Das größte deutsche Filmfestival startete mit einem Puppentrickfilm. Es folgen rund 400 neue Filme. Gespannt sein darf man auch auf den Auftritt des Berlinale-Chefs Dieter Kosslick. Der war in die Kritik geraten.
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Die 68. Berlinale - ein Festival in Bildern
Vorhang auf - das größte deutsche Filmfestival ist vor allem ein Fest der Bilder. Wir blicken schon einmal auf zehn Festivaltage voraus und stellen die Höhepunkte vor: Filme und Fans, Stars und Themen der 68. Berlinale.
Bild: picture-alliance/dpa/P. Zinken
Die Eröffnung: Isle of Dogs
Ein guter alter Berlinale-Bekannter eröffnet das Festival. Der amerikanische Regisseur Wes Anderson war schon dreimal im Wettbewerb des größten deutschen Filmfestivals. Neu am diesjährigen Eröffnungsfilm ist, dass es sich bei Andersons "Isle of Dogs" um einen animierten Puppenfilm handelt. Noch dazu stehen Hunde im Mittelpunkt des sozialkritischen Film-Märchens: ein tierischer Berlinale-Auftakt.
Bild: Twentieth Century Fox Film Corporation/Fox Searchlight Pictures
Der Wettbewerb: Hollywood-Stars sind auch dabei
Im weltweiten Konkurrenzkampf der großen Filmfestivals lautet eine spannende Frage immer wieder: Welche Regie-Stars kommen aus Hollywood? Die Berlinale hat 2018 in dieser Hinsicht durchaus etwas zu bieten. Außer Wes Anderson präsentieren auch noch die US-Regisseure Steven Soderbergh ("Unsane") und Gus van Sant ("Don’t Worry, He Won’t Get Far on Foot", unser Foto) ihre neuen Filme im Wettbewerb.
Bild: 2018 AMAZON CONTENT SERVICES LLC/S. P. Green
Petzold, Gröning und Co: deutsche Filmemacher im Wettbewerb
Viel zu bieten hat auch das deutsche Kino. Nicht weniger als zehn Co-Produktionen sind dabei, Filme von prominenten Regisseuren wie Christian Petzold und Philip Gröning mischen im Kampf um den Goldenen Bären mit. Petzold hat ein Buch von Anna Seghers verfilmt ("Transit"), Gröning zeigt einen Geschwister-Clinch zwischen Liebe und Hass: "Mein Bruder heißt Robert und ist ein Idiot" (unser Bild).
Bild: 2017 P. Gröning
Außergewöhnliches aus aller Welt
Der Reiz eines Festivals liegt vor allem darin, dass Filme aus allen Erdteilen gezeigt werden. So ist in der Bärenkonkurrenz neben den USA, Deutschland und europäischen Kino-Nationen in diesem Jahr auch Lateinamerika stark vertreten. Und der Iran, der in den letzten Jahren schon einige starke Beiträge abgeliefert hat, schickt die Komödie "Khook" ("Schwein") von Mani Haghighi ins Rennen.
Bild: M. H. Majuni
Die Jury: Tom Tykwer und die anderen...
An der Spitze der Internationalen Jury, die über die Silbernen und den Goldenen Bären entscheidet, steht in diesem Jahr ein Deutscher: der Regisseur Tom Tykwer. Unterstützt wird er unter anderem von der belgisch-französischen Schauspielerin Cécile de France, der amerikanischen Filmproduzentin Adele Romanski und dem japanischen Komponisten Ryūichi Sakamoto.
Bild: picture alliance/dpa/C. Seidel
Die Themen: Harvey Weinstein und die Folgen
Die Berlinale gilt als als das "politischste" unter den großen Festivals. Es ist das mit Abstand größte Publikumsfilmfestival der Welt - und hat die Möglichkeit, auch in Nebenreihen Politik "zu machen". Festivalchef Dieter Kosslick kündigte schon an, dass die #MeToo-Debatte auf vielen Podien eine Rolle spielen wird - und auch ein Thema der letzten Berlinale-Jahrgänge: die Flüchtlingsproblematik.
Bild: picture-alliance/dpa/B. Pedersen
Stars aus Hollywood und aller Welt
Nachdem die deutsche Schauspielerin Anna Brüggemann eine Debatte um die Kleidervorschriften auf dem Roten Teppich angestoßen hat, darf man auf das Schaulaufen vor dem Berlinale-Palast gespannt sein. Kommen Isabelle Huppert und Emily Watson in Schwarz? Und wie verhalten sich männliche Stars wie Robert Pattinson und Willem Dafoe (unser Foto), der einen Ehrenbär erhält, in Sachen Kleiderordnung?
Bild: ORION PICTURES CORPORATION
Das Internationale Forum
Engagiertes Kino aus aller Welt gibt es traditionell im "Forum des Internationalen Films". Hier stellen Regisseure aus Ländern, die im bundesdeutschen Kinoalltag normalerweise kaum vorkommen, ihre neuen Arbeiten vor. Wie der thailändische Regisseur Nawapol Thamrongrattanarit, der sich in seinem fünften Spielfilm "Die Tomorrow" mit einem Thema beschäftigt, das jeden Menschen angeht: dem Tod.
Bild: N. Thamrongrattanarit/J. Joonkiat
Das Panorama
Auch in der großen Programmsektion "Panorama", die in diesem Jahr nach dem Abschied ihres langjährigen Leiters Wieland Speck von drei Kuratoren zusammengestellt wurde, gibt es viel zu entdecken. Beispielswiese das Film-Poem "Obscuro Barroco" der griechischen Regisseurin Evangelia Kranioti, die Luana Muniz (1961-2017), die brasilianische Ikone der queren Subkultur, porträtiert.
Bild: E. Kranioti
Die Retrospektive
Auf Entdeckungsreise in ferne Welten können auch die Besucher der Berlinale-Retrospektive gehen. "Weimarer Kino - neu gesehen" heißt die historische Filmschau 2018. Gezeigt werden Ausgrabungen aus den Filmarchiven und lange nicht mehr aufgeführte Werke dieser für das deutsche Kino so ungemein fruchtbaren Zeit - wie der Film "Opium" von Robert Reinert aus dem Jahre 1919, der in China spielt.
Bild: Filmmuseum München
Restaurierung deutsche Klassiker
Neben den vielen neuen Filmen und den Retrospektive-Aufführungen gibt es bei der Berlinale noch ein paar besondere Premieren: restaurierte Klassiker. Sieben solcher "Weltpremieren" wird es in den kommenden Tagen geben. Einen Film digital zu restaurieren ist sehr teuer - und so sind diese Aufführungen ein Leckerbissen für alle Cineasten. Mit dabei ist auch "Der Himmel über Berlin" von Wim Wenders.
Bild: Wim Wenders Stiftung 2017
Berlinale Talents
Zu einem Treffen junger Filmschaffender kommt es bei den "Berlinale Talents". 250 Talente aus 81 Ländern sind diesmal eingeladen: vor allem Regisseure, aber auch Kameraleute und Schnittmeister. "Die Talente sind in der Regel im fünften bis zehnten Jahr ihrer Karriere und verfügen bereits über berufliche Expertise", so die Festivalmacher. Ziel des Treffens: Projekte anstoßen und entwickeln.
Bild: D. Ausserhofer
Native - indigenes Kino
In der noch jungen Berlinale-Sektion "Native" liegt der Schwerpunkt auf Filmen von indigenen Völkern. 2018 beschäftigt sich das Festival mit den am Pazifischen Ozean gelegenen Inselstaaten. Zu sehen ist u.a. die Weltpremiere der Dokumentation "MA'OHI NUI, au cœur de l’océan mon pays", die auf die verheerenden Auswirkungen französischer Atomversuche bis 1996 in Französisch-Polynesien zurückblickt.
Bild: Iota Production
Kulinarisches Kino
Süffig geht’s zu beim "Kulinarischen Kino", wo es um Beziehungen zwischen Essen und Politik geht: "In Kultur und Politik müssen ständig sensible Entscheidungen gefällt werden, vergleichbar mit der Küche, wo es auch heikel zugeht", erläuterte Dieter Kosslick das Motto. Unter den zehn Filmen ist auch "Lorello e Brunello" von Jacopo Quadri, der die Probleme der Kleinbauern in der Toskana aufgreift.
Bild: Vivo film/Ubulibr
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Darum wird diese 68. Berlinale nicht herumkommen: um das Thema Dieter Kosslick. Der langjährige Leiter des größten deutschen Filmfestivals war Ende vergangenen Jahres schwer in die Kritik geraten. Von verschiedener Seite wurde Kosslick vorgeworfen, das Profil der Berlinale sei unscharf, der Wettbewerb schwächele künstlerisch schon seit langem und überhaupt sei die ganze Film-Veranstaltung in der deutschen Hauptstadt inzwischen viel zu aufgebläht.
Über großen Zuschauerzuspruch kann sich die Berlinale nicht beklagen
Kosslick und seine Verteidiger argumentieren mit den gutbesuchten und meist ausverkauften Vorstellungen und dem überharten Konkurrenzkampf der großen Festivals um die besten neuen Filme der renommierten Regisseure. Eine vom Festival 2017 in Auftrag gegebene Studie hat unter anderem diese erstaunlichen Ergebnisse zu Tage gefördert, die Kosslick und seinem Team Recht zu geben scheinen:
- 10% der Zuschauer*innen geben an, dass sie die Berlinale zu groß finden; die anderen 90% teilen diesen Eindruck nicht.
- Fast alle Besucher*innen sind mit der Berlinale zufrieden, mehr als jede*r zweite ist sogar außerordentlich oder sehr zufrieden. Das zieht sich durch alle Altersgruppen. Im Vergleich zur Umfrage 2008 hat die Berlinale in puncto Zufriedenheit sogar um 10% zugelegt.
- 42% der Befragten gehen zur Berlinale, weil sie seltene, andere, außergewöhnliche Filme sehen möchten - keine Mainstreamfilme, sondern Arthouse-Filme, die sich vom üblichen Kinoprogramm abheben.
All das spricht also eher für als gegen die Programmpolitik von Dieter Kosslick.
Der Wettbewerb um die Bären ist nur ein Programmbestandteil
Und richtig ist ja auch: Der Hauptkritikpunkt, die mangelnde Qualität des Wettbewerbs, bezieht sich nur auf einen kleinen, wenn auch wichtigen Teil der riesigen Berlinale. Von den knapp 400 neuen Filmen, die jedes Jahr zur Aufführung kommen, laufen lediglich rund 20 (!) im Wettbewerb - das ist nicht einmal ein Zehntel. Ein Großteil des Berlinale-Publikums geht also gar nicht in die Bären-Konkurrenz, sondern besucht Filme in Sektionen wie Panorama, Forum oder Retrospektive.
Die jüngeren Kinozuschauer strömen in die Reihe "Generation", der Filmnachwuchs kommt zum Talent Campus. Geschäfte werden im Co-Produktions-Markt und beim Europäischen Filmmarkt gemacht. Die Berlinale bietet ein unfassbar großes Angebot.
Dieter Kosslick wird 2019 seinen Abschied nehmen
Zurück zum Wettbewerb: Dies ist nun einmal die Programmschiene, die am meisten beachtet wird, ob zu Recht oder zu Unrecht. TV-Anstalten, Zeitungen und Online-Medien, sie alle stürzen sich auf den alljährlich im Berlinale-Palast stattfindenden Wettbewerb um den Goldenen Bären. Wenn dort also viel Durchschnittliches läuft, dann ist die Kritik übergroß. Verdient hat die Berlinale das sicher nicht. Doch auch das größte deutsche Filmfestival unterliegt dem Spiel der Öffentlichkeit.
Dieter Kosslick wird sich aber in den kommenden Tagen etwas entspannter zurücklehnen können. Er hat keine Ambitionen mehr und seinen Abschied für 2019 angekündigt. 2018 ist also seine vorletzte Berlinale. Da dürfte - auch angesichts der vielen großen Namen im Wettbewerb nicht allzuviel schief gehen.