Das Filmfest setzt einen Schwerpunkt auf sozialkritisches Kino. München zeigt die Folgen der Globalisierung - fiktional und dokumentarisch. Verpackt wird das im Genrekino - die Regisseure wollen auch unterhalten.
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Kinopower: 10 Highlights vom 37. Filmfest München
Premieren, Stars, Kino aus Deutschland und der Welt: Das Filmfest München prunkt mit zahlreichen Höhepunkten. Ein Blick aufs Programm, auf große Filme und Entdeckungen am Rande, auf berühmte Schauspieler und Regisseure.
Bild: FILMFEST MÜNCHEN 2019
Eröffnungsfilm "The Art of Self-Defense"
Was macht einen richtigen Mann aus? Diese Frage stellt mit viel Ironie zu Beginn des Festivals in München der Auftaktfilm "The Art of Self-Defense". Hollywood-Star Jesse Eisenberg (r.) versucht im Karateclub seinen Testosteronspiegel zu steigern. Ob' s gelingt? Regisseur Riley Stearns gibt überraschende Antworten. München eröffnet sein Programm in diesem Jahr mit viel schwarzem Humor.
Bild: FILMFEST MÜNCHEN 2019
Internationale Kinopremieren: "Bacurau" aus Brasilien
Weltweit haben Festivals die Rolle von Museen übernommen. In einer kriselnden Kinolandschaft zwischen US-Blockbustern, Netflix und Filmtheatersterben zeigen Festivals für einen Zeitraum, wie Ausstellungen im Museum, ihre Schätze. Ein Film wie "Bacurau", in Cannes mit dem Jury-Preis ausgezeichnet, feiert in München Deutschlandpremiere. Ob der Film dann den Sprung in die Kinos schafft, ist ungewiss.
Bild: Filmfest München 2019
Dokumentarisches aus aller Welt: "Gaza"
Ein gutes Festival erlaubt den Zuschauern immer einen Blick auf neue Entwicklungen. Auffallend ist, dass weltweit immer mehr Co-Produktionen entstehen - eine Folge der Globalisierung. Das Münchner Festival räumt dieser Entwicklung mit der neuen Reihe "CineCoPro" 2019 eine eigene Sektion ein. Dort läuft in diesem Jahr die Dokumentation "Gaza" - eine deutsch-irisch-kanadisch-britische Produktion.
Bild: Filmfest München 2019
Internationaler Regienachwuchs: "Angelo"
In der Reihe "CineVision" schauen die Veranstalter auf neue Talente aus aller Welt: Welche Fragen stellt der Regienachwuchs? Es sind vor allem die nach der Rolle von Familie, Tradition und Kontrollverlust. Ein Beispiel: "Angelo" des Österreichers Markus Schleinzer, der anhand einer authentischen Geschichte das Schicksal eines jungen Sklaven im Europa des beginnenden 18. Jahrhunderts nachspürt.
Bild: Filmfest München 2019
Schaufenster des deutschen Kinos: "Golden Twenties"
Das Münchner Filmfest ist neben der Berlinale wichtigstes Schaufenster des deutschen Films. In mehreren Reihen präsentieren die Regisseure ihre neuen Werke als Weltpremiere. In der Sektion "Neues deutsches Kino" stellt sich in diesem Jahr "Golden Twenties" mit Henriette Confurius der Konkurrenz. Sophie Kluge hat einen sensiblen Film über eine junge Frau inszeniert, die ihren Platz im Leben sucht.
Bild: Filmfest München 2019
"Play": Was ist richtiges Leben?
In den letzten Jahren haben sich die scharfen Grenzen zwischen Kino, Fernsehen und dem Angebot der Streaming-Anbieter aufgelöst. Das Münchner Filmfest präsentiert schon lange gutes Fernsehen und liegt damit im "Netflix"-Zeitalter goldrichtig. In der Reihe "Neues Deutsches Fernsehen" stellt es den Film "Play" vor, in dem Philip Koch eine junge Frau zeigt, die sich in die virtuelle Welt zurückzieht.
Bild: Filmfest München 2019/Alexander Fischerkoesen
Bauhaus-Jahr: "Die Neue Zeit"
Kein Festival ohne eigene Serien-Sektion. Passend zum Bauhaus-Jahr präsentiert das Festival als Premiere die sechsteilige Serie "Die Neue Zeit". Sie spielt im Jahre 1963 und zeigt den 80 Jahre alten Walter Gropius, der von einer jungen Journalistin mit dem Vorwurf konfrontiert wird, er habe Frauen unterdrückt. In den Hauptrollen: Anna Maria Mühe (unser Bild), August Diehl und Trine Dyrholm.
Bild: Filmfest München 2019
CineMerit Award I: Antonio Banderas
Jedes Festival schmückt sich mit Stars. Am besten geht das mit Ehrenpreisen, die fürs Lebenswerk verliehen werden. In München heißen die "CineMerit Award". 2019 werden zwei vergeben. Den einen bekommt der spanische Schauspieler Antonio Banderas. In München gezeigt werden sein neuer Film "Leid und Herrlichkeit" von Pedro Almodóvar, aber auch ein "Banderas-Klassiker" wie "Die Maske des Zorro".
Bild: Filmfest München 2019
CineMerit II: Ralph Fiennes
Der zweite Ehrenpreis des Festivals geht an den britischen Schauspieler Ralph Fiennes. Damit werden nicht nur seine Darsteller-Leistungen geehrt. Mit Spannung erwartet wird die Premiere der dritten Regiearbeit des Briten. "Nurejew - The White Crow" erzählt eine Episode aus dem Leben des sowjetischen Balletstars Rudolf Nurejew (im Film verkörpert von Oleg Ivenko) während des Kalten Krieges.
Bild: FILMFEST MÜNCHEN 2019/Jessica Forde
Retrospektive Bong Joon Ho
Die alljährliche Retrospektive des Filmfestes ist in diesem Jahr dem südkoreanischen Regisseur Bong Joon Ho gewidmet. Das Kino Südkoreas befindet sich derzeit in Hochform, mehrere Regisseure sind inzwischen weltbekannt. Mit der Wahl Bong Joon Ho bewiesen die Veranstalter zudem ein glückliches Händchen, eroberte der doch gerade für seinen neuen Film "Parasite" die Goldene Palme in Cannes.
Bild: 2019 CJ ENM Corporation, Barunson E&A
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Die Welt ist voller Katastrophen. Diesen Eindruck zumindest kann man gewinnen, wenn man sich tagtäglich die Nachrichten im Fernsehen oder Internet anschaut. Wird die Welt also schlechter? Statistisch ist das kaum nachweisbar. Doch die gefühlte Situation eines jeden Einzelnen ist natürlich etwas völlig anders. Und so spiegeln viele Filme des 37. Filmfests München (27.6. – 6.7.2019) eine Realität wider, wie sie die Menschen überall jeden Tag erfahren.
Filmfest München: Realität und Alternativen
"Die Macht der Realität" heißt dann auch das Motto des diesjährigen Festivaljahrgangs. Geschichten und Fiktionen seien ein passendes Mittel, um unserer komplexen und schnelllebigen Welt zu entkommen, sagte Festivalleiterin Diana Iljine kurz vor Beginn der Münchner Filmschau. Doch um Weltflucht und Verdrängung geht es nur am Rande. Die Geschichten spiegelten die Realität wider - und, sie zeigten auch alternative Lebensentwürfe, so Iljine.
Natürlich findet man bei einem solch großen Filmfestival für jeden etwas. 180 neue Filme werden in den kommenden Tagen in der bayerischen Landeshauptstadt München gezeigt - aus 62 Nationen. Knapp 50 Filme werden als Weltpremiere aufgeführt, alle anderen sind zumindest zum ersten Mal in Deutschland zu sehen - die Filme der Retrospektiven und Hommagen einmal ausgeklammert.
Aus Südkorea bekommt das Welt-Kino gerade neue Inspirationen
In vielen Filmen des internationalen Programms geht es um die in manchen Weltregionen immer größer werdenden Unterschiede zwischen Arm und Reich, um alltäglichen Rassismus, um benachteiligte Bevölkerungsgruppen und natürlich immer wieder um Flucht und Migration.
Ein gutes Beispiel für den Spagat zwischen Sozialkritik und Unterhaltung ist die diesjährige Retrospektive, die dem Gewinner der Goldenen Palme von Cannes in diesem Jahr ausgerichtet wird: dem Südkoreaner Bong Joon Ho. In seinen Filmen schaut man auf die Abgründe der modernen Gesellschaft im Heimatland des Filmemachers, gleichzeitig verpackt Bong Joon Ho diese aber in aufregenden, unterhaltsamen und überraschenden Genre-Erzählungen.
Und auch die zweite Retrospektive der diesjährigen Festspiele blickt auf einen Regisseur, der sich keinen herkömmlichen Genre-Regeln unterwirft. Der Däne Mads Brügger wird oft mit dem amerikanischen Regisseur Michael Moore verglichen oder auch mit dem filmischen Provokateur Sacha Baron Cohen. Brügger ist Journalist, Programmchef eines Hörfunksenders - und eben auch Filmregisseur.
Ein dänischer Michael Moore: Mads Brügger
In seinen Werken begibt er sich - oft unter falschem Namen und mit fremder Identität - auf journalistische Reisen, die er mit der Kamera festhält. So war er 2004 im US-Wahlkampf unterwegs ("Danes für Bush"), bereiste das streng abgeschottete Nord-Korea ("Red Chapel"), recherchierte im weltweiten Diamantenhandel ("The Ambassador") oder durchstreifte für die semi-dokumentarische Komödie "The Saint Bernard Syndicate" im vergangenen Jahr China. In seinem neuen Film "Cold Case Hammerskjöld" gräbt er sich tief in den bis heute ungeklärten Fall des 1961 bei einem Flugzeugabsturz getöteten UN-Generalsekretärs Dag Hammerskjöld ein.
So kann man sich beim 37. Filmfest München treiben lassen, zwischen den vielen Programmreihen wählen und muss sich mit dem Problem eines jeden Festivalbesuchers herumschlagen: Wie soll man das alles sehen? An zehn Festivaltagen kann man schließlich nur einen Bruchteil des Angebots wahrnehmen.
"Euroflix" als Chance für die Zukunft?
Soll man sich dem internationalen Filmgeschehen widmen, das in München allein in fünf großen Sektionen angeboten wird? Konzentriert man sich auf das Angebot des neuen deutschen Kinos? Zieht man gar Serien vor, die das Münchner Festival auch schon seit Jahren anbietet? Oder setzt man sich in eine der vielen Diskussionsrunden, die 2019 unter anderem auch auf den sich wandelnden Film-Markt eingehen: "Euroflix? Unterwegs zu starken (T)VOD-Anbietern in Europa" diskutiert die Frage, ob es denn nicht möglich sein sollte neben Netflix, Amazon und Co. auch einen europäischen Player auf die Beine zu stellen.
In die Zukunft blicken kann man schließlich auch in der Reihe "Virtual Worlds", die für drei Tage während des Festivals eine Auswahl innovativer VR-Experimente aus aller Welt präsentiert. Da muss man sich als Zuschauer eine Brille aufsetzen und kann möglicherweise sehen, wie in der Zukunft mit dem Medium umgegangen werden kann.
München blickt zurück: 100 Jahre Bavaria
Wem das zu experimentell ist, der hat beim Filmfest die Möglichkeit zurückzublicken in die Anfänge der Filmgeschichte. Die Reihe "100 Jahre Bavaria Film" erinnert daran, dass das Herz des frühen Kinos nicht nur in Babelsberg und Berlin schlug, sondern auch im Süden der Republik, in Bayern. Und welcher Ort wäre besser für solch eine nostalgische Schau geeignet als das 37. Filmfest München?
Die 10 schönsten München-Filme
Für viele Kino-Fans ist München heimliche Filmhauptstadt Deutschlands. Anlässlich des 37. Filmfests München blicken wir zurück auf 100 Jahre Kinogeschichte: Die Auswahl der 10 schönsten München-Filme der Kinogeschichte.
Bild: Deutsche Kinemathek/Schamoni Film & Medien
Platz 10: Zur Sache Schätzchen
Der Komödienerfolg des "Neuen Deutschen Films". May Spils humoristischer Geniestreich aus den 1960er Jahren: Uschi Glas und Werner Enke als charmant-verspieltes Paar, das auch die gesellschaftlichen Gegensätze der Stadt auf den Punkt brachte. "Zur Sache Schätzchen" ist Pop-Kino mit einem Hauch Revolte, ein anarchistischer Spaß mit viel München-Kolorit.
Bild: picture-alliance/dpa
Platz 9: Bierkampf
Herbert Achterbusch ohne München - das ist eigentlich undenkbar. Kaum ein deutscher Filmregisseur ist so eng an eine Stadt gebunden wie er. Und wofür steht für viele Auswärtige die Stadt? Das Oktoberfest! 1977 drehte Achternbusch seinen Film "Bierkampf" auf der Wies'n. Der Regisseur als sein eigener Hauptdarsteller in einer Polizeiuniform - ein herrlich absurder Spaß!
Bild: picture-alliance/dpa
Platz 8: Der Sonderling
Der erste abendfüllende Spielfilm mit dem Münchner Original Karl Valentin und seiner Partnerin Liesl Karlstadt. Die Dreharbeiten fanden in Geiselgasteig statt. Valentin ohne München ist genauso unvorstellbar wie Achternbusch ohne München. In "Der Sonderling" versucht sich Valentin ständig umzubringen - ohne Erfolg. Schwarzer Humor à la Valentin in der bayrischen Hauptstadt - urkomisch!
Bild: picture-alliance/dpa
Platz 7: Angst essen Seele auf
Rainer Werner Fassbinder drehte im Herbst 1973 einen seiner schönsten, traurigsten und emotionalsten Filme. Die Liebesbeziehung zwischen der älteren Emma (Brigitte Mira) und ihrem jungen Freund Ali (El Hedi Ben Salem) spielt in München. Auch wenn die Stadt hier nicht mit Postkartenansichten daherkommt, so ist "Angst essen Seele auf" auch heute noch ein sehenswerter, zudem aktueller München-Film.
Bild: Imago/United Archives
Platz 6: Rossini
Zeigt Fassbinder das München der Hinterhöfe, so fiel der Blick des Filmregisseurs Helmut Dietl eher auf die Schicki-Micki-Szenerie der Stadt. Am schönsten wohl in dem 1997 gedrehten Film "Rossini - oder die mörderische Frage, wer mit wem schlief". Hier wird ein berühmtes Szene-Lokal zum Hauptdarsteller - und München leuchtet in abendlichen Farben.
Bild: picture-alliance/KPA
Platz 5: Mr. Arkadin
Auch der große Orson Welles nutze Schauplätze der Stadt für einen seiner wenigen fertiggestellten Filme. "Mr. Arkadin" (dt. Titel": "Herr Satan persönlich") zeigt den Meister (hier rechts neben Robert Arden) in einer seiner Lieblingsrollen: als geheimnisumwitterte, mystische Gestalt. Die Dreharbeiten fanden im Dezember 1954 in München statt, im Herzen der Stadt am Jacobsplatz.
Bild: Imago/United Archives
Platz 4: Lola Montez
Ein paar Monate nach Welles drehte der deutsch-französische Regisseur Max Ophüls in der bayrischen Metropole seinen wunderschönen Historienfilm "Lola Montez". Die Geschichte der Tänzerin Lola Montez, Mätresse des bayrischen Königs Ludwig I, wurde farbenprächtig u.a. im Englischen Garten und im Zelt von Zirkus Krone gedreht. Die Hauptrolle spielte der damalige europäische Superstar Martine Carol.
Bild: picture-alliance/KPA Copyright
Platz 3: Letztes Jahr in Marienbad
"Letztes Jahr in Marienbad" von Alain Resnais wurde zu Beginn der 60er Jahre nicht im tschechischen Marienbad gedreht, sondern in München. Der Franzose Resnais und sein Kameramann Sacha Vierny nahmen die wunderbaren Schloss- und Parkansichten in Nymphenburg und Schleißheim auf. Einer der ästhetisch eindrucksvollsten Filme der Kinogeschichte ist so ein verkappter München-Film.
Bild: Imago/United Archives
Platz 2: München - Geheimnisse einer Stadt
Einen der schönsten München-Filme kann man weder als Spiel- noch als Dokumentarfilm einordnen. Der im Jahr 2000 vom Regisseur Dominik Graf und dem Kritiker Michael Althen gedrehte "München - Geheimnisse einer Stadt" ist ein poetisch-verspielter Filmessay mit dokumentarischen und inszenierten Passagen. Will man ins Herz dieser Stadt vordringen - dieser Film verrät ein paar Geheimnisse.
Bild: absolut medien
Platz 1: Die zweite Heimat
Ins München der 1960er Jahre entführte uns der Filmregisseur Edgar Reitz 1992 mit seiner zweiten "Heimat". Reitz' Saga begann im Hunsrück und wurde in München fortgesetzt. Da entfaltet sie eine bezaubernde Mischung aus Nostalgie und Avantgarde, aus Spielfreude und Melancholie. Nur selten war München sympathischer und freundlicher, offener und schöner als in Edgar Reitz "Die zweite Heimat".