will die große Koalition ohnehin Halbzeitbilanz ziehen und sehen, ob das Bündnis zwei weitere Jahre lang trägt.

Fröhlich und farbenfroh: Die SPD will ein neues Bild abgebenBild: Reuters/F. Bensch

Bis dahin hofft die SPD-Vorsitzende, durch das neue Programm wieder mehr Zuspruch bei den Wählern zu bekommen. Und mit der Kraft des positiven Denkens. Die SPD müsse optimistischer wirken, beschloss der Parteivorstand. "Wir setzen auf die Kraft des Zusammenhalts", erklärte Andrea Nahles fröhlich, als sie kürzlich mit der Parteiführung breit lächelnd im Foyer des Willy-Brandt-Hauses auftrat. "Wir sind überzeugt, dass in unserem Land nichts mehr fehlt als eine politische Kraft, die wie keine andere für den gesellschaftlichen Zusammenhalt steht, und das ist die SPD."

Ab in die Opposition?

Doch die fröhliche Fassade ist ein Akt der Verzweiflung. Denn Nahles weiß genau, dass ihre Strategie auch schiefgehen kann. Wenn der Erneuerungsprozess der SPD mit klaren Beschlüssen für mehr Sozialstaat endet, die Führungsriege diese Ziele in der Koalition aber nicht umsetzen kann, dann macht das die SPD im Ergebnis nur noch unglaubwürdiger.

Die SPD steckt im Dilemma, und sie wird sich 2019 entscheiden müssen. Für eine Fortsetzung der großen Koalition mit der Union oder einen linkeren politischen Kurs. Den allerdings könnte die Partei glaubhaft nur aus der Opposition ansteuern. Und wer weiß? Vielleicht kann sie von dort ein neues, linkes Bündnis schmieden. Mit der Linkspartei und vielleicht auch mit den Grünen.

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