Am Samstag werden die Europäischen Filmpreise verliehen. Der "Euro-Oscar" steht zu Unrecht im Schatten der US-Konkurrenz. Ein Blick auf die Nominierungen zeigt, wie vielfältig europäische Filmproduktionen sind.
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Die wichtigsten Nominierungen beim Europäischen Filmpreis
Berlin wird am Wochenende wieder zur Hauptstadt des europäischen Kinos. Zum 30. Mal wird der Europäische Filmpreis, das Gegenstück zum amerikanischen Oscar verliehen. Preise gibt es in rund einem Dutzend Kategorien.
Bild: Getty Images/AFP/T. Fabi
Beste Darstellerin
Als beste europäische Schauspielerin ist in diesem Jahr die Deutsche Paula Beer nominiert. Sie wurde für ihre Leistung in dem Film "Frantz" (D/F) vorgeschlagen. Dafür hatte sie schon 2016 beim Festival in Venedig einen Preis bekommen (unser Bild). Ihre Konkurrentinnen sind die französischen Stars Isabelle Huppert und Juliette Binoche, Alexandra Borbély aus Ungarn und die Britin Florence Pugh.
Bild: Getty Images/AFP/F. Monteforte
Bester Darsteller
Einen deutschsprachigen Sieger könnte es auch in der Kategorie Bester Schauspieler geben. Hier muss sich der Österreicher Josef Hader (nominiert für seine Rolle als Stefan Zweig im Film "Vor der Morgenröte") gegen Konkurrenten aus vier Nationen durchsetzen: Colin Farrell (Irland), Jean-Louis Trintignant (F), Claes Bang (Dänemark) und Nahuel Pérez Biscayart (Argentinien).
Bild: X Verleih AG
Königskategorie Bester Film
Wie beim Oscar gibt es auch beim Europäischen Filmpreis die Königskategorie Bester Film. Hier streiten sich fünf Werke um die Trophäe: "Körper und Seele" von Ildikó Enyedi (Ungarn/unser Bild), "Die andere Seite der Hoffnung" von Aki Kaurismäki (Fin./D), "The Square" von Ruben Östlund (Schweden/F/D/Dänemark), "Loveless" von Andrey Zvyagintsev (Rus./F/D/Belgien) und "120 BPM" von Robin Campillo (F).
Bild: I. Enyedi
Offenes Rennen in der Königskategorie
In dieser wichtigsten Kategorie, die den besten europäischen Film des Jahres 2017 bestimmt, treffen prominente Preisträger aufeinander: "Körper und Seele" (Goldener Bär) und "Die andere Seite der Hoffnung" (Silberner Bär) gewannen bei der Berlinale. Die Goldene Palme von Cannes 2017 ging an "The Square" (Bild). Auch "120 BPM" und "Loveless" räumten in Cannes Trophäen der internationalen Jury ab.
Bild: The Square/R. Ostlund
Komödien-Auswahl mit deutscher Beteiligung
Wie bei den Golden Globes unterscheidet auch der Europäische Filmpreis zwischen Drama und Komödie. Vier Werke schafften es in die Endauswahl: "Willkommen bei den Hartmanns" aus Deutschland (unser Foto mit dem Filmteam beim dt. Filmpreis), die belgischen Filme "King of Belgians" und "Vincent" - und "The Square", der damit überraschenderweise in beiden Kategorien nominiert wurde: Drama und Komödie!
Bild: picture-alliance/dpa/J. Carstensen
Bestes Drehbuch: 5 Konkurrenten
Auch für das Verfassen eines Drehbuchs gibt es einen Europäischen Filmpreis. Hier dürfen sich drei der Nominierten aus der Königskategorie Hoffnungen machen: die Ungarin Ildikó Enyedi, der Schwede Ruben Östlund und der Russe Andrey Zvyagintsev (gemeinsam mit Oleg Negin). Sie konkurrieren mit dem Franzosen François Ozon (für "Frantz", unser Bild) und den Griechen Yorgos Lanthimos/Efthimis Filippou.
Bild: picture alliance/dpa/X-Verleih
Europäischer Regisseur des Jahres
Einen Preis darf sich auch der Sieger in der Kategorie Bester Regisseur abholen. Auch hier konzentriert sich die Jury naturgemäß auf die Nominierten der anderen wichtigen Haupt-Kategorien. Aki Kaurismäki ist dabei (auf unserem Bild mit dem Silbernen Bären), die Ungarin Enyedi, der Schwede Östlund, der Russe Zvyagintsev sowie der Grieche Lanthimos.
Bild: picture-alliance/AP Images/B. Pedersen
Bester Debütfilm
Ausgezeichnet wird am Samstag in Berlin auch der nach Meinung der Jury beste Debütfilm. Hier streitet sich fünf Mal junges Kino um den Preis: "Lady Macbeth" (unser Bild) von William Oldroyd (GB), "Petit Paysan" von Hubert Charuel aus Frankreich, "Godless" (Ralitza Petrova, Bulgarien/Dänemark/Frankreich), "Estiu 1993" (Carla Simón, Spanien) - und aus Deutschland: "Die Einsiedler" von Ronny Trocker.
Bild: Sixty Six Pictures, BBC Films & British Film Institute
Beste Dokumentation
Dokumentarfilme haben, wie auch beim Oscar und beim Golden Globe, natürlich eine eigene Kategorie. Die fünf Nominierten sind: "Austerlitz" von Sergei Loznitsa (Ukraine/D, unser Bild), "Komunia" von Anna Zamecka (Polen), "Mein Leben - Ein Tanz" von Lucija Stojevic (Spanien/Island/USA), "Stranger in Paradise" von Guido Hendrikx (Niederlande) und "The Good Postman" von Tonislav Hristov (Bulgarien).
Bild: déjà-vu film
Animiertes Europa
Vier Filme wurden für die Kategorie Bester Animationsfilm nominiert. Aus Großbritannien kommt "Ethel & Ernest" von Roger Mainwood (Bild). In Frankreich entstanden die beiden nominierten Filme "Louise en Hiver" von Jean-Francois Laguionie sowie "Zombillénium" von Arthur und Alexis Ducord. "Lovin Vincent" von Dorota Kobiela und Hugh Welchman schließlich ist eine polnisch-britische Co-Produktion.
Bild: BBC, BFI & Ffilm Cymru Wales
Europäischer Beitrag zum Weltkino: Julie Delpy
Für die französisch-amerikanische Schauspielerin Julie Delpy wird es im Gegensatz zu den anderen Nominierten am Samstag nicht mehr ganz so spannend. Sie darf sich eines Filmpreises sicher sein. Delpy erhält die Auszeichnung für einen besonderen "Beitrag zum Weltkino". Die gebürtige Pariserin zog früh nach Los Angeles und tritt seither ebenso in europäischen wie in amerikanischen Filmen auf.
Bild: imago/Future Image
Lebensehrung für den Russen Alexander Sokurov
Und auch dieser Herr darf gelassen in den Berliner Abend gehen: der russische Filmregisseur Alexander Sokurov. Der 1951 in Sibirien geborene Filmemacher gehört zu den großen Filmkünstlern seines Landes. Er erhält den Ehrenpreis für das Lebenswerk. Sokurov dreht seit Ende der 70er Jahre oft unkonventionelle Werke, die nah am Filmexperiment sind - nicht selten auch mit deutschen Produktionsgeldern.
Bild: picture-alliance/dpa/Sputnik/V. Astapkovich
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Warum ist die europäische Filmszene eigentlich nicht selbstbewusster? Warum berichten die europäischen Medien nicht begeistert und ausführlich über den Europäischen Filmpreis? Warum wird über die europäische Auszeichnung, die ja nichts anderes ist als das Gegenstück zum amerikanischen Oscar, nicht auch schon im Vorfeld der Gala so viel gesprochen und diskutiert wie über den Oscar?
Vor genau 30 Jahren wurde der europäische Preis aus der Taufe gehoben, nachdem sich Europas Filmschaffende endlich dazu aufgerafft hatten, auch das heimische Kino alljährlich zu würdigen. Es war höchste Zeit. Seither hat sich allerdings in der öffentlichen Wahrnehmung nicht allzu viel geändert. Obwohl die Euro-Gala nach dem gleichen Muster abläuft. Im Vorfeld gibt es Nominierungen in verschiedenen Kategorien, am eigentlichen Gala-Abend wird es dann spannend. Es gibt einen Roten Teppich und Ehrenpreise, die Promis treten sich auf die Füße und Filmgrößen eines ganzen Kontinents kommen zusammen.
Es gibt Gründe für das Schattendasein des Europäischen Preises
Warum also ist der Europäische Filmpreis (der früher noch "Felix" hieß) immer noch der kleine, unbekannte Bruder des Oscars? Ein paar Gründe gibt es. Der Oscar hat eine wesentlich längere Tradition - in den USA wird er seit 1929 verliehen, den Euro-Oscar gibt es erst seit 1988. Der Oscar wird seit langem an einem Ort vergeben, die Gala des europäischen Gegenstücks findet immer mal wieder an anderen europäischen Schauplätzen statt.
Natürlich liegt es auch an der Sprache. Der Oscar ist eine englischsprachige Angelegenheit, die US-Akademie verleiht Preise aus dem englischsprachigen Raum (Ausnahme ist der Oscar für den besten nicht-englischsprachigen Film). Die europäische Auszeichnung spiegelt eben die Sprachenvielfalt des ganzen Kontinents wider.
Und dann spielen die europäischen Medien eine wichtige Rolle. Die Übertragung der Oscarshow wird weltweit schon im Vorfeld kräftig beworben - mit viel Aufwand wird das Event dann inszeniert. In Europa dagegen scheuen sich die TV-Veranstalter vor einer Übertragung der Preisverleihung. Mal wird sie zeitversetzt gesendet, mal wird ganz darauf verzichtet. Das interessierte Publikum wird auf den Live-Stream der Europäischen Filmakademie verwiesen. Das ist ein Armutszeugnis.
Es wird höchste Zeit mehr europäisches Selbstbewusstsein zu zeigen
Die Europäer sollten sich selbstbewusster geben. Schließlich haben sie viel vorzuweisen: viele Filmnationen, viel unterschiedliche Filmkunst, Stars ganz unterschiedlicher Couleur. Vergleicht man die Liste der Oscargewinner und die der Preisträger der europäischen Auszeichnung der letzten 30 Jahre, besteht für den "alten Kontinent" kein Grund sich zu verstecken. Im Gegenteil: Der Europäische Filmpreis hat ein größeres künstlerisches Potential als der Oscar. Nur mit dem Marketing hapert es noch gewaltig!