50 Jahre Zivildienst
20. Januar 2010Artikel 4 des Grundgesetzes war eine Reaktion auf die Diktatur der Nationalsozialisten in Deutschland und den von ihnen angefachten Zweiten Weltkrieg. Im Absatz 3 dieses Artikels heißt es: "Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden." 1949 - bei der Abfassung des Grundgesetzes - erregte dieser Satz kaum Aufregung, denn es gab keine deutsche Armee und es war auch niemandem danach, eine solche zu gründen. Bundeskanzler Konrad Adenauer gab noch drei Jahre später vor dem Parlament zu Protokoll: "Die Bundesregierung erklärt ferner ihre feste Entschlossenheit, die Entmilitarisierung des Bundesgebietes aufrecht zu erhalten und mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln die Neubildung irgendwelcher Streitkräfte zu verhindern."
Wiederbewaffnung und Bundeswehr
Mit der Westintegration der jungen Bundesrepublik Deutschland änderte sich das. Denn nun stand die Wiederbewaffnung im Rahmen des westlichen Militärbündnisses - der NATO - auf der politischen Agenda. Als schließlich 1956 die Bundeswehr gegründet wurde, hieß es im Wehrpflichtgesetz, dass so genannte "Kriegsdienstverweigerer" ihre Gewissensgründe vor einem Prüfungsausschuss darlegen und im Falle ihrer Anerkennung dem Bundesverwaltungsamt unterstellt werden müssten. Anschließend sollten sie ihren Zivildienst ableisten. Aber wie und unter welchen Umständen, blieb zunächst offen.
Die Debatten um Wiederbewaffnung, den Aufbau der Bundeswehr, den Beitritt zur NATO und über das grundgesetzlich verbriefte Recht auf Kriegsdienstverweigerung gehören bis heute zu den Sternstunden der Debatten im deutschen Nachkriegsparlament. Die Abgeordneten hatten die Schrecken des Krieges miterlebt - entsprechend engagiert waren ihre Redebeiträge. Das Gespenst einer expandierenden Sowjetunion schwebte über den Diskussionen. Das Menetekel der Sowjetisierung Westeuropas trieb sogar Kriegsgegner ins Lager der Befürworter einer deutschen Wiederbewaffnung.
Kriegsdienstverweigerung unbestritten
Aber das Recht auf Verweigerung des Kriegsdienstes war von diesen Diskussionen nicht betroffen. Es konnte und sollte nicht zurückgenommen werden.
Doch jene, die nicht zur Bundeswehr gehen wollten, mussten sich mit starken Vorbehalten auseinandersetzen. "Als der Zivildienst anfing", erinnert sich Adolf Kreb, erster Präsident des 1973 eingerichteten Bundesamtes für den Zivildienst, "galt der junge Mann, der den Kriegsdienst verweigerte, noch als Außenseiter - manche gebrauchten auch die Vokabel Drückeberger".
Wer sich anfangs für den Ersatzdienst entschied, handelte vor dem Hintergrund, dass es für den Ersatzdienst noch kein eigenes Gesetz gab. Dieser Missstand bestand einige Jahre. Erst im Januar 1960 wurde nach intensiver Debatte das "Gesetz über den zivilen Ersatzdienst" verabschiedet. Es trat am 20. Januar 1960 in Kraft. Allerdings dauerte es noch mehr als ein Jahr, bis genügend Ersatzdienststellen geschaffen waren, um alle Kriegsdienstverweigerer unterzubringen. Am 10. April 1961 dann traten die ersten 340 von ihnen ihren Dienst an.
Teil des Sozialstaates
Seither hat sich der Zivildienst zu einer Stütze des Sozialsystems in Deutschland entwickelt. Überall sind "die Zivis" im Einsatz - manchmal weniger professionell als ihre festangestellten Berufskollegen, meistens aber mit höherem Engagement. Derzeit sind rund 76.000 Männer in Altenpflegeheimen, mobilen Essensdiensten, bei der Arbeiterwohlfahrt, Caritas und Diakonie im Einsatz für das Funktionieren des Sozialstaats in Deutschland.
Autor: Matthias von Hellfeld
Redaktion: Kay-Alexander Scholz