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PolitikEuropa

Republik Moldau könnte ein Modell-Staat werden

Lisa Louis Paris
21. November 2022

In Paris hat die internationale Gemeinschaft weitere Unterstützungsmaßnahmen für die Republik Moldau beschlossen. Das Land ist wichtig für die EU - nicht nur, weil es sich im Ukraine-Krieg solidarisch zeigt.

Flaggen der Republik Moldau in der Hauptstadt Chisinau
Flaggen der Republik Moldau in der Hauptstadt Chisinau Bild: Elena Covalenco

Geschäftiges Treiben im Gebäude des Außenministeriums in Paris: Minister oder Gesandte der 27 Mitgliedsstaaten der EU, außerdem Vertreter von Ländern wie den USA, Japan und Großbritannien und Abgesandte von 15 internationalen Organisationen wie der Weltbank kamen zusammen. An sich nichts Außergewöhnliches für die EU – erst vergangenen Montag hatten sich die 27 Außenminister in Brüssel getroffen, um neue Sanktionen gegen den Iran zu beschließen. Doch diesmal ging es um ein kleines Land, das erst seit Beginn der russischen Invasion in der Ukraine oben auf der Tagesordnung steht – die Republik Moldau. "Wir sind stark betroffen von den Auswirkungen des Krieges", sagte der moldauische Außenminister Nicu Popescu. "Raketen haben auf unserem Territorium eingeschlagen, und es herrscht eine Energiekrise – Frieden und Stabilität in der Moldau sind nicht nur in unserem, sondern auch im Interesse des restlichen Europa." Die internationale Gemeinschaft will der Ex-Sowjetrepublik mit etwa zweieinhalb Millionen Einwohnern finanziell weiter unter die Arme greifen. Einerseits, weil die Republik Moldau in dem Konflikt besonders viel Menschlichkeit gezeigt hat, doch auch, weil dies im Interesse der Europäischen Union ist.  

Es war die dritte solche Geberkonferenz: Bei den ersten beiden in Berlin und Bukarest hatten Geldgeber bereits insgesamt über eine Milliarde Euro Hilfsmaßnahmen und Darlehen versprochen. "Sich für die Moldau einzusetzen, heißt, an den Kriegsanstrengungen teilzunehmen", sagte der französische Präsident Emmanuel Macron in der Abschluss-Pressekonferenz. "Dem Land zu helfen ist moralische Pflicht und einfach nur gerecht." Bei der heutigen Konferenz sagte Außenministerin Annalena Baerbock zusätzliche deutsche Hilfen von gut 32,3 Millionen Euro zu. Macron stellte weitere Hilfen in Höhe von 100 Millionen Euro in Aussicht. 

"Russland erpresst ganz offen die Moldau in Sachen Energie" 

Aus französischen diplomatischen Kreisen hieß es zuvor, dass diese dritte Konferenz besonders wichtig sei. "Russland hat eine neue Strategie entwickelt und bombardiert nun systematisch ukrainische Energieinfrastruktur, was das Land und den gesamten Kontinent destabilisiert", sagte ein Diplomat. "Zudem erpresst Russland ganz offen die Moldau in Sachen Energie und hat 50 Prozent der Gas-Zufuhr einfach gekappt." Millionen Ukrainer sind zurzeit ohne Strom, und auch in der Republik Moldau haben die Angriffe zu Stromausfällen geführt, hatte Außenminister Popescu auf Twitter geschrieben. Die Strom- und Gaspreise haben sich vervielfacht.

Außerdem ist das kleine Land wichtig für die Stabilität der östlichen EU. Vor allem zu Beginn des Krieges in der Ukraine herrschte die Sorge, dass Russland bis zur Republik Moldau durch die Südukraine vorstoßen und von dort gar Unterstützung bekommen könnte. Denn auch die Republik Moldau hat eine abtrünnige Region: Transnistrien. Die pro-russischen Separatisten aus dieser Region haben sich 1992 nach einem kurzen Krieg von der Republik Moldau abgetrennt - mit russischer Unterstützung. Noch heute sind dort rund 2000 russische Soldaten stationiert.

Doch nicht nur in Sachen Energie und Sicherheit ist die ehemalige Sowjetrepublik von dem Krieg im Nachbarland Ukraine betroffen. Die Republik Moldau hat seit Beginn der russischen Invasion rund eine halbe Million Flüchtlinge aufgenommen, von denen noch 80.000 im Land verweilen. "Zudem erwarten wir eine neue Flüchtlingswelle in den nächsten Wochen – wegen des Krieges, aber auch, weil die Menschen vor einem Atomreaktorunfall Angst haben, und bei fehlendem Strom und einem kalten Winter bei uns Zuflucht suchen könnten", sagte ein hochrangiger Vertreter der moldauischen Regierung in Paris. 

"Die Republik Moldau verdient unsere Hilfe" 

Felix Hett, Vertreter der Friedrich-Ebert-Stiftung in der Ukraine und Republik Moldau, findet, dass die internationale Staatengemeinschaft vor diesem Hintergrund die strukturschwache Moldau nicht alleine lassen dürfe. "Das Land hat sich sehr solidarisch gezeigt und verdient unsere Hilfe schlichtweg", sagte er im DW-Gespräch. "Außerdem bemüht sich die Regierung unter der pro-europäischen Präsidentin Maia Sandu nach Kräften, das Land zu reformieren." Sandu hat unter anderem Reformen des Justizwesens und des öffentlichen Dienstes eingeleitet. Dazu gehört auch der Kampf gegen die Korruption. "Unsere Regierung hat die Republik Moldau im Juni 2019 als 'gekapertes Land' bezeichnet, und wir untersuchen die illegale Finanzierung von Parteien, denn die Moldauer haben sich in den Präsidentschaftswahlen 2020 für Demokratie anstelle von Autokratie und für Gerechtigkeit statt Korruption entschieden", sagte Veronica Dragalin, Chefin des Antikorruptionsbüros der Moldauer Staatsanwaltschaft, in Paris.

Veronica Dragalin leitet die Antikorruptionsbehörde in Chisinau Bild: Andrei Mardari

So habe die Unterstützungsaktion der EU durchaus politische Gründe, fügte Céline Bayou vom Pariser Zentrum für Osteuroparecherche CREE hinzu. Die Republik Moldau ist in der Gruppe der sogenannten Östlichen Partnerschaft – sechs Länder, zu denen auch die Ukraine und Georgien gehören. Die EU wendet dort eine besondere Nachbarschaftspolitik an, um diese Länder politisch und wirtschaftlich an den Staatenblock zu binden. "Seit Juni ist das Land, genauso wie die Ukraine, offizieller EU-Beitrittskandidat. Das ist ein Riesenschritt, den die EU auch in Taten, also Unterstützungsaktionen, zeigen muss – auch wenn der Beitrittsprozess noch einige Zeit dauern kann", meinte Bayou. "So zeigen wir Russland, dass es in unserer unmittelbaren Nachbarschaft nicht machen kann, was es will."

Baerbock: "Gemeinsam sind wir stärker als dieser Krieg" 

Trotz der pro-europäischen Regierung könnte es aber nicht ganz einfach sein, die Republik Moldau im Team EU zu halten, betont Florent Parmentier, Generalsekretär der Pariser Denkfabrik Cevipof und Moldau-Spezialist. "Laut jüngsten Umfragen glauben nur noch etwa 30 Prozent der Bevölkerung, dass es richtig ist, sich der EU anzunähern – im Juni 2021 waren es noch 52 Prozent und gerade seit Beginn der Ukraine-Invasion ist diese Zahl gefallen", sagte er im DW-Gespräch. "Das zeugt auch vom Misstrauen gegenüber der Regierung und könnte heißen, dass die meisten Leute denken, das Land sollte sich eher Russland zuwenden. Das muss die EU bekämpfen." Seit Wochen demonstrieren immer wieder Menschen in der Hauptstadt Chisinau gegen die pro-europäische Regierung – allerdings werden sie laut Investigativ-Journalisten von pro-russischen Politikern dafür bezahlt.     

Pro-russische Demonstranten in Chisinau (im Oktober) Bild: Viorica Tătaru

Korruptionsbekämpferin Dragalin ist sich der heiklen Situation bewusst. "Wir haben ein kurzes Zeitfenster – angesichts einer Inflation von 35 Prozent, der ökonomischen Instabilität und Energiekrise sind soziale Unruhen möglich", sagte sie. "Wenn wir nicht zeigen, dass der Rechtsstaat und eine EU-Mitgliedschaft zu einer besseren Zukunft führen, verpassen wir diese einmalige Gelegenheit." Deutschlands Außenministerin Annalena Baerbock versuchte in ihrer Abschlusserklärung, den moldauischen Partnern Mut zu machen: "Solidarität ist der Wert, der uns in Europa und der EU ausmacht – Moldau hat in der EU einen Partner, auf den Ihr Euch verlassen könnt. Gemeinsam sind wir stärker als dieser Krieg." Auch Felix Hett ist optimistisch: "Angesichts der kleinen Größe des Landes müsste es machbar sein, die Moldau zu stabilisieren. Sie könnte ein Modell für die Ukraine und andere künftige EU-Beitrittskandidaten werden."    

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