Filme aus Skandinavien, der iberischen Halbinsel und den baltischen Ländern: Der Europäische Filmpreis spiegelt die Sprachen- und Kulturvielfalt Europas wider. Doch beim Marketing des Euro-Oscars gibt es noch Defizite.
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31. Europäischer Filmpreis 2018 - Nominierte und Sieger
Er steht im Schatten der Oscars - zu Unrecht. Die Qualität der Filme ist hoch. In Sevilla sind am 15.12. die Europäischen Filmpreise vergeben worden. Wir stellen Nominierte und Sieger vor.
Bild: AP
Fünf Europäische Filmpreise für "Cold War"
Großer Abräumer bei der Gala am 15. Dezember in Sevilla war "Cold War", die Liebesgeschichte einer Sängerin und eines Pianisten, die im Nachkriegspolen ihren Anfang nimmt und über fast 20 Jahre erzählt wird. Der polnische Film gewann in den Kategorien "Bester Film", "Bestes Drehbuch", "Bester Schnitt", "Beste Regie" (Pawel Pawlikowski) und "Beste Schauspielerin" (Joanna Kulig, im Bild).
Bild: imago
Bester Schauspieler: Marcello Fonte
Auch der italienische Film "Dogman" von Matteo Garrone, der die Geschichte eines Hundefriseurs erzählt, war als bester Film nominiert. In dieser Kategorie musste er sich zwar geschlagen geben, Hauptdarsteller Marcello Fonte durfte sich aber über die Auszeichnung als "Bester Schauspieler" freuen. Die Jury lobte seine "starke, leidenschaftliche Darstellung".
Bild: festival-cannes
Multikulti in Europa
Im Gegensatz zu den Oscars, wo englischsprachige Filme ausgezeichnet werden, setzt der Europäische Filmpreis auf Sprachenvielfalt. Europas Kino ist vielsprachig! Als bester Film war auch die schwedisch-dänische Produktion "Border" nominiert. Das Thema des Films spricht Bände: Es geht um Grenzen. Regie hat der aus dem Iran stammende und in Schweden lebende Regisseur Ali Abbasi geführt.
Bild: Meta/Spark&Kärnfilm/AB
"Glücklich wie Lazzaro" geht leer aus
Wie bei den Oscars werden auch beim Europäischen Filmpreis in verschiedenen Kategorien Filme nominiert - und schließlich am Abend der Preisverleihung die Sieger ermittelt. Unter den fünf in der Königsdisziplin "Bester Film" Nominierten war auch das poetische Werk "Glücklich wie Lazzaro" von Alice Rohrwacher aus Italien, eine Co-Produktion, in der auch deutsche Gelder stecken.
Bild: Piffl Medien
Beste Komödie: "The Death of Stalin"
Zu lachen gibt es auch etwas auf dem "alten Kontinent" Europa. Wie bei den Golden Globes gibt es neben der Kategorie "Bester Film" eine gesonderte Kategorie "Beste Komödie". Die Jury vergab den Preis an die britisch-französische Komödie "The Death of Stalin". Darin erzählt der schottische Regisseur Armando Iannucci mit viel schwarzem Humor über die Intrigen um die Nachfolge Josef Stalins 1953.
Drei Filme hatten sich um die Auszeichnung beworben, darunter auch die französische Komödie "Das Leben ist ein Fest" des Regieduos Eric Toledano und Olivier Nakache. Hauptdarsteller Jean-Pierre Bacri spielt darin einen Wedding Planer, der eine Hochzeit auf einem Landschloss organisieren soll. Dabei geht so allerhand schief: Aber nicht nur Gläser fallen um, auch Bacri spielt umwerfend.
Marie Bäumer, für ihren Auftritt als Romy Schneider in "3 Tage in Quiberon" bereits vielfach geehrt, war als "Europäische Schauspielerin 2018" nominiert. Doch ihren Triumph bei den deutschen Filmpreisen konnte sie nicht wiederholen. Nominiert waren außerdem Halldóra Geirharðsdóttir ("Gegen den Strom"), Bárbara Lennie ("Petra"), Eva Melander ("Border") und Alba Rohrwacher ("Glücklich wie Lazzaro").
Bild: Rohfilm Factory/Prokino/Peter Hartwig
Kein Preis auch für Sverrir "Borg" Guðnason
Der in Island geborene schwedische Schauspieler Sverrir Páll Guðnason war einer der sechs Nominierten für den "Besten Schauspieler". In seiner Rolle als Björn Borg im Film "Borg/McEnroe" kam er dem Tennisidol verblüffend nah. Neben ihm gingen auch Jakob Cedergren ("The Guilty"), Rupert Everett ("The Happy Prince"), Tomasz Kot ("Cold War") und Victor Polster ("Girl") leer aus.
Die Kategorie "Europäischer Regisseur 2018" spricht für die große Vielfalt der europäischen Kultur. Neben dem Sieger, dem Polen Paweł Pawlikowski ("Cold War"), war auch Samuel Maoz aus Israel ("Foxtrot") nominiert, außerdem Ali Abbasi ("Border"), der im Iran geboren wurde. Die Herkunft der Regisseure steht für die kulturelle Breite des europäischen Filmschaffens.
Bild: DW/S. Hofmann
Bester Ton für "Der Hauptmann"
In Kategorien wie Kamera, Schnitt, Ton oder Kostüm standen die Sieger schon vor der Gala am 15. Dezember in Sevilla fest. Erfreulich aus deutscher Sicht: Für die beste Tongestaltung wurden André Bendocchi-Alves und Martin Steyer ausgezeichnet. Sie waren für den Ton in "Der Hauptmann" des Deutschen Robert Schwentke verantwortlich.
Bild: picture alliance/dpa/Weltkino Filmverleih/Julia M. Müller
Beste Filmmusik für "3 Tage in Quiberon"
Auch die nach Meinung der Jury überzeugendste Filmmusik kommt von zwei deutschen Komponisten: Christoph M. Kaiser und Julian Maas komponierten für den Romy-Schneider-Film "3 Tage in Quiberon" einen Score, der das Leben des Filmstars zwischen Enthusiasmus, Melancholie und Trauer bestens auf den Punkt bringt.
Bild: Prokino Filmverleih GmbH
Dokumentarfilm: "Bergman - A Year In A Life"
Der Film über den schwedischen Regisseur Ingmar Bergman wurde als "Bester europäischer Dokumentarfilm 2018" ausgezeichnet. In der Dokumentation blickt Jane Magnusson auf den Anfang der Karriere des großen europäischen Filmemachers: 1957 konnte Bergmann seine ersten internationalen Erfolge feiern. "Bergman – A Year In A Life" war 2018 unter anderem beim Filmfest München zu sehen.
Bild: Filmfest München 2018
Kein Preis für "Of Fathers and Sons"
Der in Damaskus geborene Talal Derki hatte sich mit seinem Film "Of Fathers and Sons" ("Die Kinder des Kalifats") beworben. Er gewann bereits mehrere Preise für den Film, unter anderem den Deutschen Dokumentarfilmpreis und den "World Cinema Grand Jury Prize" beim Sundance-Festival in den USA. Drei der fünf nominierten Dokumentationen sind deutsche Co-Produktionen.
Bild: SWR
Bester Erstlingsfilm: "Girl"
Der belgisch-niederländische Film "Girl", der auch als "Bester Film" nominiert war, wurde mit dem Prix FIPRESCI für den besten Erstlingsfilm bedacht. Der belgische Regisseur Lukas Dhont erzählt darin die Geschichte der 15-jährigen Lara, die professionelle Ballerina werden will. Das bringt diverse Probleme mit sich, denn Lara ist transgender und wurde im Körper eines Jungen geboren.
Bild: Kris De Witte
"Touch Me Not"
Nominiert in der Kategorie "Europäische Entdeckung / Bester Erstlingsfilm" war auch "Touch Me Not". Ob der Film nun tatsächlich dahin gehörte, darüber lässt sich streiten. Im Februar hatte die rumänische Regisseurin Adina Pintilie für ihr zwischen Experiment, Dokumentar- und Spielfilm changierendes Werk den Goldenen Bären der Berlinale bekommen.
Bild: Manekino Film, Rohfilm, Pink, Agitprop, Les Films de l'Etranger
Ehrenpreis I: Ralph Fiennes
Drei Größen des europäischen Films durften sich zudem über Ehrenpreise freuen, die bei der Gala in Sevilla überreicht wurden. "Europäischer Beitrag zum Weltkino" heißt die Auszeichnung, die der Brite Ralph Fiennes bekam. Die Kinozuschauer kennen ihn aus Filmen wie "Der englische Patient" und "Der ewige Gärtner". Der Schauspieler war aber auch in Harry-Potter- und James-Bond-Filmen zu sehen.
Bild: AP
Ehrenpreis II: Carmen Maura
Ein Heimspiel in Sevilla hatte die spanische Schauspielerin Carmen Maura. Die 1945 in Madrid geborene Aktrice wurde für ihr Lebenswerk ausgezeichnet. Einem größeren Publikum wurde Maura in den 1980er Jahren durch Auftritte in den Filmen ihres Landsmanns Pedro Almodóvar bekannt - hier ist sie 1986 an der Seite des jungen Antonio Banderas zu sehen.
Bild: imago/EntertainmentPictures
Ehrenpreis III: Constantin Costa-Gavras
Und auch der griechisch-französische Regisseur Constantin Costa-Gavras bekam einen Ehrenpreis. Damit werde "einer Persönlichkeit Respekt gezollt, die mit starker politischer Stimme nicht nur von Kollegen zutiefst respektiert, sondern auch weltweit vom Publikum gefeiert wird", so die Europäische Film-Akademie. Der bekannteste Film von Costa-Gavras heißt "Z" (1969).
Bild: Hellas Film Box
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Vermutlich ist Europa selbst Schuld. Warum steht der Europäische Filmpreis, der am 15.12.2018 im spanischen Sevilla verliehen wurde, immer noch im Schatten der Oscars? Sicher, die amerikanischen Filmpreise haben eine längere Tradition, seit 1929 werden sie vergeben. Den Europäischen Filmpreis gibt es erst seit 1988. Doch das sind auch schon 31 Jahre, immerhin. Inzwischen sollte doch angekommen sein, dass auch die Europäer einen "Oscar" haben.
Europas Kino ist vielfältiger
Doch dem ist nicht so. Das weltweite Medieninteresse an den Oscars ist bereits im Vorfeld riesengroß, das am Europäischen Filmpreis nicht. Woran liegt das? An der Qualität der Filme sicher nicht. Im Gegenteil, man könnte sogar die Behauptung aufstellen, dass das Kino Europas in seiner Gesamtheit wesentlich vielfältiger, bunter und künstlerisch interessanter ist als das englischsprachige des nordamerikanischen Kontinents - wenn auch kommerziell weniger ergiebig.
Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass in jüngster Zeit bei den Oscars einige herausragende Filme ausgezeichnet wurden - vor allem von in Hollywood arbeitenden mexikanischen Regisseuren. Der Oscar ist immer noch in allererster Linie ein Preis der rein englischsprachigen Filmwelt: Ausgezeichnet werden vornehmlich Filme aus Hollywood, manchmal auch aus anderen Teilen der englischsprachigen Welt.
"America First" - die Oscarakademie praktiziert das Trumpsche Motto schon lange. Die singuläre Trost-Kategorie "Bester fremdsprachiger Film", in der sich der ganze Rest des Weltkinos tummelt, bringt das zynisch auf den Punkt. Was Europa nicht davon abhält, diese Kategorie mit gebannter Aufmerksamkeit zu verfolgen.
Der Euro-Oscar funktioniert nach dem Vorbild des Oscars
Warum also steht der Euro-Oscar im Schatten des US-Vorbilds? Die Kategorien sind ziemlich ähnlich, es gibt beste Filme und Darsteller, Sieger in den filmhandwerklichen Kategorien wie Kamera oder Kostüme sowie ein paar Ehrenpreise für verdiente ältere Filmschaffende. Auch das Prozedere mit Nominierungen im Vorfeld und der Spannung am Abend der Preisverleihung ist gleich. Und die Gala wird inzwischen auch von den Europäern mit ähnlicher Professionalität ausgerichtet, wie das in Los Angeles Jahr für Jahr geschieht.
Ein "Nachteil" der Europäer liegt sicher in der Sprachen- und Kulturvielfalt begründet. Insofern ist der Filmpreis ein Spiegel der Politik. Wenn Europa mit den USA am Verhandlungstisch sitzt, ist es auch jedes Mal aufs Neue schwierig, mit einer einheitlichen Stimme zu sprechen. Europa muss sich immer wieder zusammenraufen. Europa ergibt kein einheitliches Bild. Doch warum, diese Frage darf erlaubt sein, sollte das im Bereich der Kultur zum Nachteil gereichen - und nicht vielmehr ein Vorteil sein?
3 Gründe für das Schatten-Dasein des Europäischen Filmpreises
Sucht man nach Erklärungen für das Schattendasein des Euro-Oscars, kristallisieren sich drei Erklärungen heraus:
1. Die Vereinigten Staaten haben in Sachen Stars die größere weltweite Sogwirkung. Ein Roter Teppich, auf dem George Clooney oder Julia Roberts wandelt, wird tausendmal mehr fotografiert als einer, auf dem Catherine Deneuve oder Antonio Banderas geht. Das liegt nicht an mangelndem Star-Appeal der Französin oder des Spaniers - sondern schlicht und einfach am weltweiten Boulevard, früher vornehmlich der Presse und des Fernsehens, heute der "Sozialen Medien", die auf englischsprachige Kultur fixiert sind.
2. Womit wir zum zweiten Punkt kommen: den Medien. Und da sollte man sich in Europa an die eigene Nase fassen. Auch viele europäische Medien stehen im Banne der US-Stars und des Hollywood-Blockbuster-Kinos. Das ist oft auch eine Frage des Geldes. Aber nicht nur. Mit Filmen werden Milliarden verdient. Doch sollte das bei einer Preisverleihung, bei der es doch um Kategorien wie "Bester Film" oder "Beste Darstellerin" geht, eine so entscheidende Rolle spielen? Europa und insbesondere die europäischen Medien sollten viel selbstbewusster agieren.
3. Daraus folgt Punkt Drei: das Marketing. Hier haben die Europäer Defizite. Auch die Europäische Filmakademie sollte selbstbewusster auftreten. In Amerika investieren die Produzenten bereits im Vorfeld der Gala sehr viel Geld in den Oscar-Rummel. Die Europäer müssten dementsprechend wesentlich mehr die Werbetrommel schlagen, den Europäischen Filmpreis mit einem gezielten Marketing-Konzept promoten. Nur so würden wir Europäer wohl begreifen, welchen Schatz das Kino des Kontinents birgt.