"Rock around the clock"
12. April 2014Man schrieb den 12. April, 11 Uhr morgens. Ein gewisser Milt Gabler, seines Zeichens Produzent, hatte einen großen Ballsaal in New York reservieren lassen, um mit Bill Haley & His Comets zwei Songs für ihre neue Plattenfirma Decca Records einzuspielen. Anderthalb Stunden später war von der Band immer noch nichts zu sehen. Gabler tobte: "Wo verdammt nochmal bleiben die? Warum haben die Idioten nicht wenigstens angerufen?"
Vom Jodeln zum Haley-Sound
Haley und seine Musiker hingen auf einer Autofähre fest, die auf einer Sandbank im Delaware-Fluss steckengeblieben war. Ursprünglich hatte sich der junge Bill einen Namen als einer der besten Jodler der USA und später in der Country-Szene gemacht, wo er mit seinen "Saddlemen" im Cowboy-Outfit auftrat. Doch mittlerweile hatte er einen ganz neuen Stil, den es so noch nie gegeben hatte. Mangels einer Bezeichnung sprach man schlicht vom Haley-Sound; der Begriff Rock'n'Roll kam erst später auf. Mit zwei Stunden Verspätung begannen damals die Aufnahmen. Die meiste Zeit ging dabei für die A-Seite der Single drauf, Haley und seine Jungs spielten den Haupttitel "Thirteen Women" nämlich zum ersten Mal.
B-Seite mit Hindernissen
Am Ende blieben noch 40 Minuten Zeit für zwei Takes der B-Seite und den Song "Rock around the clock". Zwar war der schon mal im März von Haleys Freund und Musikkollegen Sonny Dae and his Knights eingespielt worden, doch eigentlich gehörte er zum Repertoire von Bill Haley & His Comets, und der Bandleader bestand auf einer eigenen Version.
Doch an jenem 12. April war der Wurm drin. Die Instrumente übertönten Bill Haleys Stimme, die viel zu leise rüberkam. Man hatte noch 20 Minuten, um die Aufnahme zu wiederholen. Diesmal schnitt Tontechniker Larry McIntire nur die Stimme mit und mischte sie später mit dem ersten Take zusammen. Die Single wurde als Foxtrott deklariert, und die A-Seite mit "Thirteen Women" landete immerhin auf Platz 23 der Popcharts, verschwand aber auch schnell wieder in der Versenkung.
Durch Zufall entdeckt
B-Seiten wurden damals in den Radiostationen gar nicht erst aufgelegt, und so drohte "Rock around the clock" in Vergessenheit zu geraten - wären da nicht eingefleischte Haley-Fans gewesen wie zum Beispiel Peter Ford, Sohn des berühmten Hollywood-Schauspielers Glenn Ford.
Eines Tages weilte Regisseur Richard Brooks, der an seinem Film "Blackboard Jungle" (Die Saat der Gewalt) über rebellische Jugendliche und ihren verständnisvollen Lehrer arbeitete, während einer Drehpause im Hause seines Hauptdarstellers. Dort lauschte Ford Junior gerade hingerissen und mit voll aufgedrehter Lautstärke dem Haley-Song, und der Filmemacher erkannte schnell das Potenzial der dynamischen Musik. Er beschloss, "Rock around the clock" in seinem Opus einzusetzen und erwarb bei Decca Records die Rechte für gerade mal einen Dollar.
Megaseller und Jugendhymne
Der Film kam in den USA am 19. März 1955 in die Kinos. Er wurde ein Welterfolg. Der Soundtrack "Rock Around the Clock" stürmte die US-Charts und hielt sich über acht Wochen auf Platz Eins. Grund genug für die Plattenfirma Decca, den Titel im Sommer 1955 erneut als A-Seite zu veröffentlichen. Inspiriert durch den Erfolg wurde der Clock-Song im gleichnamigen Columbia-Film "Rock Around The Clock" (Außer Rand und Band) wiederverwendet und katapultierte sich in zahlreichen Ländern ganz oben in die Charts.
Zugleich trat der Rock'n'Roll mit diesem Song endgültig seinen Siegeszug an. Er wurde weltweit zum Sound einer rebellischen Jugend, die gegen die Rassentrennung in den USA, die Diskriminierung Andersdenkender und die starren Regeln der Elterngeneration protestierte. 200 Millionen Mal wurde der Song verkauft, mindestens 42 Cover-Versionen gibt es weltweit. "Rock around the clock" hat damit gute Chancen, das am weitesten verbreitete Musikstück der Geschichte zu werden.