Mit gleich zwei Jubiläumsfolgen feiert das Deutsche Fernsehen die Ausstrahlung des ersten "Tatorts" 1970. Die deutsche Krimiserie ist auch im Ausland Kult.
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50 Jahre Tatort: Die Kommissare der beliebtesten deutschen Krimiserie
Bei manchen Freunden sollte man Sonntagabend nach 20 Uhr besser nicht anrufen. Denn dann ist in vielen deutschen Haushalten Tatort-Zeit. Egal aus welcher Stadt er kommt, und egal wer gerade den Fall lösen muss.
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"In der Familie": Dortmund meets München
In einer Doppelfolge zum 50-jährigen Jubiläum begegnen sich die Ermittlerteams aus zwei Städten: die Münchner Kommissare Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl, links im Bild) und Ivo Batic (Miroslav Nemec) und die Dortmunder Crew um Jan Pawlak (Rick Okon), Martina Bönisch (Anna Schudt), Nora Dalay (Aylin Tezel, v.l.n.r.) und Peter Faber (Jörg Hartmann). Es geht um Drogen und die italienische Mafia.
Bild: Frank Dicks/WDR
Die erste Kommissarin
Anfangs ist der Job des Tatort-Ermittlers reine Männersache. Erst 1978 nimmt die erste Kommissarin in Mainz die Arbeit auf. Gespielt wird sie von Nicole Heesters, Tochter des Schauspielers Johannes Heesters. "Für mich ist Kommissarin ein Beruf wie jeder andere, der wohl eher mit Psychologie zu tun hat als mit wildem Herumschießen", sagte sie damals der Presse. Sie dreht insgesamt nur drei Folgen.
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Rüpel mit Herz
Ein Kommissar sorgt mit seinem ersten Fall in Duisburg (Ruhrgebiet) 1981 für großes Aufsehen - Götz George (†2016) als Horst Schimanski. Sein erster Satz in der Rolle ist legendär: "Du Idiot, hör auf mit der Scheiße!". Im Gegensatz zu seinen Vorgängern ist er kein gediegener Büroheld, sondern ein raubeiniger Prolet.
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Polizeiruf DDR
Das DDR-Fernsehen zeigt als Gegenstück zum Tatort ab 1971 die Reihe "Polizeiruf 110". Die Folge "Im Alter von..." (1974) wird noch vor ihrer Ausstrahlung von den DDR-Behörden verboten. Der Film war nach einem echten Fall eines Kindermörders konzipiert. Das war dem Regime zu kritisch, denn Verbrechen dieser Art durfte es offiziell in der DDR nicht geben. Erst 2011 wurde der Krimi gezeigt.
Bild: picture-alliance/dpa/rbb/MDR/DRA
Nach der Wende
Nach der deutschen Wiedervereinigung 1990 wurde die Produktion des Polizeirufs von den westdeutschen ARD-Anstalten übernommen. Aktuell ermitteln drei Teams in Brandenburg, München und Rostock. Dort sind Charly Hübner und Anneke Kim Sarnau (Bild) im Einsatz.
Bild: picture-alliance/dpa
Musik im Blut
Paul Stoever (Manfred Krug, †2016) und Peter Brockmöller (Charles Brauer) lösten gemeinsam 38 Fälle in und um Hamburg. Stoever ist der Brummbär im Team, Brockmöller der Kumpel, den nichts aus der Ruhe bringt. Besonderheit: Die beiden haben in vielen Folgen Jazzgesangseinlagen gegeben. Davon gibt's sogar eine CD: "Tatort - die Songs".
Bild: Imago/KPA/United Archives
Klamaukende Kriminologen
Axel Prahl und Jan Josef Liefers spielen Kommissar Thiel und Professor Boerne. Sie lösen ihre Fälle auf unkonventionelle Art und kabbeln sich zwischendurch wie ein altes Ehepaar. Obwohl der Klamauk öfter über der Handlung steht, freut sich das Gros der Tatort-Fans, wenn Thiel & Boerne am Start sind.
Bild: imago/S. Simon
Skandinavische Inspiration
Auf der Suche nach spannenden Tatort-Geschichten lassen sich die Macher auch vom Erfolg der skandinavischen Krimi-Autoren inspirieren. 2010 und 2011 wurden zwei Folgen des Kieler Ermittlers Borowski, gespielt von Axel Milberg (Bild), nach einer Vorlage des schwedischen Autors Henning Mankell gedreht.
Bild: picture-alliance/dpa
Preisgekrönt
Die Tatort-Folgen sprechen auch immer wieder gesellschaftliche Probleme an. Die Folge "Nie wieder frei sein" der Münchener Kommissare Miroslav Nemec als Ivo Batic (l. im Bild) und Udo Wachtveitl als Franz Leitmayr wurde 2010 mit dem Grimme-Fernsehpreis ausgezeichnet. Die Folge handelt vom Freispruch eines mutmaßlichen Sexualmörders.
Bild: picture-alliance/dpa
Undercover-Ermittler
2008 gibt es zwei große Veränderungen in der Tatort-Reihe: Zum ersten Mal ist mit Cenk Batu, gespielt von Mehmet Kurtuluş, ein türkischstämmiger Hauptkommissar zu sehen. Und der Tatort weicht auch vom bisherigen Konzept ab: Batu ist ein verdeckter Ermittler.
Bild: picture-alliance/dpa
Neuer Typ: Actionheld
Til Schweiger tritt 2013 die Nachfolge von Mehmet Kurtuluş in Hamburg an. Sein Kommissar sitzt nicht am Schreibtisch, sondern kommt wie ein Held aus einem Actionfilm daher, der gleich in den ersten Minuten mit der Waffe schießt und in fahrende Autos springt. Die erste Folge hat über 12 Millionen Zuschauer - so viele wie seit 1993 nicht mehr.
Bild: picture-alliance/dpa
Seit 2013: Tatort aus Weimar
Die Kommissare Dorn (Nora Tschirner) und Lessing (Christian Ulmen) ermitteln zusammen in Weimar. Gleich ihr erster Fall ("Fette Hoppe") hatte es in sich: Ein irrer Erpresser hat sich mit der schwangeren Kommissarin Kira Dorn im Rathaus verschanzt. Außerdem wird die Weimarer Wurstkönigin vermisst. Die "Fette Hoppe" ist die beste Rostbratwurst Thüringens.
Bild: MDR/MadeFor/Steffen Junghans
Die 1000. Folge kehrte ins Taxi zurück
Die Jubiläumsfolge nach 46 Jahren trug denselben Titel wie die allererste: In "Taxi nach Leipzig" werden Charlotte Lindholm (Maria Furtwängler) und Klaus Borowski (Axel Milberg) von einem ehemaligen Elitesoldaten (Florian Bartholomäi, vorne rechts) mit einem Taxi entführt. Der will sich an seiner Frau rächen, die nun mit einem Ex-Kameraden von ihm zusammen ist.
Bild: picture-alliance/dpa/NDR/Meyerbroeker
Neu in der Tatort-Familie: Team Saarbrücken
Die Hauptkommissare Adam Schürk (Daniel Sträßer, links) und Leo Hölzer (Vladimir Burlakov) ermitteln im Saarland. Ihr erster Fall "Das fleißige Lieschen" (April 2000) führte sie in die Untiefen einer verfeindeten Industriellenfamilie, in der jeder jeden hasst. Die Kritiken für das neue Ermittlerduo waren überwiegend positiv.
Bild: SR/Manuela Meyer
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Ein Ermittler-Team aus einer deutscher Stadt klärt einen Kriminalfall auf. Das gehört zum "Tatort"-Prinzip. Anlässlich des 50-jährigen Jubiläums haben sich die Serienmacher nun aber mal etwas anderes einfallen lassen: Im zweiteiligen Tatort "In der Familie" sind zwei Ermittler-Teams und damit auch zwei Städte miteinander verbunden. Ein Mord in München führt den Täter nach Dortmund, wo er beim Betreiber einer Pizzeria Unterschlupf sucht. Ein Ort, der nicht nur als Restaurant dient, sondern auch Drogenumschlagplatz einer italienischen Mafia-Organisation ist. Um den Mord aufzuklären, reisen die Münchner Ermittler Ivo Batic (Miroslav Nemec) und Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl) im ersten Teil ins Ruhrgebiet (Ausstrahlung am 29.11.2020). Der zweite Teil spielt dann eine Woche später in München.
Die erste Tatort-Folge überhaupt hieß "Taxi nach Leipzig" und wurde am 29.11.1970 - also vor genau 50 Jahren - im deutschen Fernsehen gezeigt. Der Krimi war ein deutsch-deutsches Familiendrama, das sich im noch geteilten Deutschland zwischen der BRD und der DDR abspielte.
Faszination Tatort
Von Anfang an zeigte sich: Der Tatort war und ist ein Spiegelbild Deutschlands - mit seiner Geschichte, seinen gesellschaftlichen Problemen, seinen Befindlichkeiten. Das Konzept: Jede Woche ein Tatort aus einer anderen deutschen Stadt, aus einem anderen Bundesland, mit jeweils anderen Ermittlern. Die Charaktere könnten unterschiedlicher kaum sein: Die kühle Schönheit aus dem Norden. Das klamaukende Männerpaar aus dem Münsterland. Der hitzige Draufgänger aus Hamburg. Der verschroben-geniale Ermittler aus Dortmund. Die selbstgefälligen Schönlinge aus München. Die sanfte und einfühlsame Kommissarin aus Konstanz. Der fluchende Rüpel aus Duisburg. Das attraktive Cowgirl aus Frankfurt. Und und und....
Jede Kommissarin und jeder Kommissar hat ein privates Päckchen zu tragen: alleinerziehend, Ex-Alkoholiker, beziehungsunfähig oder traumatisiert. Es sind keine hochglanzpolierten Charaktere, wie man sie aus den modernen US-Krimiserien kennt. So haben die Tatort-Kommissare auch schon mal Bauch, große Nasen oder sind schlecht gekleidet.
Die Schauspielerin Florence Kasumba
04:45
Auch die Frauen sind nicht immer "perfekt". Sie alle sind Antihelden, die ihr persönliches Schicksal allzu oft mit in ihren Beruf schleppen. Fast jeder Ermittler hat einen Gegenpol an seiner Seite, der ihn in jeder Hinsicht erdet, ihn ergänzt. All diese verschiedenen Figuren machen den Tatort seit mehr als vier Jahrzehnten so abwechslungsreich.
Von der ersten bis zur jüngsten Folge ist nur eines gleich geblieben: der Vorspann. Stahlblaue Augen im Fadenkreuz, dann schemenhaft davonlaufende Beine in typischer 1970er-Jahre-Optik. Dazu die berühmte Melodie des Jazzkomponisten Klaus Doldinger - bis heute eine Herausforderung, wenn es darum geht, sie sauber mitzusingen.
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Wenn ein Krimi eine Fernsehgemeinschaft bildet
Der Tatort ist die einzige Fernsehserie, die regelmäßig in Deutschlands Kneipen läuft. Sonst wird dort in der Regel nur Fußball oder der Eurovision Song Contest gezeigt. In Nicht-Corona-Zeiten war das Tatort-"Rudelgucken" für viele Krimifans zur Traditiongeworden - so konnte man das Wochenende in Gesellschaft und mit einem Bierchen ausklingen lassen. Das Tolle dabei: Man ist nicht alleine, hört die Kommentare der anderen Zuschauer und kann selbst etwas zum Besten geben.
Ähnlich faszinierend ist die parallel laufende Twitter-Action: Der Hashtag #tatort überflutet sonntagabends die Timelines mit kritischen, ätzenden und auch witzigen Kommentaren. Die beliebtesten Ermittler sind die Münsteraner: Hauptkommissar Thiel (bodenständiger Normalo) und der Pathologe Professor Karl-Friedrich Boerne (selbstgefälliger Schnösel). Sie lösen ihre Fälle auf unkonventionelle Art und kabbeln sich zwischendurch wie ein altes Ehepaar. Obwohl der Klamauk öfter über der Handlung steht, freut sich das Gros der Tatort-Fans, wenn Thiel & Boerne am Start sind.
Tatort im Ausland
"Scene of the Crime" ist der Titel, unter dem der Tatort international vermarktet wird. In 50 Ländern sollen schon Tatort-Folgen zu sehen gewesen sein - von Australien bis Belarus. Das iranische Fernsehen zeigte 2010 mehrere Tatort-Folgen, Russland kaufte einen Til Schweiger-Tatort unter dem Titel "Nick's Law".In den Niederlanden ist der Tatort regelmäßig zu sehen (OmU), allerdings nur zu später Stunde.
1973 schaffte es eine Folge ins US-Kino: "Tote Taube in der Beethovenstraße". Für Regie und Drehbuch war der US-Regisseur Samuel Fuller engagiert worden, der das deutsche Fernsehpublikum mit einer verrückten und für damalige Verhältnisse temporeichen Erpressergeschichte erschreckte. Schnelle Schnitte, schräge Kameraführung, treibende Avantgarde-Musik. Das wirkte überhaupt nicht deutsch, sondern eher wie ein US-Streifen. Da dieser Tatort auf Englisch gedreht wurde, kam er ins US-Kino.
Sonst hält man sich in den englischsprachigen Ländern mit dem deutschen Tatort eher zurück. Original mit Untertiteln ist bei den meisten Fernsehzuschauern genauso unpopulär wie Synchronfassungen. Dennoch müssen interessierte US-Zuschauer nicht auf den deutschen Kult-Krimi verzichten: Der Spartensender MHz WorldView etwa zeigt neben weiteren ausländischen Produktionen auch Tatort-Folgen.