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24 Stunden für 20 Jahre

9. November 2009

DW-TV feierte das 20-jährige Jubiläum des Berliner Mauerfalls mit einem einzigartigen Projekt. 24 Stunden lang sendete der TV-Sender der Deutschen Welle live aus dem Herzen der vereinten Hauptstadt.

Das gläserne Studio von DW-TV am Potsdamer PlatzBild: DW

Es ist viertel vor acht und der Himmel über Berlin ist an diesem Novembermorgen leicht verschnupft aufgewacht: Etwas Nieselregen, bewölkt, sechs Grad. Unter der Wolkendecke ist es noch halbdunkel in der Hauptstadt, und der morgendliche Berufsverkehr schiebt sich über die Kreuzung am Potsdamer Platz. Die Cafés am Straßenrand haben gerade aufgemacht und Fußgänger hasten über die Bürgersteige. Ganz anders als vor 20 Jahren, als die Mauer noch stand, die auch an dieser Stelle die deutsche Hauptstadt teilte.

Der Fall der Mauer ist am 9. November auch der Grund für die Deutsche Welle, das Jubiläum mit einem ganz besonderen Ereignis an diesem Ort zu feiern. Zum 20-jährigen Jahrestag des Mauerfalls sendet DW-TV eine Sondersendung aus zwei gläsernen Studios, am Brandenburger Tor und hier – an der Kreuzung am Potsdamer Platz. 24 Stunden lang. Live. Am Start sind das deutsche und das englische Programm, die im Wechsel aus jeweils einem der Glaswürfel senden.

Letzte Vorbereitungen

Der Potsdamer Platz in Berlin heuteBild: Land Berlin/Thie

Im Studio am Potsdamer Platz laufen die letzten Vorbereitungen für das in der Geschichte der Deutschen Welle einzigartige Projekt. Um acht soll es losgehen. Doch Maren Wintersberg ist unzufrieden. Die Leiterin der 24-Stunden-Unternehmung sitzt im kleinen Redaktionsraum – der 30 Meter abseits vom Studio im Inneren eines LKW-Containers untergebracht ist. Sie schaut auf einen Bildschirm, der die Ereignisse im Studio übermittelt. "Die Sendung beginnt in zehn Minuten und die Techniker verlegen noch Kabel", sagt sie und eilt wieder zur Tür hinaus.

Maren Wintersberg und ihre Kollegen von DW-TV haben an diesem Morgen vier harte Wochen intensiver Planung hinter sich. Neun Redakteure haben in dieser Zeit beinahe ausschließlich daran gearbeitet, das TV-Event vorzubereiten: Recherchieren, Ablaufpläne erstellen, Filmbeiträge organisieren, Gesprächsgäste einladen und vieles mehr.

Startschuss um 8

Die Spannung im Studio steigt. Die beiden Moderatoren Birgit Keller und Alexander Kudascheff haben sich bereits in Stellung gebracht – vor ihnen das Moderatorenpult, hinter ihnen die Scheibe, die den Blick auf den Potsdamer Platz freigibt, wo sich auf der Kreuzung die Blechlawine noch immer durch den trüben Morgen wälzt.

Die Moderatoren Keller (rechts) und Kudascheff in AktionBild: DW

Auch das Moderatorenduo ist nervös. "Noch eine Minute", ruft jemand im Studio aus dem Off. "Ach du Schreck!", entfährt es daraufhin Birgit Keller, die einen Großteil der nächsten acht Stunden hier moderieren wird, bis die Ablösung kommt. Genauso wie ihr Kollege. Alexander Kudascheff meldet noch ein letztes Problem, das schnell behoben wird – sein Knopf im Ohr für die Regieanweisungen funktionierte nicht richtig.

Um Punkt acht ist es soweit. Der Vorspann zur längsten TV-Live-Übertragung in der Geschichte der Deutschen Welle flimmert über die Bildschirme – in der kleinen rollenden Redaktion am Potsdamer Platz und auf fünf Kontinenten. Dann der Schnitt ins Studio. Birgit Keller schaut in die Kamera und legt los: "Es war am 9. November, der Tag an dem die Mauer fiel, der Tag – der die Welt veränderte", sagt sie – die Anspannung sieht man ihr kaum an. Wenig später folgt der erste Einspieler, ein kurzer TV-Beitrag, der die Momente der Maueröffnung Revue passieren lässt. Die Redaktionskollegen vor den Monitoren wirken etwas erleichtert. Mehr als 23 Stunden hat das Team noch vor sich, doch der Anfang ist gemacht.

Zeitzeugen und Prominente erinnern sich

Lothar de Maiziere (links) mit Moderator KudascheffBild: DW

Über den Tag verteilt gibt es in den beiden Studios insgesamt 60 Gastauftritte. Zuerst an der Reihe ist an diesem Morgen – mit etwas unfreiwilliger Verspätung – Lothar de Maizière, der erste und letzte frei gewählte Ministerpräsident der DDR. Im Laufe des Tages dazu kommen sollen Boris Becker, DJ Paul van Dyk, Autorin Jana Hensel und Klaus Meine von den Scorpions, die 1991 mit ihrem Welthit "Wind of Change" dem Ende des Kalten Krieges musikalisch Ausdruck verliehen. Dazu geben sich ehemalige Politiker und Bürgerrechtler sowie weitere Zeitzeugen aus dem In- und Ausland im Studio von DW-TV die Klinke in die Hand. Draußen schauen Passanten immer wieder neugierig auf das gläserne Studio. Viele von ihnen sind für die Feierlichkeiten hier, die im Laufe des Tages und abends an den Mauerfall erinnern sollen. Der Nieselregen, sechs Grad und ein wolkenverhangener Himmel können sie nicht abhalten.

TV-Profis mit Respekt vor der Premiere

Um neun Uhr ist die erste Stunde geschafft. Das Moderatorengespann setzt sich gleich in ein Café um die Ecke ab. Keller und Kudascheff haben jetzt 90 Minuten Pause – die längste, die sie an diesem Tag haben werden. Keller, geboren und aufgewachsen in der DDR, moderiert sonst die Nachrichten bei DW-TV, Kudascheff leitet das Hauptstadtstudio des Senders. Für beide sind der Tag und dieses Projekt etwas ganz besonderes.

"Natürlich ist man nervös", sagt Kudascheff, während er einen Tee trinkt. "Jeweils eineinhalb Stunden am Stück im Studio zu moderieren ist ungewöhnlich und ein wenig anstrengend. Besonders wenn man nach den eingespielten, teils sehr emotionalen Filmbeiträgen, im Studio wieder ins Gespräch finden muss." Aber er ist zufrieden mit dem Start. Und Birgit Keller? "So etwas habe ich bisher noch nie gemacht. Aber bisher ist es sehr gut verlaufen", freut sie sich und blickt dabei schon in einen Plan für den weiteren Sendeablauf.

Ein Stück der ehemaligen Berliner Mauer erinnert heute am Potsdamer Platz an die geteilte HauptstadtBild: AP

Um halb elf geht es weiter, die nächsten Gäste kommen ins Studio, werden interviewt, unterbrochen von kurzen Filmeinspielern und eingestreuten Panorama-Schwenks über den Potsdamer Platz mit der Außenkamera. Der Sendetag hat etwas Routine gefunden. Aber dieser 24-Stunden-Marathon bleibt für alle Beteiligten bei DW-TV eine Premiere. Vieles kann schiefgehen, weil es kaum vorher getestet werden konnte. Doch die erste Zwischenbilanz am Mittag ist positiv. "Wir hatten eine etwas schlecht beleuchtete Außenmoderation und brauchen neue Wassergläser im Studio", fasst Maren Wintersberg die Kleinigkeiten zusammen. Sonst läuft es prima: Die Gäste sind alle da, die Bilder stimmen, und auch das Interesse auf den Straßen um die Studios wird immer größer. Dem Nachmittag blicken die Fernsehmacher etwas entspannter entgegen.

"Niemand kann die Geschichte besser erzählen als wir"

Mehr als vier Wochen konnte sich die Redaktion gar nicht auf das Mammut-Projekt vorbereiten. Denn da war ein anderes gerade erst zu Ende gegangen: die Berichterstattung zur Bundestagswahl. Doch dass die Deutsche Welle zum Mauerfall-Jubiläum etwas ganz besonderes macht, war schon lange klar, sagt Dagmar Engel, die Chefredakteurin von DW-TV. "Niemand kann die Geschichte des Mauerfalls besser erzählen als die Deutsche Welle", sagt sie. "Wir haben die Leute, die vor und seit dem Mauerfall die politischen Ereignisse begleitet haben." Den 9. November 1989 nennt sie "einen perfekten Tag in der Geschichte". Und gerade davon will DW-TV der ganzen Welt erzählen. "Und das kann man nur in 24 Stunden."

24 Stunden für 20 Jahre – und für ein Ereignis, das bis heute zu einem Symbol für eine weltweite Zeitenwende geworden ist. Am Morgen des 9. November 1989 konnte dies kaum ein Mensch vorausahnen. Vieles hat sich seitdem verändert. Und die Fernsehmacher der Deutschen Welle erzählen die Geschichte im ehemals geteilten Zentrum der Stadt. Dort erinnert der Potsdamer Platz auf seine Art an jene Stunden vor 20 Jahren: Der Himmel war bewölkt, das Thermometer zeigte sechs Grad.

Autor: Ranty Islam

Redaktion: Martin Schrader