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Politik

85 Prozent der Deutschen sind beunruhigt

6. Oktober 2022

Krieg in der Ukraine, Inflation, nicht mehr bezahlbare Energie: Die Deutschen sind massiv verunsichert - und unzufrieden mit der Politik. Das zeigt der ARD-Deutschlandtrend.

Deutschland | Demonstration gegen die Energiepolitik in Schwerin
Bild: Bernd Wüstneck/dpa/picture alliance

200 Milliarden Euro zusätzliche Kredite will die Bundesregierung aufnehmen, um die ungebremst gestiegenen Preise für Heizung und Strom abzufedern. Einen "Doppel-Wumms" und einen Abwehrschirm nennt das Bundeskanzler Olaf Scholz. Doch den großen Ankündigungen sind bislang keine Taten gefolgt. Um im Bild zu bleiben: Die Regierung hält den Schirm in der Hand, kann ihn aber nicht aufspannen, weil noch nicht klar ist, wie die Preisbremse funktionieren soll.

Die Inflation macht das Leben immer teurer und Energie scheint geradezu unbezahlbar zu werden. Das verunsichert die Bürger sehr. Seit dem russischen Überfall auf die Ukraine sind sie ohnehin in Krisenstimmung und offenbar findet die Politik in den Augen der meisten Menschen keine richtigen Antworten auf die drängenden Fragen. Das ergibt sich aus dem ARD-Deutschlandtrend, erhoben vom Meinungsforschungsinstitut infratest-dimap im Auftrag der Tagesthemen.

Frage: Wie zufrieden sind Sie mit der Arbeit der Bundesregierung in den folgenden Bereichen? Wie ist es mit ...?

Derzeit haben nur elf Prozent der Bürger Anlass, zuversichtlich in die Zukunft zu sehen. 85 Prozent sind beunruhigt. Im Deutschlandtrend ist das ein historischer Tiefstand. Parallel dazu ist die Zufriedenheit mit der Bundesregierung weiter gesunken. Nur noch 29 Prozent der Befragten sind mit der Arbeit der Koalition aus SPD, Grünen und FDP zufrieden. Das schlägt sich auch in den Umfragewerten nieder. Wenn am kommenden Sonntag Bundestagswahl wäre, hätte die Ampel-Regierung keine Mehrheit mehr.

Frage: Welche Partei würden Sie wählen, wenn am kommenden Sonntag Bundestagwahl wäre?

Waren 2021 trotz der Corona-Pandemie noch 59 Prozent der Bürger mit der wirtschaftlichen Lage zufrieden, sind es aktuell noch 20 Prozent. Ähnlich kritisch fiel das wirtschaftliche Urteil der Bundesbürger letztmalig im zeitlichen Umfeld der Finanzkrise 2009 aus. 53 Prozent der Wahlberechtigten rechnen damit, dass sich die ökonomische Situation binnen Jahresfrist noch weiter verschlechtert. Lediglich zwölf Prozent der Befragten glauben an eine Besserung.

Fast jeder fünfte Deutsche fürchtet aktuell um seinen Arbeitsplatz. Bei Personen mit geringerem Haushaltseinkommen sind es mit 42 Prozent der Befragten deutlich mehr. Mehr als die Hälfte der Bundesbürger ist in Sorge, dass sie angesichts stark steigender Preise ihre Rechnungen nicht mehr bezahlen könnten.

Frage: Machen Sie sich sehr große Sorgen, große Sorgen, wenig Sorgen oder gar keine Sorgen, dass Sie wegen der steigenden Preise Ihre Rechnungen nicht mehr bezahlen können?

Der Kriegsverlauf in der Ukraine sorgt ebenfalls für Verunsicherung in der Bevölkerung. 56 Prozent der Befragten fürchten, die Bundesrepublik könnte direkt in den Krieg hineingezogen werden. Eine Sorge, die am stärksten in den Reihen von Anhängern der AfD (68 Prozent) und der Linken (71 Prozent) ausgeprägt ist, die aber auch etwa jeden zweiten Unions-(56 Prozent) und SPD-Wähler (51 Prozent) umtreibt.

Gut sieben Monate dauert der Krieg nun an. Die Bundesregierung unterstützt die Ukraine militärisch, ist bei der Lieferung schwerer Waffen nach wie vor aber zurückhaltend. 47 Prozent der Befragten und damit vier Prozent mehr als im Juni finden das richtig, um Russland nicht zu provozieren. 43 Prozent (-7) fordern dagegen von der Bundesregierung eine größere Entschlossenheit und Härte gegenüber Russland. Im Sommer waren es noch 50 Prozent.

Frage: Zu welcher der beiden folgenden Positionen neigen Sie eher, wenn es um die militärische Unterstützung der Ukraine geht?

Dabei zeigen sich deutliche Unterschiede zwischen Menschen, die in den westlichen beziehungsweise östlichen Bundesländern leben. Im Westen sprechen sich 47 Prozent für ein entschlossenes Agieren aus, 44 Prozent sind für Zurückhaltung. Im Osten wünschen sich 60 Prozent Zurückhaltung, 31 Prozent sind für ein entschlossenes Agieren.

Keineswegs einiger sind sich die Deutschen auch in ihrer Haltung zu den Sanktionen gegen Russland geworden. Nach 34 Prozent im August betrachten derzeit 31 Prozent den Stand der Sanktionen als angemessen. 36 Prozent (-1) fordern dagegen weitergehende Schritte. Gestiegen ist die Zahl derjenigen, die die Sanktionen als zu weitgehend ablehnen von 21 Prozent im August auf nunmehr 24 Prozent (+3).

Frage: Russland ist Ende Februar in die Ukraine einmarschiert. Deutschland hat hierauf mit verschiedenen Schritten reagiert, darunter mit Sanktionen. Wie sehen Sie das? Sind die Sanktions-Maßnahmen gegen Russland angemessen? Gehen Sie zu weit? Oder nicht weit genug?

Der russische Präsident Wladimir Putin hat eine Teilmobilisierung verkündet und will bis zu 300.000 Reservisten zusätzlich an die Front schicken. Im Land geht allerdings die Angst um, dass es dabei nicht bleiben wird. Um der Einberufung zu entgehen, versuchen tausende Russen im wehrfähigen Alter, ihr Land zu verlassen. Im ARD-Deutschlandtrend wurde gefragt, ob sie in der Bundesrepublik Aufnahme finden sollten. 54 Prozent der Bürger sind dafür, 35 Prozent dagegen.

Frage: Sollte Deutschland grundsätzlich russische Kriegsdienstverweigerer aufnehmen oder nicht?

Angesichts der Krisenstimmung in Deutschland haben die Meinungsforscher diesmal auch die Einstellung der Bürger zum politischen System abgefragt. Grundsätzlich haben die Menschen ein hohes Vertrauen in die Demokratie. Eine Mehrheit der Westdeutschen und 75 Prozent der ostdeutschen Wahlberechtigten schätzen sie als gute Regierungsform.

Aktuell sind aber nur 51 Prozent der Bürger im Westen und 35 Prozent der Bürger im Osten damit zufrieden, wie die Demokratie in Deutschland funktioniert. 2020 waren noch zwei Drittel der Bundesbürger zufrieden. Aktuelle Gefahren sehen die Deutschen vor allem von innen. Jeder Fünfte nennt an erster Stelle Rechtsextremismus und Rechtspopulismus. Etwa jeder Zehnte verweist auf soziale Ungleichheit im Land, ebenso viele auf die Abgehobenheit des politischen Betriebs und dortige Fehlentscheidungen.

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