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Gesellschaft

500 Jahre Luther-Bann: Neuer Anlauf der Ökumene

2. Januar 2021

Anfang 1521 wurde die Spaltung der Kirche besiegelt. Der Papst exkommunizierte den Reformator Martin Luther. Der nannte den Mann in Rom "Antichrist". Beides gilt bis heute…

Luther-Denkmal in Worms
Martin Luther vor dem Wormser Reichstag 1521: Die Darstellung ist Teil des Luther-Denkmals der StadtBild: Uwe Anspach/dpa/picture alliance

Worms bereitet sich vor. Zum 500. Jahrestag des Auftritts von Martin Luther auf dem Wormser Reichstag am 17./18. April 1521 plant das linksrheinische Städtchen im Süden von Rheinland-Pfalz gemeinsam mit der evangelischen Kirche der Region ein umfangreiches Programm. Es soll mehr als 80 Einzelveranstaltungen geben - Corona hin, Corona her. Lediglich der Beginn der wichtigsten Ausstellung unter dem Titel "Hier stehe ich. Gewissen und Protest - 1521 bis 2021" wurde von April auf Anfang Juli verschoben.

In der historischen Nacht vom 17. auf den 18. April soll jedenfalls eine der Wormser Kirchen für die Multimedia-Inszenierung "Der Luther-Moment" zur größten Leinwand Europas werden. Der Titel "Luther-Moment" soll auf Schlüsselmomente im Leben von Menschen anspielen, auf die Bedeutung von Mut, Haltung und Zivilcourage. Doch der Schlüsselmoment von Mitte April 1521 treibt bis heute und in diesen Monaten besonders katholische und evangelische Theologen um.

Die Krise der Kirche

Denn in den ersten Monaten 1521 entstand aus der kirchenpolitischen Krise, die Luther, der 1483 geborene Augustinermönch aus Wittenberg an der Elbe, mit seiner vehementen Kritik an kirchlichem Ablasshandel ausgelöst hatte, die Spaltung der Kirche in deutschen Landen. Bis heute sind die kantigen Eckpfeiler dieser Kontroverse in der Geschichte verankert - und unwiderrufen: Am 3. Januar 1521 exkommunizierte Papst Leo X. im fernen Rom mit einer offiziellen Bannbulle den durch manche Auftritte schon populär gewordenen "Reformator" und alle seine Anhänger.

Die Lutherstube auf der Wartburg in Eisenach: Hier übersetzte Martin Luther das Neue Testament ins DeutscheBild: picture-alliance/dpa/M. Schutt

Der wiederum hatte den römischen Papst Monate zuvor als "Antichrist" bezeichnet. Luther bekam beim Reichstag in Worms noch mal die Gelegenheit zum Widerruf vor den politischen Führern der damaligen Zeit. Und blieb doch - für ihn lebensgefährlich - bei seiner Kritik an Papst und Konzil. Noch während der Beratungen entkam er über Nacht. Und entschwand nach einem fingierten Überfall auf seiner Rückreise nach Wittenberg auf der Wartburg bei Eisenach.

Seit Jahrzehnten erörtern Theologen und Theologinnen der unterschiedlichen Konfessionen die Spaltung und haben viele der theologischen Probleme letztlich ausgeräumt und Verständigungen erreicht. Doch nach wie vor in Geltung sind: die Exkommunikation Luthers und seiner Mitstreiter, das Prädikat "Antichrist" für das Oberhaupt der katholischen Kirche.

"Die Zeit ist reif"

An Pfingsten 2020 legte ein Kreis von rund 30 Theologinnen und Theologen, der 1999 gegründete Altenberger Ökumenische Gesprächskreis, ein nur wenige Seiten umfassendes Plädoyer vor: Der Papst solle die Bannbulle gegen Luther außer Kraft setzen und erklären, dass die darin enthaltenen Verurteilungen "die heutigen Angehörigen evangelisch-lutherischer Kirchen nicht treffen". Zugleich solle der Lutherische Weltbund Luthers Verdikt gegen den Papst als Antichrist zurücknehmen - denn das wiederum treffe das heutige Papsttum und seine Amtsinhaber nicht mehr. "Die Zeit dafür scheint reif zu sein", heißt es in dem Appell.  

Luthergedenkstätten in Eisleben und Wittenberg

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Auf einer vor einigen Wochen erfolgten erläuternden Buchveröffentlichung steht ein historisches Bild des jungen Luther neben einem Foto des lächelnden Papst Franziskus. "Ein nach wie vor brennender Konfliktpunkt bedarf dringender Aufarbeitung, damit Kirchengemeinschaft in hoffentlich nicht zu ferner Zukunft Wirklichkeit werden kann", betonen zwei der Akteure, der evangelische Pfarrer Hans-Georg Link (81), langjähriger Sekretär der Kommission für Glauben und Kirchenverfassung in Genf, und der emeritierte Bonner Dogmatiker Josef Wohlmuth (82) als Herausgeber des Buches "In alle Ewigkeit verdammt?".

Der Altenberger Ökumenische Arbeitskreis ruft auch die Gemeinden in Deutschland auf, Zeichen zu setzen. Das könnten ökumenische Gottesdienste am ersten Januar-Wochenende und Fürbitten-Gebete für die offizielle Aussöhnung sein. Ein Ansinnen, das durch die Auswirkungen der Corona-Pandemie überschattet ist.

"Gemeinsam für den Glauben eintreten"

Gleichwohl hat auch die Pandemie vieles an ökumenischem Miteinander intensiviert. "In diesem Jahr 2020 wurde noch einmal deutlich, wie wichtig es ist, gemeinsam für den Glauben an den in Christus menschgewordenen Gott und für Nächstenliebe und den Schutz der Schwachen einzutreten", sagt der Vizepräsident des Kirchenamtes der Evangelischen Kirche in Deutschland, Thies Gundlach, der Deutschen Welle. Und: "Wir sind dankbar für die positiven Entwicklungen in der Ökumene zwischen evangelischer und katholischer Kirche, die in den letzten Jahren zu vertiefter Gemeinschaft beigetragen haben."

Seit 2018 gibt es Martin Luther in Worms auch in Form von AmpelmännchenBild: Kristina Schaefer/epd

Für Gundlach sind die Ereignisse im Zusammenhang mit dem Wormser Reichstag "kirchenhistorisch und reformationsgeschichtlich außerordentlich relevant. Im Blick auf die gegenwärtige Ökumene sind wir dankbar, dass die Verwerfungen der Vergangenheit überwunden sind." Denn die ökumenische Bewegung der letzten Jahrzehnte habe durch konstruktive theologische Auseinandersetzung Entscheidendes zur ökumenischen Verständigung beigetragen. 

Hans-Georg Link, der evangelische Pfarrer, der so viele Jahrzehnte dem Thema Ökumene widmete, mahnt allerdings: "Ohne dass Exkommunikationen und Antichrist-Verwerfungen aus dem Weg geräumt werden, ist eine engere Gemeinschaft zwischen evangelischer und katholischer Kirche undenkbar. Das Jahr 2021 ist nach 500 Jahren der richtige Zeitpunkt für einen offiziellen Schlussstrich."

Klar - der Papst in Rom und der Lutherische Weltbund in Genf sind am Zug. Die Kirchen in Deutschland planen derweil - sofern es die dann geltenden Bestimmungen zulassen - für Sonntag, den 18. April, mittags einen Open-Air-Gottesdienst unter dem Motto "Hier stehe ich" auf dem Marktplatz von Worms. Leiten werden ihn der EKD-Ratsvorsitzende Bischof Heinrich Bedford-Strohm und der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing.

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