350. Todestag Rembrandt
3. Februar 2019Er war ein Genie und dazu ein beeindruckend innovatives. Rembrandt hat bis zu seinem Tod im Jahr 1669 vor der Staffelei gestanden. Er starb am 4. Oktober vor 350 Jahren in Amsterdam. Höhepunkt seines Schaffens ist natürlich das berühmteste Gemälde der Niederlande: "Die Nachtwache", das im Rijksmuseumin Amsterdam hängt.
Rembrandt Harmeneszoon van Rijn, der 1609 in Leiden als Sohn eines Müllers das Licht der Welt erblickte, schuf unermüdlich Werke, die so experimentierfreudig und technisch innovativ sind, dass sie auch heute noch modern wirken.
Rembrandt ist mehr als ein Maler
Rembrandt erzählte mit seinen Gemälden auch Geschichten. Vor allem die biblischen Vorlagen wie Isaak und Rebekka (ca- 1665 bis 1669) und das Selbstbildnis als Apostel Paulus (1661) lässt er durch die Darstellung von Gesten und Emotionen menschlich wirken. Auch der Einsatz von Licht- und Farbeffekten treibt er zu einer neuen Meisterschaft.
"Rembrandt besaß eine große Sammlung von Kupferstichen. Nachstiche berühmter Meister, von Raffael, von Tizian, von Michelangelo, von Carracci. Gerade die Künstler des 16. Jahrhunderts aus Italien haben ihn begeistert, und wenn Rembrandt selbst ein Kunstwerk schafft, hat er die Kunstgeschichte im Kopf und versucht es noch besser zu machen", sagt Gregor Weber, Rembrandt-Experte am Rijksmuseum, der auch vor drei Jahren das bis dato wenig bekannte Spätwerk in Amsterdam für eine fulminante Ausstellung zusammentrug.
Rembrandt malte erstaunlich viele Selbstbildnisse
Rembrandt war sich selbst das liebste Modell. Er malte sich bis zu seinem Tod. Öfter als alle Künstler vor ihm. Immer wieder. "Ich weiß nicht, warum er das gemacht hat. Ich kann nur annehmen, dass er mit sich selbst beschäftigt war. Er nutzte sich als das einfachste Modell, um alle möglichen Dinge auszuprobieren", sagt Gregor Weber.
Achtzig Selbstporträts - Öl auf Leinwand sowie Grafiken - entstanden in rund vierzig Jahren. Das Motiv des Sich-Selbst-Anschauens war schon früh sein Thema. Rembrandt benutzte dafür einen Spiegel. Er schaute sich an wie ein Fremder, studierte unermüdlich, wie das Licht sein Gesicht modellierte. Er malte sich beim Malen, er malte sich als Fürst oder er schlüpfte in die Rolle des Apostels Paulus: Mit dem aufgeschlagenen Manuskript des Evangeliums vor sich blickt er seitlich aus dem Gemälde hinaus.
Was für eine Landschaft dieses Gesicht ist: Tiefe Falten zerfurchen seine Stirn. Die Augenbraue mündet in einen schwarzen Fleck, der aus nichts als der Grundierung der Leinwand besteht, die Nase - dick wie eine Kartoffel - gewinnt Räumlichkeit durch den hellen Punkt an der Spitze. Je älter er wird, desto schonungsloser blickt er auf die eigenen Altersflecken, die aufgedunsene Haut, das ergrauende Haar. Andere Gemälde wirken unfertig, weil er mit Aussparungen und Andeutungen arbeitet. Sie tragen ihm den Ruf ein, seine Gemälde nicht fertig zu malen. Sogar mit dem Paletten-Messer schabt er Farbe von der Leinwand ab.
Branding - Aufbau einer Marke
"Diese Stücke fanden Käufer, weil sie 'Rembrandt Rembrandts' waren", sagt Weber. Ein Doppelschlag: "Ein Käufer bekam nicht nur ein Gemälde von Rembrandt, er bekam auch noch eins mit einem Konterfei des berühmten Meisters Rembrandt". Die Produktion dieser Gemälde mit Hilfe seiner Werkstatt wirkt wie ein Vorläufer der Factory des Pop Art-Künstlers Andy Warhol.
Die Selbstporträts repräsentieren das, was im Marketing den Kern einer guten Marke ausmacht: Wiedererkennbarkeit und Einfachheit. Und sie sind auch ein Beweis für Rembrandts ausgeklügeltes Unternehmertum. "Er setzt ein Markenzeichen, wie ein Unternehmer es heute macht. Und er ist auch einer, der sich wahrnimmt, schonungslos wahrnimmt, wie er im Laufe des Lebens sich verändert und wie er in neue Rollen schlüpft. Das ist sehr schön zu sehen, wie er sich kostümiert, wie er sich als Fürst oder als Apostel Paulus darstellt."
Auf seinem letzten Selbstporträt sieht Rembrandt viel älter aus als 63 Jahre. Auch noch als knorriger Alter mit Zottel-Bart sucht er weiter nach dem Wesen der Wirklichkeit. Rembrandts Werke erinnern an das Ticken der Zeit - und lassen es zugleich vergessen.
Nachtwache als Wendepunkt
In seinem Leben hat Rembrandt viel Leid erfahren müssen. Das Jahr, in dem er auch das berühmte Gemälde "Die Nachtwache" malt, läutet eine Wende ein: 1642 stirbt seine geliebte Frau Saskia, zuvor waren schon drei Kinder gestorben. Nur der Sohn Titus bleibt ihm. Um ihn kümmert sich Rembrandt ganz besonders liebevoll und erklärt ihn zu seinem Erben. Doch auch Titus stirbt drei Jahre vor seinem Vater. Die Haushälterin verklagt ihn wegen gebrochenen Eheversprechens.
Am Ende ist er in 25 Gerichtsprozesse verwickelt. Der finanzielle Bankrott ist unabwendbar. Er ist gezwungen, sich von seiner privaten Kunstsammlung und seiner enzyklopädischen Sammlung von Globen, Münzen, Musikinstrumenten, Steinen und Waffen zu trennen. "Wenn man sich das Oeuvre ansieht, erkennt man, dass er sich mit der Nachtwache völlig verausgabt hat. Es ist eine Riesenleinwand, in die er alles reinlegt, was er nur machen kann. Er hat danach offenbar eine Krise, denn in den Jahren danach malt er kaum Porträts. Er ist ein Suchender."
Rembrandt vorm Burnout? Was macht der Blick in den Abgrund mit einem vom Erfolg verwöhnten Künstler wie Rembrandt? "Er erfindet sich neu", lautet Webers Antwort. Rembrandt löst sich von den strengen Konventionen der Porträt- und Historienmalerei des Goldenen Zeitalters. 1651, er ist 46 Jahre alt, tritt er befreit und mit neuem Elan an die Leinwand.
Neue Techniken
Wenig idealisierend sehen die von ihm porträtierten Gesichter im Spätwerk aus. Ihr Blick ist meist nach innen gekehrt wie im Falle der alten lesenden Frau, die versunken in ein Buch schaut. Rembrandt stellt sie in Nahaufnahme dar: Ihr weises Gesicht wird von einem Licht erhellt, das aus dem Buch herausstrahlt. Lippen, Nase, Kinn treten so plastisch hervor, dass man meint, sie anfassen zu können. Den Hintergrund dagegen deutet er nur als dunkle Atmosphäre an. "Er wird im Stil ein anderer und experimentiert jetzt mehr. Die Sturm und Drang-Phase von früher, wo er Wert auf Aktion im Bild legte, ist vorbei. Er kehrt die Handlung nun nach innen und wird kontemplativ," sagt Weber.
Der Pinselstrich ist mal grob, mal fein. Aus dieser freien Art spricht ein großes Vertrauen in den Betrachter: ein Appell an die Fantasie, das Unfertige zu Ende zu denken. Als er 1656 die "Anatomische Vorlesung des Dr. Deyman" malt, wagt er sich an eine ungewöhnliche Komposition heran, die so realistisch ist, dass Zartbesaiteten übel werden könnte. Der Betrachter sieht dem Chirurgen Dr. Deyman dabei zu, wie er das Gehirn einer Leiche aufschneidet. Dabei wird der Blick des Betrachters an den dreckigen Füßen vorbei direkt in die offene Bauchhöhle des Verstorbenen geführt. "Es muss alles so sein, wie die Wirklichkeit es vorschreibt: krass und wahr. Nichts schönt Rembrandt für einen Auftraggeber."