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30 Jahre Polarstern - 30 Jahre Expeditionen in die Antarkis

03:46

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20. Mai 2013

30 Jahre Polarstern - Welche wissenschaftlichen Erkenntnisse haben Expeditionen in die Antarkis gebracht? Dazu ein Gespräch mit Expeditionsleiter Dr. Julian Gutt vom Alfred Wegener Institut für Polar- und Meeresforschung (AWI)

DW: Prof. Gutt, wir haben erfahren, dass die Meereszirkulation möglicherweise in Gefahr ist. Und dass kein sehr kaltes Wasser mehr da unten absinken kann. Was würde da eigentlich passieren?

Julian Gutt: Wenn das im Extremfall passieren würde, würden die Weltozeane nicht mehr durchlüftet werden. Und die gesamte Zirkulation der Weltozeane würde sich verlangsamen. Und das hätte dann auch letztendlich irgendwann für uns in Europa Konsequenzen.

Das würde sogar uns erreichen, mit wärmeren Temperaturen, Golfstrom bricht zusammen,... Was ist da vorstellbar?

Solche Szenarien sind dann denkbar. Dieses Tiefenwasser, was in der Antarktis durch die große Abkühlung gebildet wird, das reicht bis weit in den Nordatlantik hinein.

Ein Ergebnis der Messungen der Polarexpedition war, dass in Teilen der Antarktis die Temperaturen um bis zu 3°C, 3,5°C in den letzten 50 Jahren angestiegen sind. Was ist denn los, wenn das so weiter geht - was passiert dann mit der Antarktis?

Was jetzt schon passiert ist, dass Meereis schmilzt, schneller schmilzt als bisher. Das hat für die Biologie dann erhebliche Konsequenzen. Der Krill, ein Kleinkrebs, ist in seinem Verhalten sehr stark an dieses Meereis gebunden. Und er geht in seinem Bestand erheblich zurück. Und das ist deshalb so dramatisch, weil dieser Kleinkrebs, der Krill, die Nahrungsgrundlage für Wale, Robben und Pinguine ist.


Und wenn Sie es insgesamt an der Antarktis betrachten? Die Temperaturen sinken und steigen nicht überall, richtig?

Diese atmosphärische Erwärmung über dem globalen Durchschnitt ist nur an der antarktischen Halbinsel zu messen. Der Rest der Antarktis kühlt sich sogar ein wenig ab im Moment.

Das Meereis verschwindet in Teilen. Das ist dramatisch. Für Sie als Biologen hat das natürlich den Vorteil, dass Sie untersuchen können, was sich da unten am Meeresboden tut. Was sehen wir denn da?

Es gibt typische Lebensgemeinschaften am Meeresboden der Antarktis. Es sind Filtrierer, die sitzen auf dem Meeresboden drauf, ähnlich wie im Korallenriff. Es sind auch Korallenverwandte. Oder zum Beispiel Schwämme, die brauchen klares Wasser. Das haben wir noch in der Antarktis. Wir haben aber auch unter dem ehemaligen Schelfeis, was weggebrochen ist, gelbe gestielte Haarsterne. Sie sind eigentlich Tiefseebewohner. Die leben normalerweise in Wassertiefen von 2 bis 8000m Tiefe. Hier aber bei 200m. Und wir haben Manteltiere beobachtet, die sich nach dem Wegbrechen des Schelfeises dort sehr schnell entwickelt haben.

Das sind ja alles Tiere und keine Pflanzen. Gibt es da einige Tiere, die nur dort vorkommen?

Wenn wir es auf die Antarktis beziehen, sind die meisten dieser Tiere reine Antarktisbewohner. Unter dem Schelfeis, was dort jetzt weggebrochen ist, diese Tiefseearten, da ist es noch nicht ganz sicher, ob es wirklich genau die selbe Art ist, die einmal bei 200m unter dem Schelfeis und einmal bei 8000m in der Tiefsee vorkommt.

Wie wird sich das Leben dort unten verändern, wenn die Temperaturen weiter steigen und noch mehr vom Meereis verschwindet?

Zunächst einmal wird sich dann dort eine normale antarktische Fauna einstellen. Dramatischer wird es, wenn die Vergletscherung des Kontinentes abnimmt. Dann wird trübes Material ins Meer hinein gespült. Und wie ich sagte, diese Lebensgemeinschaften brauchen klares Wasser. Und dann sind diese schönen Tiere zum Aussterben verdammt.

(Interview: Ingolf Baur)