Wie Corona-Lockdowns die Psyche der Jugend bis heute prägen
10. März 2025
Lena ist heute 21 und heißt eigentlich anders. Über die Lockdowns spricht sie nur ungern, sie will, wie viele andere, nicht an die Corona-Pandemie erinnert werden. Lena studiert jetzt in Süddeutschland, wollte immer Lehrerin werden. Doch jetzt nicht mehr, erzählt sie der DW. Sie war eine gute Schülerin, als ihr die Schule noch Spaß machte – vor der Pandemie.
"Die hat uns voll das Leben gestohlen", sagt Lena wütend, "wir konnten keine Freunde mehr treffen, alle hingen nur noch am Handy". Statt wie sonst im Verein Volleyball zu spielen, gab es nur "Serien-Komaglotzen, was sonst?" Der digitale Unterricht habe nach eine Weile zwar funktioniert, aber es war sehr stressig. "Außerdem ist Schule ist ja nicht nur Lernen", ärgert sich Lena. "Sonst hat sich doch keiner für uns interessiert! Wir waren völlig lost!"
Inzwischen hat sie diese nervige Pandemie-Zeit abgehakt. Aber einige aus der ehemaligen Stufe oder im Bekanntenkreis sind seitdem schon ein bisschen "weird oder cringe" , seltsam oder peinlich, findet Lena.
Isolation, Einsamkeit und Ohnmacht
Die meisten Jugendlichen haben die Lockdowns ähnlich wie Lena erlebt. Dies belegen auch Langzeitstudien, an denen die Präsidentin des Kinderschutzbundes, Sabine Andresen, führend beteiligt war.
Ihre Sorgen wurden nicht beachtet, beklagten viele Jugendlichen: “Wir werden nicht gesehen, wir werden nicht gehört. Unsere Interessen, Rechte, unsere Bedürfnisse werden bei den schwierigen Entscheidungen nachrangig behandelt“, fasst die Jugendforscherin Andresen die Reaktionen zusammen.
“Hier geht es um das Gefühl von Einsamkeit, von Ohnmacht, die Erfahrung, von einem Tag auf den anderen irgendwie völlig aus dem regulären Alltag herausgeworfen zu sein und gar nicht zu wissen: Was wird mir genommen? Wie kann ich meine Zukunft gestalten? Auch für junge Menschen sind Zukunftspläne nun mal einfach wichtig!", so die Präsidentin des Kinderschutzbundes, Sabine Andresen gegenüber dem Evangelischen Pressedienst.
Angstzustände, Depressionen und kognitive Schwierigkeiten
Dr. Darina Falbová hat an slowakischen Jugendlichen eine Studie zu den häufigsten Lockdown-Langzeitsymptomen durchgeführt. Laut Studie haben die Schulschließungen, Kontaktbeschränkungen und Ausgangssperren erheblich zum Anstieg psychischer Probleme bei jungen Menschen beigetragen, so die Assistenzprofessorin am Lehrstuhl für Anthropologie an der Comenius Universität in Bratislava.
Zu den "häufigsten Langzeitsymptomen gehören Gedächtnisschwäche, Konzentrationsprobleme, Schwierigkeiten beim Lösen von Problemen und beim Finden der richtigen Worte". Das seien alles Symptome, die bei Frauen deutlich häufiger vorkommen, so die Expertin. "Auch körperliche Symptome, wie verminderte körperliche Leistungsfähigkeit und Kopfschmerzen, wurden häufig genannt", sagt Darina Falbová der DW.
Andere Untersuchungen zeigen, dass viele Jugendliche fünf Jahre nach den Lockdowns unter Ess- und Angststörungen sowie Depressionen leiden.
Auch die mit dem Lockdown verbundenen Veränderungen des Lebensstils - mehr Bildschirmzeit, weniger körperliche Aktivität und Schlafstörungen - wirken sich negativ auf die psychische und körperliche Gesundheit aus. Frauen berichteten auch über Unregelmäßigkeiten im Menstruationszyklus, was mit Stress und hormonellen Veränderungen nach COVID-19 zusammenhängen könnte, so Falbová .
Zusatzbelastung für eine ohnehin gestresste Altersgruppe
Bereits vor 2020 waren psychische Probleme in dieser Altersgruppe verbreitet. Schulischer Druck, soziale Medien, Klimaangst und wirtschaftliche Unsicherheit führten zu steigenden Raten von Depressionen und Angstzuständen, so Falbová.
Die Pandemie verschärfte bestehende Erkrankungen und brachte neue Symptome mit sich. Studien zeigten, dass Angstzustände, Depressionen und kognitive Schwierigkeiten bei jungen Menschen deutlich zunahmen, erklärt die Anthropologin.
Während und nach der Pandemie wurden Sorgen und Probleme junger Menschen oftmals nicht ernst genug genommen. Junge Menschen wurden weniger beachtet, weil bei ihnen "ein geringeres Risiko für eine schwere COVID-Erkrankung bestand, wobei die weitergehenden Auswirkungen auf ihre psychische Gesundheit, ihre Bildung und ihre langfristige Entwicklung außer Acht gelassen wurden", so Studienleiterin Falbová.
Welche Lehren gibt es für eine nächste Pandemie?
In Wissenschaft, Gesellschaft und Politik ist die Aufarbeitung der Pandemie-Regeln längst noch nicht abgeschlossen, aber einige Lockdown-Maßnahmen waren aus heutiger Sicht überzogen.
"Die COVID-19-Pandemie hat uns gezeigt, dass der Schutz der öffentlichen Gesundheit zwar von entscheidender Bedeutung ist, die langfristigen Folgen für die junge Generation jedoch oft übersehen wurden. Eine der wichtigsten Lehren ist, dass die psychische Gesundheit genauso wichtig sein sollte wie die körperliche", so Falbová.
Sollte es durch irgendwelche gefährlichen Zoonosen oder die Vogelgrippe "zu einer weiteren Pandemie kommen, müssen Gesellschaft und Politiker einen ausgewogeneren und umsichtigeren Ansatz für Kinder und Jugendliche wählen", sagt Falbová. "Bei künftigen Gesundheitskrisen müssen die politischen Entscheidungsträger Wege finden, um sichere soziale Kontakte zu ermöglichen - sei es durch Aktivitäten im Freien, Selbsthilfegruppen oder sorgfältig strukturierte Gemeinschaftsprogramme."