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50Hertz: Berlin zeigt Peking die Zähne

Thomas Kohlmann mit afp, dpa, rtr
27. Juli 2018

Bei der Abwehr unerwünschter ausländischer Investoren kann die Bundesregierung auf zwei Mittel zurückgreifen: Sie kann ihr Veto einlegen oder sich selbst beteiligen. Das hat sie jetzt beim Netzbetreiber 50Hertz getan.

China Peking - Angela Merkel bei treffen mit Xi Jinping
Bild: Reuters/J. Lee

Seit der Übernahme des Industrieroboter-Spezialisten Kuka aus Augsburg durch den chinesischen Haushaltsgeräte-Hersteller Midea im Jahr 2016 hat sich einiges getan: Die großen Wirtschaftsmächte USA, EU und China liegen im Clinch - ausgelöst durch die Strafzölle von US-Präsident Donald Trump. Außerdem sehen immer mehr politische Akteure in den USA und der EU den Einstieg chinesischer Investoren bei Unternehmen aus Schlüsselbranchen mehr als kritisch.

Seit 2017 hat die Bundesregierung ihren wirtschaftspolitischen Entscheidungsträgern eine wirksame Möglichkeit an die Hand gegeben, um unerwünschte Investoren aus dem Nicht-EU-Ausland abzuwehren: Mit einem Vetorecht gegen Übernahmen, das in der "Neunten Verordnung zur Änderung der Außenwirtschaftsverordnung" festgelegt wurde.

Diese Verordnung der Bundesregierung mit dem sperrigen Titel ermöglicht dann ein Übernahmeverbot, wenn eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit bestehen könnte und ein Investor mit Sitz außerhalb der Europäischen Union mehr als 25 Prozent an einem deutschen Unternehmen kaufen will.

Teil der nationalen Infrastruktur: Leitwarte des Netzbetreibers 50HertzBild: picture-alliance/dpa

Immer, wenn ein Unternehmen, das wichtig für die "kritische Infrastruktur" Deutschlands ist, kommt die Verordnung zum Tragen. Dabei ist es völlig egal, ob das Übernahmeziel im Energiebereich, der Wasserversorgung oder der Informationstechnik tätig ist. Selbst Firmen aus der Versicherungsbranche, dem Transport-, Gesundheits- oder Ernährungssektor können so vor unerwünschten Investoren geschützt werden.

Im Fall von 50Hertz hat die Regierung mit dem eigenen Einstieg über die staatliche KfW-Bank eine andere Lösung gefunden. Der Bundeshaushaltsordnung zufolge darf sich der Bund an privaten Unternehmen nur beteiligen, wenn ein wichtiges Interesse des Bundes vorliegt und die Aufgabe auf andere Weise nicht besser und wirtschaftlicher erfüllt werden kann.

Veränderte Haltung gegenüber chinesischen Investoren

Yi Sun ist bei der Beratungsfirma Ernst & Young dafür zuständig, deutsche Übernahmeziele für Unternehmen aus dem Reich der Mitte zu finden. Auch ihr Job hat sich verändert, seit die Vorbehalte gegen chinesische Investoren größer geworden sind, räumt sie ein: "Der Gegenwind hat eindeutig zugenommen."

Spürt mehr Gegenwind bei chinesischen Firmenkäufen in Deutschland: Yi Sun von Ernst & YoungBild: EY

Gerade bei High-Tech-Firmen und Energieversorgern seien die politischen Widerstände groß. "Hier bedarf es eines langen Atems und intensiver Verhandlungen." Die Deutschen seien vorsichtiger geworden. "Sie fordern heute oft schon bei der Vertragsunterzeichnung hohe Garantien von den chinesischen Käufern." Selbst Bankbürgschaften seien für chinesische Investoren deutlich schwerer zu bekommen. Dadurch verzögerten sich viele Abschlüsse.

Auch in China hat man bemerkt, dass die Zeiten des "Laissez-faire" bei Unternehmensübernahmen wohl unwiederbringlich vorbei sind. Ende Mai beklagte Chinas Botschafter in Berlin eine neue "protektionistische Tendenz" in der Bundesrepublik: "China öffnet sich weiter, aber wir haben die Sorge, dass sich das bereits geöffnete Tor Deutschland wieder verschließt", hatte Shi Mingde in einem Interview mit der Stuttgarter Zeitung beklagt. Auch er bezog sich auf die Übernahme von Kuka und die daraus resultierende Änderung der deutschen Außenwirtschaftsgesetzgebung.

Zwischen den Fronten: Chinas Wettbewerbshüter blockieren Übernahmepläne des US-Chip-Konzerns Qualcomm Bild: picture-alliance/dpa/L. Zhihao

Shi Mingde kritisierte, dass China seine Finanzbranche und die Autobranche liberalisiere, während sich Deutschland immer stärker abschotte. Tatsächlich dürfen in China deutsche Firmen in den meisten Branchen nach wie vor nur gemeinsam mit einem chinesischen Partnerunternehmen tätig werden - was in der Vergangenheit immer wieder zu einem unfreiwilligen Technologietransfer geführt hat

Ausgerechnet das Prinzip der Reziprozität, von Donald Trump unlängst als eines seiner Lieblingswörter bezeichnet, scheint inzwischen auch in Deutschland das wirtschaftspolitische Handeln zu bestimmen. Und solange diese Wechselseitigkeit für deutsche und europäische Unternehmen in China nicht gelte, müsse man eben Grenzen ziehen, meint auch Max Zenglein vom China-Think-Tank Merics in Berlin: "Europa muss Chinas staatskapitalistischem Modell die Stirn bieten", fordert Zenglein, um im Rahmen der Industriestrategie "Made in China 2025" die Unternehmen zu schützen, die wie Kuka unverzichtbar für die Digitalisierung der deutschen Industrie sind.

Erstes Veto gegen chinesische Übernahme erwartet

"Das Abblocken von Investitionen kann legitime Gründe haben, wie der Schutz der nationalen Sicherheit oder sogar Wettbewerbsgründe", bestätigt Linda Yueh, Autorin des Buchs "The Great Economists", gegenüber der DW. Doch durch die aktuellen Spannungen in den Handelsbeziehungen, bei denen China die Übernahme eines niederländischen Hightech-Unternehmens durch den US-Chipriesen Qualcomm blockiere, um sich so für den zeitweisen US-Lieferstopp gegen Chinas Telekomkonzern ZTE zu revanchieren, erscheine alles in einem anderen Licht, meint Yueh. "Maßnahmen zur Beschränkung von Investitionen multinationaler Unternehmen sehen so wie ein Teil des eskalierenden Handelsstreits aus - auch wenn die deutsche Aktion wahrscheinlich nicht Teil des derzeitigen "Auge um Auge, Zahn um Zahn" sei", so Yueh.

Unterdessen machte in Berlin das Gerücht die Runde, dass die Bundesregierung die Übernahmepläne eines weiteren chinesischen Unternehmens durchkreuzen will: Berlin ist offenbar entschlossen, ein Veto gegen den Verkauf des westfälischen Werkzeugmaschinenherstellers Leifeld Metal Spinning aus Westfalen an die Yantai Taihai Corporation einzulegen, berichtete die "Wirtschaftswoche". Die Firma sei Technologieführer bei hochfesten Materialien, die in der Luft- und Raumfahrt zum Einsatz kommen und darüber hinaus im Nuklearbereich verwendbar sind. Es wäre das erste Mal, dass die Bundesregierung mit einem Veto den Verkauf eines deutschen Unternehmens an chinesische Investoren verhindert.

Thomas Kohlmann Redakteur mit Blick auf globale Finanzmärkte, Welthandel und aufstrebende Volkswirtschaften.
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