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Literatur

Victor Hugo: eine französische Ikone

Sven Töniges
26. Februar 2022

Victor Hugo bleibt das Sinnbild eines engagierten Intellektuellen. Als Schriftsteller, Politiker und auch Zeichner prägte er das Frankreich des 19. Jahrhunderts mit. Dort gedenkt man nun seines 220. Geburtstages.

Der Französische Schriftsteller und Politiker Victor Hugo auf einem Gemälde
Er schuf Quasimodo und Jean Valjean: Vor 220 Jahren erblickte der Schriftsteller Victor Hugo das Licht der WeltBild: Fine Art Images/Heritage Images/picture alliance

Gelesen wird er heute eher selten. Dennoch hat Victor Hugo in Frankreich nahezu den Status eines Nationalheiligen, der sich als Literat und Politiker in die französische Geschichte eingeschrieben hat. Das bemerkt, wer im Herzen von Paris die Métro Station Victor Hugo nahe dem Place Victor Hugo und der magistralen Avenue Victor Hugo passiert. Zugleich ist die französische Hauptstadt zentral in Leben und Werk Hugos - obwohl er 1885 als Sohn eines Generals im ostfranzösischen Besancón geboren wurde.

Aufgewachsen ist er aber weitgehend in Paris. Hier war es auch, wo er - so die Überlieferung - als Jugendlicher seinen Berufswunsch formulierte: "Je veux être Chateaubriand ou rien." ("Ich werde Chateaubriand oder gar nichts") Tatsächlich wird Hugo François-René de Chateaubriand (1768-1848), den Urvater der französischen Romantik, mit seinem literarischen Schaffen sogar noch übertreffen.

Pionier der französischen Romantik

Epik, Lyrik und Dramatik: Victor Hugo verfasste Texte aller literarischer GattungenBild: Photo12/imago images

Gleich sein erstes Stück, das Drama "Cromwell", gilt mit seinem Vorwort als eine Art Gründungsurkunde der Romantik. Das megalomane Bühnenstück mit 6.920 Versen, unzähligen Rollen und Szenenwechseln rechnet radikal mit den Geboten der Klassik ab. Es galt als unspielbar - bis es 1956 erstmals arg gekürzt an einem besonderen Ort aufgeführt wurde: im Ehrenhof des Pariser Louvre. Geschichte schrieb - noch zu Lebzeiten des Autors - auch die Uraufführung seines Dramas "Hernani": Im Publikum der Comédie-Française kam es 1830 zu einer "Theaterschlacht" mit einem Handgemenge zwischen Anhängern der Klassik und jener der romantischen Avantgarde. 

Leichter zugänglich als die Bühnenstücke waren seine Romane, deren Inhalte auch Bestandteil des Französisch-Unterrichts an deutschen Schulen sind: In "Lés Miserables" ("Die Elenden") von 1862 hält mit Jean Valjean ein Vertreter des Volkes Einzug in die Literatur, was das Volk zu schätzen weiß und Hugo entgegen der kritischen Stimmen zu einem Verkaufserfolg verhilft. Bereits das 1831 erschienene "Notre-Dame de Paris", in Deutschland als "Der Glöckner von Notre-Dame" bekannt - war ein Bestseller. Als "The Hunchback of Notre Dame" ist die Geschichte um die Gestalt des Quasimodo im 20. Jahrhundert mehrfach verfilmt worden, sogar von Walt Disney.

"Vernichtet das Elend!" 

Hatte sich Hugo in seinem literarischen Werk bereits vielfach politisch positioniert - sein Roman "Der letzte Tag eines Verurteilten" von 1829 beispielsweise ist ein Plädoyer gegen die Todesstrafe - brachte er sich später sogar unmittelbar in die Politik ein. Von seiner Mutter Sophie Trébuchet zum strammen Royalisten erzogen, wandelte er sich zum entschiedenen Republikaner. "Ich bin erwachsen geworden", entgegnete er einem Freund der Mutter. Bei dieser Kehrtwende blieb es nicht. Fortan mäanderte Hugo zwischen den politischen Lagern. Zentral aber blieb sein Credo und Appell: "Détruire la misère!" Zu Deutsch: "Vernichtet das Elend!"

Film (unser Foto), Musical, Comic: Aufgrund der Adaptionen ist "Lés Miserables" Hugos präsentestes WerkBild: Laurie Sparham/Cinema Publishers/imago images

Vom sogenannten "Bürgerkönig" Louis-Philippe 1845 zum Mitglied des parlamentarischen Oberhauses auf Lebenszeit geadelt (die Institution wurde jedoch 1848 abgeschafft), war Hugo fortan auch Parlamentarier. In der Chambre de Paris forderte er die Verkürzung der Arbeitszeit für Kinder von 16 auf zehn Stunden. Der Vorschlag wurde von Baron Louis Jacques Thénard abgewehrt - an dem er sich rächte, indem er die widerwärtigsten Figuren in "Les Misérables" auf den Namen Thénardiers taufte. Neben der sozialen Frage verhandelt er darin auch die Junirevolution gegen Hugos einstigen Vertrauten, König Louis-Philippe. Von diesem hatte er sich da längst politisch enttäuscht abgewendet.

Der Exilant Victor Hugo

"Die Elenden", diesen Jahrhundert-Roman, vollendete Hugo nicht in Frankreich, sondern im Exil auf der britischen Kanalinsel Guernsey: Nachdem er sich dem erfolglosen Widerstand gegen den Staatsstreich Napoléons III. im Dezember 1851 angeschlossen hatte, musste Hugo Frankreich verlassen und verbrachte ein fast 19-jähriges Exil; zunächst in Brüssel, dann auf den Kanalinseln Jersey und Guernsey.

"Liebe heißt Handeln"

Victor Hugo und seine EnkelBild: Photo12/imago images

Am Tag nach dem Sturz Napoléons III. und der Ausrufung der Republik 1870 kehrt Hugo im Triumphzug nach Frankreich zurück. In den folgenden Jahren geriet er zu einer literarischen und politischen Institution der Dritten Republik. Immer wieder machte er sich stark für soziale Gerechtigkeit, die Emanzipation der Frau und ein Urheberrecht - außerdem propagierte er die Idee der Vereinigten Staaten von Europa.

Am 22. Mai 1885 stirbt Victor Hugo. Drei Tage zuvor hatte er seinen letzten Gedanken notiert: "Liebe heißt Handeln". Hunderttausende Pariser begleiten am 1. Juni 1885 den Sarg Victor Hugos auf seinem Weg zur Beisetzung in einem Ehrengrab der Krypta des Panthéon.

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