Sie wurde bejubelt; sie wurde verdammt: Die Pille befreite die Sexualität, gab den Frauen mehr Selbstbestimmung - und spaltete bei ihrer Einführung die Gesellschaft. Jetzt geht ihre Bedeutung zurück.
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So winzig die Pille ist, so gigantisch war ihre Wirkung - in jeder Hinsicht. Als die erste Antibabypille am 18. August 1960 in den USA auf den Markt kam, war das eine Sensation - die erste Form der hormonellen Empfängnisverhütung. Ein Jahr später war "die Pille" in West-Deutschland erhältlich, weitere vier Jahre danach in der früheren DDR. Die Pharma-Industrie vermarktete sie Anfangs als Mittel gegen Menstruationsbeschwerden. Verschrieben wurde sie nur verheirateten Frauen. Erst am Ende der Packungsbeilage fand sich der Verweis auf ihre wichtigste Eigenschaft. Kleingedruckt und fast versteckt stand da: Sie schützt auch vor der Empfängnis.
Eine weitere "Nebenwirkung" der Pille ging über medizinische Effekte weit hinaus: Ihre gesellschaftliche Sprengkraft. Die neue Verhütungsmethode entkoppelte erstmals den Geschlechtsverkehr langfristig von der Fortpflanzung. Sex aus Spaß statt Beischlaf für Babys - die Pille machte es möglich, leichter und zuverlässiger als alle bis dahin bekannten Hilfsmittel. Sie gab den Frauen eine neue Entscheidungsfähigkeit über ihren Körper, ließ sie ihre Sexualität selbstbestimmter ausleben und revolutionierte ihr Leben.
Damals habe die Sorge vor einer ungewollten Schwangerschaft die ganze Sexualität beherrscht, erinnert sich die Publizistin und Frauenrechtlerin Alice Schwarzer in einem Interview mit dem Zweiten Deutschen Fernsehen. Für eine verantwortungsvolle Frau habe sich alles danach gerichtet. "Man wusste ja auch, Abtreiben kann man eigentlich nicht. Da hörte man was munkeln von Küchentischen und verbluteten Frauen." Auch jenseits moralischer Bedenken habe man schon aus Angst nicht abgetrieben. "Und als dann die Pille kam in der ersten Hälfte der Sechziger - da war ich eine junge Frau, die im wilden Alter war - da war das einfach uneingeschränkt eine Befreiung. Das war eine fantastische Sache. Wir alle, glaube ich, haben mit Freude danach gegriffen. Ein Wundermittel."
Ärzte warnen, Papst verbietet
Bis dahin bestimmten die sogenannten "drei K" die soziale Rolle von Frauen: Kinder, Küche, Kirche. Selbstbestimmtes weibliches Leben war in der konservativen deutschen Nachkriegsgesellschaft nicht vorgesehen. Es formierte sich erheblicher Widerstand. Sogar Ärzte liefen Sturm. Der Medizinhistoriker Robert Jütte erinnert im DW-Gespräch an die "Ulmer-Erklärung" von 1964: Darin warnten rund 200 Ärzte, "dass es verheerende Folgen haben würde, wenn die Liebe folgenlos bleiben würde." Der frühere Leiter des Instituts für Geschichte der Medizin der Robert Bosch Stiftung betont: "Es gab einen breiten gesellschaftlich, autoritäreren Konsens, die Empfängnisverhütung in Grenzen zu halten."
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Erbitterter Widerstand gegen die Pille kam von der Kirche. Am 25. Juli 1968 verurteilte der damalige Papst Paul VI. in der Enzyklika Humanae Vitae die Geburtenkontrolle durch künstliche Verhütungsmittel. Diese würden den außerehelichen Geschlechtsverkehr befördern und zur "allgemeinen Aufweichung der sittlichen Zucht" beitragen. Für gläubige Katholiken praktisch ein Verbot.
"Make love not war"
Aber der Zeitgeist war ein anderer. Die alte Gesellschaftsordnung bröckelte bereits. Steigender Wohlstand beförderte den Wunsch nach Selbstverwirklichung und individueller Freiheit. Die sexuelle Revolution räumte erstarrte Konventionen ab. Das Hippie-Motto der freien Liebe "make love not war" war mitbestimmend für den westlichen 68er-Aufbruch von Studenten und Jugendlichen. Partner wechselten so offen und häufig wie nie zuvor. Berühmt wurde der provokativ-programmatische Spruch der Studentenrevolte: "Wer zweimal mit derselben pennt, gehört schon zum Establishment." Medizinhistoriker Jütte will die Rolle der Pille allerdings nicht überbewerten: Sie sei nicht Ursache dieser Entwicklung gewesen, "sondern eher Katalysator".
Vom Wahlrecht bis #MeToo: Die lange Geschichte der Frauenbewegung
Seit gut 180 Jahren kämpfen Frauen in Deutschland für ihre Rechte. Anfangs ging es um Bildung und Wahlrecht, später um sexuelle Selbstbestimmtheit. Heute zeigen Frauen mit #MeToo, dass ihr Kampf noch nicht zu Ende ist.
Bild: Der Stern
Die "Lerche des Völkerfrühlings"
Louise Otto-Peters (1819 - 1895) gilt als die Pionierin der deutschen Frauenbewegung. Mit knapp 24 Jahren trat sie an die Öffentlichkeit und forderte Mitbestimmung. Zusammen mit weiteren Frauen gründete sie den ADF, den Allgemeinen Deutschen Frauenverein. Vor dem Hintergrund der 1848er Revolution in Deutschland war dies möglich - denn alle Zeichen standen auf gesellschaftliche Veränderung.
Bild: dpa/picture alliance
Helene Lange kämpfte für Chancengleichheit
Mädchen und Schulbildung - das war Ende des 19. Jahrhunderts nicht vorgesehen. Eher bestand die Funktion der Frau darin, ihrem Gatten Freude zu bereiten, ihn zu erheitern und natürlich ihn zu betüddeln und zu bekochen. Die bürgerliche Frauenbewegung der späten 1890er Jahre wollte damit aufräumen und forderte vor allem bessere Schulbildung für Mädchen. An ihrer Spitze stand damals Helene Lange.
Bild: picture-alliance/dpa/Bifab
Mutter der "proletarischen" Frauenbewegung
Es ging den Frauenrechtlerinnen jener Zeit nicht nur um Bildung, das war eher ein bürgerliches Thema. Auch die Fabrikarbeiterinnen brauchten ein Sprachrohr. Clara Zetkin setzte sich für die gewerkschaftliche Organisierung für Frauen ein. Zudem kämpfte sie für das Frauenwahlrecht und (schon damals) für die Abschaffung des Abtreibungsparagraphen 218. Und sie initiierte den Internationalen Frauentag.
Bild: picture-alliance/dpa
Anita Augspurg und ihre Frauengruppe
Es gab noch radikalere Frauenrechtlerinnen. Anita Augspurg (links) und ihre Kämpferinnen scherten sich nicht um Konventionen. Augspurg lebte mit ihrer Freundin zusammen, sie trugen Herrenkleidung und kurze Haare. Sie war Juristin und engagierte sich für das Frauenstimmrecht und schließlich auch für Prostituierte. Sie und ihre Mitstreiterinnen pflegten enge Kontakte zu ausländischen Frauengruppen.
Bild: gemeinfrei
Überregionale Zusammenarbeit
In London hat sich die Suffragettenbewegung längt in das Gesellschaftsbild eingegraben. 1909 trafen sich Frauenrechtlerinnen aus ganz Europa in London zu einem Kongress, unter ihnen auch Anita Augspurg (unten rechts). Der beharrlichen Arbeit dieser Frauen und weiteren Kämpferinnen ist es zu verdanken, dass immer mehr Länder das Frauenwahlrecht einführten. 1918 schließlich auch Deutschland.
Bild: National Library of Norway Lenke
Gleichschaltung im Nationalsozialismus
Die Nationalsozialisten mochten keine emanzipatorischen Bestrebungen. Frauen gehörten auch nicht in Führungspositionen. Sie sollten zurück zu Herd und Familie. Die NSDAP propagierte ein Frauenbild, das in den Jahrzehnten vor ihrer Machtergreifung mühsam weggekämpft wurde. Frauengruppen waren aber in den Augen der Nazis jüdische und kommunistische Erfindungen, die es zu unterbinden galt.
Bild: picture-alliance/akg-images
Vom Hausmütterchen zur Kriegshelferin
Viele Jahre schien der einzige Existenzgrund der Frau darin zu liegen, als sorgende und liebevolle Mutter die zukünftige Generation der deutschen, "arischen" Rasse zu gebären und nach nationalsozialistischer Gesinnung aufzuziehen. Zur Belohnung gab es das "Mutterkreuz". In den Kriegsjahren jedoch war damit Schluss. Plötzlich waren die Frauen als Arbeiterinnen - auch in Männerjobs - sehr gefragt.
Bild: picture-alliance/akg-images
Neuaufbau
1945 endete der Zweite Weltkrieg und damit der Nationalsozialismus mit all seinen Weltanschauungen und Institutionen. Von Anfang an mischten Frauen im Wiederaufbau Deutschlands mit - nicht nur in den Trümmern zerstörter Städte sondern auch in der Politik. Neue Frauenausschüsse nahmen die Arbeit von vor 1933 wieder auf. Ihr Ziel: Gleichberechtigung der Frauen als selbstverständliches Menschenrecht.
Bild: picture-alliance/dpa
Die Pille: ein neues Stück Freiheit
Hormone, die eine Schwangerschaft verhindern - einfach in Form einer winzigen Tablette schlucken. 1961 kam die "Pille" nach Deutschland und wurde von Moralisten argwöhnisch beäugt. Zunächst wurde sie nur verheirateten Frauen verschrieben, offiziell "gegen Menstruationsbeschwerden". Aufzuhalten war sie aber nicht mehr und feuerte die sexuelle Emanzipation der Frauen in den späteren 68ern an.
Bild: Everett Collection/picture alliance
Kampf gegen Autoritäten
Die Studentenbewegung der 1968er kämpfte nicht nur für Hochschulreformen, sondern auch für sexuelle Freiheit, gegen autoritäre Strukturen. Eigentlich hätte alles im Sinne der weiblichen Mitstreiter sein können. Doch die Studentinnen stellten fest, dass ihre Kommilitonen nach außen hin zwar Antiautorität forderten, aber im Inneren noch nicht aus ihren autoritären Verhaltensmustern herauskamen.
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Geschlechterkampf unter den Studenten
Frauen sahen darin ein Spiegelbild der patriarchalischen Gesellschaft. Der frisch gegründete "Aktionsrat zur Befreiung der Frau" forderte auf einer Veranstaltung des Sozialistischen Studentenbundes, dass das "Ausbeutungsverhältnis, unter dem die Frauen stehen" aufgehoben wird. Die Männer hörten nicht zu - und so flogen schließlich Tomaten. Die Initialzündung für die spätere "Neue Frauenbewegung".
Bild: Manfred Rhem/dpa/picture alliance
1971: "Wir haben abgetrieben!"
Mit der sexuellen Revolution der 68er Bewegung kam die Forderung, den uralten Paragrafen 218 aus dem Jahr 1871 abzuschaffen, nach dem ein Schwangerschaftsabbruch strafbar ist. Höhepunkt der damaligen Debatte: Die Abtreibungs-"Beichte" von 374 teils prominenten Frauen im "Stern". Sie war extrem mutig und trieb die Frauen auf die Straße. Die "Neue Frauenbewegung" war nicht mehr zu stoppen.
Bild: STERN/Gruner + Jahr/dpa/picture alliance
Ein langer Kampf in Etappen
1976 schließlich reagierten die Gerichte. Der §218 wurde modifiziert: Frauen durften innerhalb der ersten drei Schwangerschaftsmonate abtreiben. Inzwischen wurde der Paragraf mehrmals erweitert und verändert, so dürfen Frauen heute unter anderem aus gesundheitlichen und sozialen Gründen ihre Schwangerschaft abbrechen. Straffrei ist eine Abtreibung jedoch bis heute nicht.
Bild: picture-alliance/dpa
Nicht ohne die Erlaubnis des Gatten
Heute ist es kaum mehr vorstellbar, dass eine verheiratete Frau in Deutschland erst ab 1969 als geschäftsfähig galt. Zudem war es Frauen in Deutschland nicht gestattet, ohne die Erlaubnis ihres Ehemannes arbeiten zu gehen. Der Mann hatte das Recht, den Arbeitsvertrag seiner Frau ohne ihre Einwilligung zu kündigen. Erst 1977 wurden diese Regelungen abgeschafft.
Bild: picture-alliance/Presse-Bild-Poss/O. Poss
Freiheit in lila Latzhose
Die Neue Frauenbewegung bekam Mitte der 70er ihr Erkennungszeichen. Ein unweiblicheres Kleidungsstück gibt es wohl kaum: Die Arbeitskleidung von Männern, vornehmlich Handwerkern. Eine unförmige Latzhose, die die Figur versteckt. Ein Statement in Lila. Böse Zungen sagten: "Lila schützt vor Schwangerschaft". Doch gerade diese Unweiblichkeit war ein Zeichen der Befreiung.
Bild: Steinach/IMAGO
Alice Schwarzer: wortgewaltig, kämpferisch
1977 gründete Alice Schwarzer die erste feministische Frauenzeitschrift. Die EMMA war komplett glamourfrei und bot frauenpolitische Themen. Zur Empfängnisverhütung sollten sich Männer sterilisieren lassen und Frauen lernen, wie man verstopfte Abflüsse freimachte. Die erste Auflage von 200.000 war sofort vergriffen. Schwarzer ist bis heute eine höchst streitbare und auch umstrittene Person.
Bild: picture-alliance/dpa/R. Scheidemann
Unbeschreiblich weiblich!
Als Punk-Lady Nina Hagen 1978 ihr Debütalbum auf Deutschland losließ, überschlugen sich Kritik und Begeisterung gleichermaßen. Eine Frau an der Spitze einer Rockband? Gesellschaftskritische Texte, vulgäre Sprache? Eine, die in einer TV-Talkshow vor den Kameras masturbiert? Nina verkörperte die weibliche Freiheit und Freizügigkeit wie keine andere in Deutschland. Und wurde schnell zur Ikone.
Bild: CBD
#MeToo: eine neue Dimension
Die Frauenbewegung hat viel erreicht - dennoch ist die Geschlechtergleichheit noch nicht hergestellt. Immer noch verdienen Männer mehr Geld für die gleiche Arbeit. Immer noch nutzen Männer ihre Positionen zur Machtausübung. Im Oktober 2017 startete die #MeToo-Bewegung gegen Sexismus und Missbrauch. Frauen packen aus - und sind noch lange nicht fertig damit.
Bild: Imago/Bildgehege
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Die sexuelle Befreiung schuf aber auch neue Zwänge. "Vorher sollten die jungen Mädchen und Frauen in die Ehe gehen. Und nun? Mit der Pille drehte sich das Blatt, und Frauen hatten zur Verfügung zu stehen", erinnert sich die Feministin Alice Schwarzer. Wenn ein Mädchen nicht die Pille geschluckt habe, sei gesagt worden, "die sei zu blöd, und mit der hat man noch nicht mal mehr getanzt. Nun wurde permanente sexuelle Verfügbarkeit erwartet, und Konsequenzen waren von den Männern nicht mitzutragen."
Wunsch nach hormonfreier Verhütung
In Deutschland ist die Pille seit langem die meist genutzte und sicherste Verhütungsmethode. Obwohl sie erst vom Arzt verschrieben werden muss. Dafür aber übernehmen die Krankenkassen die Kosten - für junge Frauen und Mädchen unter 22. Am Geld muss Verhütung aber auch für ältere Frauen nicht scheitern: Sie müssen für eine Sechsmonatspackung noch nicht mal 30 Euro auf den Apothekentisch legen.
Mittlerweile hat sich dennoch eine gewisse Pillenmüdigkeit eingestellt. Immer mehr junge Frauen wollen nicht mehr in ihre natürlichen hormonellen Abläufe eingreifen. Seit fünf, sechs Jahren beobachte sie "einen zunehmenden Wunsch danach, hormonfrei zu verhüten, sich von der Pille zu lösen", bestätigt die Gynäkologin Gabrielle Stöcker gegenüber der DW. Sie arbeitet für pro familia, den führenden Verband zu Sexualität und Partnerschaft in Deutschland. Die Pille sei zwar ein sehr gutes Verhütungsmittel, aber eben auch ein Medikament mit Nebenwirkungen.
Stöcker sieht deshalb Pharmafirmen kritisch, die ihre Präparate als Lifestyle- und Beauty-Produkte vermarkten. Die Pille macht schlank, wird da manchmal versprochen, oder sie verschönere die Haut. Gefahren wie Thrombose würden oftmals ausgeblendet. Wenn man sich die Werbung anschaue, könne man fast den Eindruck bekommen, "die Pille sei ein Schönheitsprodukt und ohne Risiken", bemängelt die pro familia-Fachfrau. "Es ist klar, dass sich Frauen, die unter Nebenwirkungen oder Komplikationen leiden, nicht mehr ernst genommen fühlen."
Weltweit auf Platz 4
Stöckers Beobachtung wird untermauert von einer Studie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) zum Verhütungsverhalten Erwachsener von 2018: Pille und Kondom sind demnach mit 47 und 46 Prozent nach wie vor die wichtigsten Verhütungsmittel. Im Vergleich zur vorhergehenden Studie aus dem Jahr 2011 sank die Beliebtheit der Pille aber um 6 Prozentpunkte. Mit 9 Prozentpunkten gab es einen deutlichen Anstieg bei der Nutzung von Kondomen. Da spielt sicher auch der Schutz vor HIV und anderen Geschlechtskrankheiten eine Rolle.
Ähnlich beliebt wie in Deutschland ist die Pille sonst vor allem in den anderen Ländern Europas. Im Weltmaßstab aber ist die am häufigsten verwendete Verhütungsmethode nach der aktuellen Verhütungsstatistik der Vereinten Nationen die Sterilisation der Frau - obwohl dieser Eingriff beim Mann medizinisch sehr viel einfacher ist. Im vergangenen Jahr waren 23,7 Prozent (219 Millionen) aller verhütenden Frauen sterilisiert. Auf Platz Zwei liegt das Kondom für Männer (189 Millionen) vor der Spirale (159 Millionen). Die Pille folgt erst auf Platz 4 (151 Millionen).
Ärmere Länder setzen auf Sterilisation
In den Schwellen- und Entwicklungsländern des globalen Südens ist oft schon die Versorgung mit Antibiotika aufgrund infrastruktureller oder finanzieller Probleme schwierig. Dass die täglich einzunehmende Anti-Baby-Pille da keine Erfolgsgeschichte schreiben konnte, überrascht schon deshalb kaum. Medizinhistoriker Jütte erklärt die mangelnde Verbreitung der Pille auch mit der dort oft untergeordneten gesellschaftlichen Position der Frau. "Man darf auch staatliche Repressionen in islamischen Staaten nicht vergessen, die grundsätzlich gegen Empfängnisverhütung sind. Es ist eine Kombination von gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Faktoren."
Jütte verweist darauf, dass selbst in den Ländern mit dem weltweit niedrigsten Bruttosozialprodukt "immerhin 28 Prozent der Frauen überhaupt empfängnisverhütende Mittel nehmen." In diesen Ländern spielten auch aufgrund der medizinischen Versorgung "langfristige Verhütungsmethoden wie die Sterilisation der Frau oder die Spirale, eine größere Rolle als die Pille."