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PolitikSlowakei

80 Jahre Slowakischer Nationalaufstand

Kay Zeisberg (Aus Bratislava)
29. August 2024

Die Slowakei begeht mit großen Feierlichkeiten den 80. Jahrestag des Aufstands gegen Hitlerdeutschland und das Kollaborationsregime. Auch die Putin-Freunde in dem zunehmend autoritär regierten Land feiern mit.

Das Museum über den Slowakischen Nationalaufstand in Banska Bystrica. Ein futuristischer Bau bestehend aus zwei Hälften mit einem Durchgang und einer Statuengruppe zwischen den beiden Teilen.
Das Museum über den Slowakischen NationalaufstandBild: Stefan Sutka/Zoonar/picture alliance

Straßensperren und Polizeikontrollen mitten in der Slowakei: In Banska Bystrica, der sechstgrößten Stadt des EU-Landes finden am heutigen Donnerstag (29.08.2024) die Staatsfeiern zum 80. Jahrestag des Slowakischen Nationalaufstands (Slovenske Narodne Povstanie, SNP) statt. Tagelang wurde für die Militärparade geprobt. Fast drei Millionen Euro lässt sich die Regierung das Spektakel kosten. Mehr noch als sonst üblich wird das Ereignis in diesem Jahr medial begleitet und propagandistisch aufgeladen.

Der Slowakische Nationalaufstand begann Ende August 1944 in Banska Bystrica als bewaffnete Erhebung des Widerstands gegen die Naziherrschaft. Die Slowakei war damals ein klerikal-faschistischer Marionettenstaat von Hitlerdeutschlands Gnaden, geführt von dem katholischen Priester Jozef Tiso, dem Chef der Slowakischen Volkspartei (Slovenska Ludova Strana, SLS), deren Anhänger als "Ludaken" bezeichnet wurden. Der Aufstand richtete sich einerseits gegen die am 29.08.1944 beginnende deutsche Besatzung der Slowakei und andererseits gegen das Regime Tiso. Ende Oktober 1944 wurde die Revolte von deutschen Truppen und ihren slowakischen Helfern niedergeschlagen. Die verbliebenen Aufständischen kämpften bis zum Kriegsende 1945 als Partisanenbewegung im Untergrund weiter.

Der slowakische Präsident Jozef Tiso und der deutsche Polizeigeneral Hermann Höfle feiern in Banska Bystrica die Niederschlagung des Aufstands.Bild: CTK/picture alliance

Neben der Exilregierung in London und Widerstandsgruppen vor Ort wollten auch tschechische und slowakische Kommunisten im Moskauer Exil die 1939 von Hitler zerschlagene Tschechoslowakische Republik (CSR) wiederherstellen. Das führte nach dem deutschen Angriff gegen die Sowjetunion zur Kooperation mit dem Stalin-Regime und der Roten Armee.

Geschichtsschreibung im Brennpunkt

Im Zentrum der offiziellen Feiern steht das Museum des Slowakischen Nationalaufstands in Banska Bystrica, der Stadt, in der alles begann. Es wurde in den 1950er Jahren ins Leben gerufen. 1969 bekam es einen imposanten avantgardistischen Neubau, um vor allem das Narrativ der Kommunisten zu präsentieren: die dominierende Rolle der Roten Armee und der kommunistischen Partisanen.

1990 etablierte der aus freien Wahlen hervorgegangene Ministerpräsident Vladimir Meciar eine autoritäre, nationalistische und von den westeuropäischen Staaten als korrupt eingestufte Regierung. Zusammen mit dem tschechischen Regierungschef Vaclav Klaus trieb Meciar die Auflösung der Tschechoslowakei voran. Ab 1993 führte er die nun eigenständige Slowakische Republik in die internationale Isolation. 

Erst im Jahr 2004 konnte die Slowakei unter dem prowestlichen Regierungschef Mikulas Dzurinda der NATO und der EU beitreten. Das gesellschaftliche Klima taute auf und auch das im Museum des Nationalaufstands dargestellte Geschichtsbild veränderte sich.

Soldaten der Präsidentengarde hissen am 30.04.2004 in Bratislava die EU-FahneBild: picture alliance/dpa

Heute stellt das Museum den europaweiten Weg in faschistische Diktaturen im 20. Jahrhundert, die Tragödie des Holocaust und die ambivalente Rolle der Partisanen im Zweiten Weltkrieg dar. Auch die Geschichte der völkischen "Ludaken" als einzige im slowakischen Vasallenstaat zugelassene Partei, wird nicht ausgespart, und die Repressalien der deutschen Besatzer und ihrer slowakischen Helfer nach der Niederlage des Aufstands werden offen thematisiert. Selbst um die stalinistische Nachkriegsordnung inklusive Flucht und Vertreibung der deutschen Bevölkerung macht das Museum bislang keinen Bogen.

"Die Wahrheit kommt am Ende immer ans Licht"

Im Zuge der aktuellen Feierlichkeiten gerät nun der Aufstand wieder in den Brennpunkt der Auseinandersetzung zwischen fachlicher Aufarbeitung und politischer Instrumentalisierung. Die Rolle der westlichen Verbündeten dürfe nicht negiert werden, mahnten fünf ausländische Botschafter in der Slowakei. Sie verglichen den Impuls des Nationalaufstands mit dem heutigen Kampf der Ukraine gegen die russische Okkupation.

Die diplomatischen Vertreter Frankreichs, Rumäniens, Tschechiens, Großbritanniens und der USA veröffentlichten am Vortag des Gedenkens eine Erklärung, in der das sowjetische Geschichtsnarrativ entzaubert wird: "Die Historie ist kompromisslos, die objektive Wahrheit kommt am Ende immer ans Licht. Man weiß heute, dass die Rote Armee mit all ihrem Mut ohne die Hilfe des Westens in einer grundlegend anderen und viel schwierigeren Situation gewesen wäre."

Vereinnahmung durch die "Nachtwölfe"

Die Sorge der Botschafter ist begründet, denn 80 Jahre nach dem Aufstand rücken die historischen Tatsachen in den Fokus prorussischer Teile der slowakischen Regierung und Bevölkerung - eine der Folgen des rigiden Staatsumbaus, den Ministerpräsident Fico mit seiner rechtsnationalistisch geprägten Koalition betreibt. In dem tief gespaltenen Land agieren inzwischen offen die Befürworter von Putins Politik.

Um den Sieg der Roten Armee über Nazideutschland zu heroisieren, organisierte die kremltreue russische Motorradgang "Nachtwölfe MC" seit 2015 sogenannte "Siegesfahrten" nach Berlin. Der Chef des Europa-Ablegers der Motorradrocker ist der Slowake Jozef Hambalek. Seine Nachtwölfe donnerten zuletzt im Frühjahr 2024 durch mehr als 20 Orte in der Slowakei und Tschechien, in denen es Gedenkstätten oder Soldatenfriedhöfe gibt. Schon 2016 waren sie im Rahmen ihrer Fahrt auch auf dem Gelände des Museums für den Nationalaufstand in Banska Bystrica. Dort legten sie Kränze unter dem Denkmal mit der Aufschrift "Die Opfer mahnen" nieder.

Der russische Präsident Wladimir Putin zeigt sich gern mit den Nachtwölfen, hier mit deren Anführer Alexander Saldostanow in Sevastopol auf der KrimBild: ALEXEY DRUZHININ/AFP/Getty Images

Der Europäische Rat hatte Hambalek nach dem russischen Überfall auf die Ukraine im Februar 2022 auf die Sanktionsliste gesetzt, weil er enge Verbindungen zu Russlands Präsident Wladimir Putin unterhalte und Mitglieder seiner Motorradgang zum Kampf gegen die Ukraine ausbilde. Schon im Jahr 2017 hatte der 2018 ermordete Journalist Jan Kuciak auf Verflechtungen der Motorradrocker mit slowakischen Regierungskreisen und Ficos Partei Smer-SD hingewiesen.

Im Januar 2024 bat Ministerpräsident Robert Fico den deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz, Hambalek, von der EU-Sanktionsliste streichen zu lassen. Der slowakische Nachtwolf-Chef habe doch niemandem was getan, er liebe halt einfach nur Motorräder, so Fico.

Der slowakische Ministerpräsident Robert Fico und Bundeskanzler Olaf ScholzBild: Kay Nietfeld/dpa/picture alliance

Im März 2024 wurde Hambalek tatsächlich von der EU-Sanktionsliste gestrichen - ein "diplomatischer Erfolg" für Fico und seinen Außenminister Juraj Blanar, der sich gern beim Sekttrinken mit dem russischen Botschafter in Bratislava zeigt. Fico entschuldigte sich bei Hambalek und stellte ihm eine Entschädigung "für die Ungerechtigkeiten" in Aussicht. Dies hatte die Sorge verstärkt, die Nachwölfe könnten auch bei den diesjährigen SNP-Feiern in Erscheinung treten.

Prorussische Tendenzen unter Regierungschef Fico

Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine 2022 hatte die slowakische Regierung entschieden, zu Gedenkveranstaltungen für den Nationalaufstand keine offiziellen Vertreter Russlands mehr nach Banska Bystrica einzuladen. Daraufhin veranstaltete der damalige Oppositionsführer Robert Fico am Zentralfriedhof der Roten Armee im nur wenige Kilometer entfernten Zvolen eine Versammlung, bei der er mit dem russischen Botschafter Igor Bratschikov auf einer Bühne stand.

Inzwischen regiert Fico, der sich selbst als Antifaschist bezeichnet, die Slowakei wieder und schlägt einen prorussischen und autoritären Kurs ein. Seine Partei wurde bei den Wahlen im März 2023 mit knapp 23 Prozent der Stimmen stärkste Gruppierung im Parlament. Im Oktober 2023 wurde er an der Spitze einer Dreiparteienkoalition zum vierten Mal Ministerpräsident. Im Mai 2024 überlebte er knapp ein Attentat. Bei seinem ersten öffentlichen Auftritt danach beschuldigte er die Medien, gegen ihn zu hetzen und forderte "Verfassungsänderungen gegen die liberalen und progressiven Ideologien". 

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