Es dürfte ein tiefes Durchatmen an der Fan-Basis gegeben haben. Die Einigung der Bundesliga-Klubs über den Erhalt der 50+1-Regel ist für sie ein großer Erfolg. Vor allem für diejenigen Fans, die seit Wochen und Monaten bis an die eigene und an die Schmerzgrenze vieler Vereins-Verantwortlicher gekämpft hatten - etwa der von Hannover 96 - teilweise mit über die Grenzen des guten Geschmacks hinausgehenden Protesten.
Der totale Kommerz, die vollständige Kapitalisierung von allem, was in Verbindung mit der Bundesliga steht, ist erst einmal abgewendet. Die Bundesliga-Klubs haben sich mehrheitlich dazu entschieden, die Solidargemeinschaft im deutschen Fußball, in der etwa gemeinsame Wege bei den ligaweiten Fernsehverträgen dazu gehören, weiterführen zu wollen.
Die Entscheidung ist auch dem Zeitgeist geschuldet
"Allen, die es gut mit dem Fußball meinen, gefällt diese Entscheidung. Es ist ein wichtiges Signal, das davon ausgeht", sagte St. Paulis Geschäftsführer Andreas Rettig, einer derjenigen, die die Abkehr von dieser weltweit einzigartigen Regelung unbedingt verhindern wollten. Dies ist gelungen. Jetzt soll nur noch beraten werden, wie diese Regel rechtssicher festgezurrt werden kann, um zu verhindern, dass eine Klage am Europäischen Gerichtshof die Einigung im Handumdrehen ad absurdum führt.
Zur Wahrheit dieses Tages gehört aber, dass die Beibehaltung auch dem augenblicklichen Zeitgeist geschuldet ist. Dem europäischen Fußball und auch dem in der Bundesliga kann es seit gut einem Jahr gar nicht mehr schnell genug gehen, alles zu verändern, was Fußballfans über Jahrzehnte lieb gewonnen haben.
Das Kommerz-Rad im Fußball ist schlicht überdreht. Die immer neuen Veränderungen haben eine geradezu schwindelerregende Dynamik angenommen. Es sind die horrenden und irrealen Ablösesummen etwa für den Brasilianer Neymar, die Aufsplittung eines Spieltags von Freitag bis Montag, das oft skrupellose Verhalten der Profis und ihrer Berater, wenn sie einen Wechsel zu einem anderen, meist besser bezahlenden Verein, erzwingen wollen, was zu immer mehr Unverständnis geführt hat.
Fans wendeten sich zunehmend ab
Der Fußball-Fan im Stadion wurde zum Kunden degradiert, der sich gefälligst den Wünschen der Fernsehzuschauer anzupassen hat. Von dort kommt schließlich das Geld. Ob die echten Anhänger Stadionbesuche an einem Montagabend überhaupt realisieren können, war den Bundesligisten vor kurzer Zeit offenbar noch völlig egal. Sie alle stimmten schließlich vor dieser Saison für diese Terminplan-Änderung. Die paar Moneten, die die Besucher ins Stadion tragen, spielen schließlich schon lange keine wichtige Rolle mehr für die Vereine.
Die vehementen Proteste der Fan-Basis der vergangenen Wochen haben die Mehrheit der Klubs aber nach langem Wegducken offenbar davon überzeugt, dass sie ihre Fans zunehmend verlieren, wenn sie dieses Veränderungstempo beibehalten. Dass sich allerdings durch diese Liga-Entscheidung der finanzielle Vorsprung des FC Bayern, der sich mittlerweile Jahr für Jahr in uneinholbar vielen Punkten in der Tabelle ausdrückt, nicht auszugleichen ist, ist jetzt natürlich nicht zu erwarten. Die sportlichen Verhältnisse werden sich wohl nicht groß verändern. Aber das nehmen die Vereinsanhänger in Kauf.
Die Basis hat deutlich gemacht hat, dass Geld im Fußball nicht alles ist, dass es um mehr geht. Dass sich im deutschen Lieblingssport über viele Jahre eine ernstzunehmende Kultur etabliert hat, die nicht so einfach innerhalb weniger Monate vom Tisch zu wischen ist. Das Verhältnis von Fans und Vereinen wurde am Donnerstag mit dieser Mehrheitsentscheidung neu fixiert. Ein Tag, der allen Beteiligten noch lange im Gedächtnis bleiben wird.
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