1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

40 Jahre AIDS: Chronologie einer Krankheit

Gudrun Heise
1. Dezember 2021

Weltweit leben rund 38 Millionen Menschen mit HIV, das AIDS auslösen kann. Seit dem Beginn der Pandemie 1981 sind 36,3 Millionen an den Folgen von AIDS gestorben. Wo stehen wir heute?

Grafische Darstellung eines HI-Virus-Partikel im Blut
Für unser Immunsystem oder für einen Impfstoff ist es schwierig, die dreidimensionale Oberflächenstruktur des HI-Virus anzugreifen.Bild: Imago Images/Science Photo Library

Im Juni 1981 schreiben US-amerikanische Ärzte zum ersten Mal über eine Krankheit, die scheinbar vor allem junge, homosexuelle Männer trifft. Sie waren vorher gesund gewesen, hatten keine ernsten Vorerkrankungen. Schon bald wird HIV beziehungsweise AIDS zur tödlichsten Pandemie in der jüngsten Geschichte.

Eine seltene Lungenentzündung bereitet Sorgen

Am Anfang der Pandemie werden die meisten Fälle der Immunschwächekrankheit AIDS als seltene Form einer Lungenentzündung gesehen. Aber bei der neu aufgetauchten Krankheit kommt es bei den Patienten neben Fieber auch zu geschwollenen Lymphdrüsen, zu einer allgemeinen Immunschwäche und Kaposi-Sarkomen. Die meisten Patienten und Patientinnen sterben. 1982 bekommt die Krankheit einen Namen: AIDS - Acquired Immune Deficiency Syndrome - erworbenes Immunschwächesyndrom.

Das HI-Virus wird isoliert

1983 isolieren der französische Virologe Luc Montagnier und die französische Virologin Françoise Barré-Sinoussi am Pariser Institut Pasteur das HI-Virus. Dafür erhalten sie 2008 den Nobelpreis für Medizin, was zu einem erbitterten Streit mit dem Amerikaner Robert Gallo führt. Er hatte parallel geforscht und nimmt die Entdeckung zunächst für sich in Anspruch, nimmt diesen Anspruch aber 1991 zurück.

So sieht das HI-Virus unter einem Elektronenmikroskop ausBild: Seth Pincus/Elizabeth Fischer/Austin Athman/National Institute of Allergy and Infectious Diseases/AP Photo/AP Photo/picture alliance

Es geht dabei nicht nur um die Forscherehre. Im Mittelpunkt steht auch die patentrechtliche Nutzung eines serologischen Antikörpertest, mit dem eine HIV-Infektion nachgewiesen werden kann. 1984 wird dieser erste Antikörper-Test vorgestellt.

HIV betrifft immer mehr Menschen

1982 werden die ersten Fälle von HIV-Infektionen in Deutschland bekannt; das Virus breitet sich weltweit immer schneller und immer weiter aus. Viele berühmte Persönlichkeiten sterben weltweit an AIDS, darunter Musiker, Fotografen und Schauspieler. Im Jahr 1985 ist der homosexuelle Hollywood-Star Rock Hudson der erste prominente AIDS-Kranke. Das verändert bei vielen die Wahrnehmung dieser Krankheit.

Hudson war lange Zeit der Inbegriff eines Herzensbrechers gewesen, spielte in vielen Komödien und galt zu seiner Zeit als Traum aller Schwiegermütter. Dann erkrankt er an AIDS und gibt der Krankheit ein Gesicht. 1985 stirbt er.

Ende der Achtziger outen sich immer mehr Menschen, die im Licht der Öffentlichkeit stehen. Die meisten unbekannten HIV-Positiven aber erfahren vor allem Stigmatisierung und Diskriminierung

Zu Beginn der Pandemie gab es auch Infektionen über BluttransfusionenBild: picture-alliance/dpa/S. Hoppe

AIDS wird zur Pandemie

Es gibt immer mehr HIV-Infektionen. Die meisten Übertragungen passieren beim Geschlechtsverkehr. Einige infizieren sich zunächst aber auch über Bluttransfusionen. Seit 1985 müssen in Deutschland alle Blutprodukte auf HIV getestet werden.

Betrifft HIV / AIDS zunächst nur einzelne Personengruppen wie etwa homosexuelle Männer, breitet sich das Virus schon bald weltweit aus und ist keinesfalls mehr nur die "Krankheit von Schwulen". Schon längst hat die tödliche Krankheit auch Heterosexuelle erreicht.

AIDS wird weltweit zum Schreckgespenst des ausklingenden 20.Jahrhunderts und bestimmt den Alltag und das Sexleben. Es scheint das Ende der freien Liebe zu sein, die in den sechziger und siebziger Jahren propagiert worden war. Die Angst geht um, sich zu infizieren. Kondome haben Hochkonjunktur. Sie galten und gelten noch immer als sicherer Schutz vor dem zerstörenden Virus.

HIV und AIDS sind nicht dasselbe

Das Immunschwächevirus HIV geht in die Blutbahn und greift das körpereigene Immunsystem so stark an, dass der Körper gegen Krankheiten und Infektionen machtlos ist. Er kann Viren oder Bakterien nicht mehr bekämpfen. Wird HIV nicht behandelt, kann sich AIDS entwickeln, und es können schwerwiegende Erkrankungen auftreten.

Das Kaposi-Sarkom ist bei einer AIDS-Erkrankung häufigBild: picture-alliance/dpa

Im späteren Verlauf ist das eine besondere Art der Lungenentzündung, Pilzbefall in der Speise- und in der Luftröhre oder auch Krebs, wie etwa das Kaposi-Sarkom. Bei rechtzeitiger Therapie kann AIDS vermieden werden und Symptome sogar rückgängig gemacht werden.

AIDS ist ein globales Problem

In rasantem Tempo greift die AIDS-Pandemie weiter um sich und mehr als 100 Länder sind betroffen. So rufen die Vereinten Nationen 1988 den Welt-Aids-Tag aus. Seitdem findet er jedes Jahr unter einem bestimmten Motto am 1. Dezember statt. Der Welt-Aids-Tag 2021 trägt das Motto "Ungleichheiten beenden. AIDS beenden. Pandemien beenden."

Vor allem in afrikanischen Ländern ist AIDS allgegenwärtig, Medikamente gibt es dort kaum. Südlich der Sahara ist AIDS die häufigste Todesursache. Zwei Drittel aller HIV-Infizierten weltweit leben in Afrika. Das sind 25,5 Millionen Menschen. Davon sind fast 2 Millionen jünger als 15 Jahre.

Zu den Ländern, die am stärksten betroffen sind, gehören unter anderem Swasiland, Botswana, Lesotho, Malawi, Namibia, Nigeria, Kenia und Simbabwe. Die höchsten HIV-Raten aber hat Südafrika mit über sieben Millionen AIDS-Kranken. Davon sind etwa 320.000 Kinder. Um auch dort die Epidemie einzudämmen, ist globales Handeln nötig.

Menschen in Afrika sind besonders stark von HIV / AIDS betroffenBild: picture-alliance/dpa/H. Heine

HIV-negative Menschen müssen besser über das Virus und über die Krankheit informiert werden, HIV-Positive müssen entsprechende Therapien erhalten. Ein großes Hindernis dabei sind die Stigmatisierung und Diskriminierung, denen HIV-Positive und AIDS-Patienten nach wie vor ausgesetzt sind. Eine Folge davon ist noch immer, dass sich viele nicht testen lassen.

Antiretrovirale Mittel sind ein wichtiger Durchbruch

1996 macht die AIDS-Forschung einen großen Schritt. Die Präsentation der Kombinationstherapie führt auf dem Welt-Aids-Kongress zu einer regelrechten Euphorie, denn sie lässt hoffen. Zum ersten Mal werden sogenannte antiretrovirale Mittel eingesetzt. Sie bremsen das Virus. Dabei werden mehrere Medikamente miteinander kombiniert. Sie verhindern, dass sich die Viren im Körper weiter ausbreiten und AIDS mit all seinen Folgen ausbrechen kann.

Bis heute gilt diese Kombinationstherapie als HIV-Standard-Behandlung. Betroffene müssen die Medikamente ihr Leben lang einnehmen, denn die Mittel können das Virus nicht aus dem Körper entfernen. AIDS ist also behandelbar, aber nicht heilbar.

Durch eine gute Therapie kann die Viruslastim Körper auf ein Minimum gesenkt werden und ist dann bestenfalls so niedrig, dass sie gar nicht mehr nachzuweisen ist. HIV-Positive können andere Personen nicht mehr anstecken und HIV/AIDS ist kein Todesurteil mehr.

Antiretrovirale Medikamente sind bei AIDS das Mittel der WahlBild: Donwilson Odhiambo/ZUMA/picture alliance

PrEPs sind die neuen Hoffnungsträger

2016 bekommt das Medikament Truvada von der Europäischen Kommission die Zulassung als PrEP – Präexpositions-Prophylaxe, ein vorbeugendes HIV-Medikament. Durch die Einnahme können sich HIV-negative Menschen vor einer Infektion mit dem HI-Virus schützen. PrEPs richten sich an besonders gefährdete Personengruppen mit erhöhtem Ansteckungsrisiko. Dazu gehören beispielsweise Männer, die mit Männern Sex haben.

Die PrEP setzt sich aus zwei HIV-Medikamenten zusammen. Sie wird vor dem Geschlechtsverkehr genommen. Bei einer dauerhaften und täglichen Einnahme unterbindet sie eine HIV-Infektion zu über 95 Prozent. Schutz gegen andere STIs (Sexuell übertragbare Infektionen) bieten diese Medikamente aber nicht. Da ist das Kondom noch immer das Mittel der Wahl.

Stigmatisierung und Ausgrenzung behindern den Kampf gegen AIDSBild: Boris Roessler/dpa/picture alliance

UNAIDS steckt hehre Ziele

UNAIDS; das gemeinsame Programm der Vereinten Nationen, hat ein ehrgeiziges Ziel: 90-90-90 stehen für die Prozentzahlen, die bis zum Jahr 2020 erreicht werden sollten: 90 Prozent aller Betroffenen sollten über ihre Infektion informiert sein. 90 Prozent der Menschen mit der Diagnose HIV sollten eine antiretrovirale Therapie bekommen - lediglich 84 Prozent wurden 2020 erreicht.

Von den anvisierten 90 Prozent, die so gut mit dem Medikament eingestellt werden sollten, dass das Virus nicht mehr nachgewiesen werden kann, lag die erreicht Prozentzahl bei gerade mal 66. Das Ziel wurde 2020 also nicht erreicht und wurde auf 2030 verschoben.

Weltweit kämpfen Organisationen gegen AIDS

Erschreckenderweise ergeben Umfragen noch immer, dass viele Menschen den Unterschied zwischen HIV und AIDS nicht kennen, darunter auch viele Jugendliche. Aufklärung ist nach wie vor wichtig. Dies haben sich nationale und internationale Organisationen unter anderem zur Aufgabe gemacht.

Dazu gehört beispielsweise die International Aids Society (gegründet 1988), der weltweit größte Verband von HIV-Experten mit Mitgliedern in mehr als 170 Ländern und auch die Deutsche Aidshilfe, die es bereits seit 1983 gibt. Eine Krankenschwester und einige schwule Männer haben sie gegründet.

Seit 1991 ist die rote Schleife das Symbol für Solidarität für HIV und AIDS Bild: picture-alliance/dpa/Jagadeesh

Einige Mythen halten sich hartnäckig

Noch immer glauben einige, dass das HI-Virus im Alltag oder über die Luft übertragen werden kann. Deshalb gehen viele noch immer auf Abstand, wenn sie einem HIV-Positiven begegnen, trauen sich vielleicht nicht, aus derselben Tasse zu trinken und ähnliche Verhaltensweisen, die mittlerweile der Vergangenheit angehören sollten.

Es sind u.a. diese Mythen, die Stigmatisierung, Diskriminierung und Ausgrenzung immer wieder befeuern anstatt offen über HIV und AIDS zu sprechen.

AIDS ist inzwischen zu einer beherrschbaren Krankheit geworden, die Lebenserwartungen von HIV-positiven und HIV-negativen Menschen haben sich angeglichen.

Warten auf die Impfung

Einen Impfstoff gegen HIV zu entwickeln, ist kompliziert. Das Virus hat eine dreidimensionale Oberflächenstruktur, die zur Hälfte glykolisiert ist. Diese anzugreifen, ist für das Immunsystem und auch für einen potentiellen Impfstoff schwierig.

Das Immunsystem ist darauf angewiesen, den Gegner zu erkennen. Verändert der sich ständig, gelingt das nicht. Das ist beim HI-Virus der Fall. Es täuscht das Immunsystem immer wieder und scheint der Forschung ständig einen Schritt voraus zu sein. Bis die Forschung einen Impfstoff mit hoher Schutzwirkung entwickelt, besteht die Therapie der Wahl nach wie vor in anti-retroviralen Medikamenten.

 

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen

Mehr zum Thema

Weitere Beiträge anzeigen