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25 Jahre EZB: Von der Hüterin des Euro zur Krisenmanagerin

Mischa Ehrhardt aus Frankfurt am Main
1. Juni 2023

Aktuell kämpfen Europas Währungshüter gegen die grassierende Inflation. Doch schon seit Jahren sieht sich die Zentralbank gezwungen, auf alle möglichen Krisen zu reagieren. Vor 25 Jahren nahm sie ihre Arbeit auf.

Festakt zum 25-jährigen Bestehen der Europäischen Zentralbank mit den früheren Präsidenten Jean-Claude Trichet (links), Mario Draghi (rechts) und der amtierenden Chefin Christine Lagarde
Festakt zum 25-jährigen Bestehen der Europäischen Zentralbank mit den früheren Präsidenten Jean-Claude Trichet (links), Mario Draghi (rechts) und der amtierenden Chefin Christine LagardeBild: Arne Dedert/dpa/picture alliance

Es gibt Sätze, die historisch sind. In den 25 Jahren der Geschichte der Europäischen Zentralbank (EZB) gehört sicherlich eine als Drohung an Spekulanten gerichtete Aussage von Mario Draghi dazu. Es ist die von ihm so genannte Bazooka oder Dicke Bertha, die er 2012 in Position bringt, indem er klarstellt: Die EZB werde alles Nötige tun, um den Euro zu retten - die berühmte "Whatever it takes"-Rede vor internationalen Investoren in London.

Europa ist zu dieser Zeit auf dem Gipfel der Eurokrise. Griechenland droht in die Pleite zu rutschen, nachdem das Land ab 2009 eingestanden hat, dass die Lage der öffentlichen Finanzen wesentlich schlechter ist als bis dato angenommen. Mit einer Pleite und einem Ausschluss Griechenlands aus der Eurozone wäre der Euro in seiner ursprünglichen Form Geschichte. Um das zu verhindern, fällt der berühmte Ausspruch: "Within our mandate, the ECB is ready to do whatever it takes to preserve the euro". Der Nachsatz wird meist nicht zitiert, er ist aber entscheidend: "And believe me, it will be enough." ("Glauben Sie mir, das wird reichen.")

Draghi: Die EZB wird alles tun... (London, 26.07.2012)

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Spekulanten kalt erwischt

Der Satz ist bedingungslos und schlagend. Denn gegen eine entschlossene Zentralbank zu wetten ist aussichtslos. In der Folge demonstriert die Zentralbank diese Macht. Hatte sie bereits seit 2010 in kleinerem Umfang am Sekundärmarkt Staatsanleihen aus dem Euroraum aufgekauft, weitet sie die Käufe während der Krise massiv aus. Damit sinken die Renditen an den Anleihemärkten, die Staatsfinanzierung von Ländern wie Griechenland, Spanien, Portugal oder Italien stabilisiert sich. Spekulanten an den Finanzmärkten hatten auf Zahlungsausfall einiger dieser Staaten gewettet, weil die Schuldenlast erdrückend war und die Renditen für die Schuldenaufnahme in die Höhe geschossen waren.

Lenkt derzeit die Geschicke der EZB: Präsidentin Christine LagardeBild: Boris Roessler/dpa/picture alliance

Damit steht die Europäische Zentralbank im Zentrum allen Geschehens in der Krise, auch deswegen, weil es keine andere Finanzbehörde mit ausreichend Mitteln gab, in dieser Lage zu agieren. Vom vielstimmigen Orchester der Uneinigkeit der Interessen der einzelnen Mitgliedstaaten der Eurozone ganz zu schweigen. "Das war ein großer Wendepunkt", sagt Ökonom Friedrich Heinemann vom Europäischen Zentrum für Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim. "Man muss aber fair bleiben: Mario Draghi hat im Sommer 2012 die Eurozone vor dem völligen Kollaps gerettet."Die Statuten des Vertrages von Maastricht sahen eigentlich vor, dass die Euro-Länder so haushalten müssen, dass sie an den Kapitalmärkten genügend Vertrauen aufbauen, um die nötige Kredite zu erschwinglichen Zinsen zu bekommen. Die Zentralbank sollte ihrerseits eigentlich nur die Stabilität des Euro, also auf Preisstabilität der Währung hinwirken. Mit dem Aufkauf von Staatsanleihen aus dem Euroraum hat sich die EZB allerdings auf ein Terrain begeben, das verdächtig nahe an einer - zumindest indirekten - Staatsfinanzierung steht. Deswegen wurde sie dafür auch vielfach kritisiert, weil das nicht ihrem Mandat entspreche.  So hatten etwa der CSU-Politiker Peter Gauweiler und AfD-Gründer Bernd Lucke gegen die Beteiligung der Bundesbank an den Anleihekäufen ab 2015 geklagt. Das Gericht lehnte die Klagen allerdings als unbegründet ab.

Erster Sitz der EZB in Frankfurt war der EurotowerBild: AP

Immer mehr Aufgaben, immer mehr Personal

Allerdings fallen in der Folge der Eurokrise der Europäischen Zentralbank noch mehr Aufgaben zu. Wenn sie schon in die Bresche springen muss, sollte sie auch die Aufsicht der Kontrolle von großen Banken im Euroraum übernehmen. Denn die Bankenkrise ab 2007 nach der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers hatte zu der Staatsschuldenkrise geführt. Zudem waren auch in der Eurokrise Banken gefährdet, weil sie den größten Teil der Euro-Staatsanleihen in ihren Bilanzen liegen hatten. Im Rahmen ihrer Aufsicht über große Banken im Euroraum führt die EZB seither regelmäßige sogenannte Stresstests durch. So will sie Risiken in den Bilanzen frühzeitig erkennen und beheben lassen.

Darüber hinaus agierte die EZB in der Eurokrise in Europa auch als mächtige Spielerin innerhalb der sogenannten Troika von Internationalem Währungsfonds (IWF), der EU-Kommission und der EZB. Als Geldgeberin in letzter Instanz sorgte sie über ihre Bilanz für Liquiditätshilfen für betroffene Staaten.

Das neue Hauptquartier der EZB am Ufer des Main im Frankfurter OstenBild: Florian Gaul/greatif/picture alliance

Mit den erweiterten Aufgaben schließlich vergrößerte sich auch die Bilanzsumme der EZB (siehe Infografik). In den Jahren zwischen 2010 und 2016 stieg sie von 163 Milliarden Euro auf 349 Milliarden - und betrug im vergangenen Jahr knapp 699 Milliarden Euro. Damit einhergehend verdoppelt sich auch die Zahl der Beschäftigten der EZB von knapp 1700 im Jahr 2010 auf rund 3500 heute.

Ein neues Gebäude muss her. 2014 zieht die Notenbank daher aus der Frankfurter Innenstadt heraus in den Osten der Stadt an das Mainufer, an den Standort der einstigen Großmarkthalle der Main-Metropole. Die Notenbank entscheidet sich für die komplette Abschottung. Während das alte Gebäude im Stadtzentrum mehr oder weniger frei zugänglich war, gleicht der verschlungene neue Glasturm einer Festung.

Wer als Journalist die Pressekonferenzen nach den Zinsentscheiden besucht, wird am Eingang durchleuchtet wie am Flughafen. Die EZB ist in den 25 Jahren seit ihrer Gründung um einiges größer und mächtiger geworden. In den vergangenen 15 Jahren ist sie zu einer Trutzburg in den aufeinanderfolgenden Krisen herangewachsen.

Der Artikel wurde erstmals am 23.05.2023 veröffentlicht und am 31.05.2023 aktualisiert. 

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