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9-Euro-Ticket: Mit Schnäppchen durchs Land

1. Juni 2022

Ab Anfang Juni können die Deutschen für neun Euro im Monat mit der Bahn fahren. Ein Großversuch mit Fragezeichen.

Themenbild 9-Euro-Ticket für Bus und Bahn
U-Bahn in MünchenBild: Frank Hoermann/SVEN SIMON/picture alliance

Es ist ein großer Feldversuch, vielleicht der größte verkehrspolitische in der Geschichte des Landes: Kann man den Menschen in Deutschland, angesichts hoher Spritpreise an den Tankstellen, den Umstieg auf die Bahn schmackhaft machen? 2,5 Milliarden Euro lässt sich die Bundesregierung das 9-Euro-Monatsticket kosten, das in allen Verkehrsverbünden und im Regionalverkehr der Bahn in den Monaten Juni, Juli und August gilt. Mit anderen Worten: Die Menschen können für 27 Euro ein Vierteljahr lang quer durch das Land reisen. Wenn sie Zeit und Geduld mitbringen. 

Denn für die schnellen Fernverkehrszüge wie etwa den ICE gilt das Ticket nicht. Aber theoretisch können die Bahnkunden mit Regionalzügen zum Schnäppchenpreis das ganze Land befahren. Zum Vergleich: Eine einfache Fahrt von Berlin nach Hamburg, an diesem Mittwoch gebucht, kostet rund 40 Euro. Allerdings im Schnellzug ICE.

Rund sieben Millionen Tickets sind schon verkauft 

Die Aktion ist Teil des Entlastungspakets der Regierung für die Bürger, welche die Folgen des russischen Angriffs auf die Ukraine immer mehr auch im eigenen Portemonnaie spüren, vor allem an den Tankstellen. Die Nachfrage ist groß, bestätigt auch Peter Cornelius vom Fahrgastverband "Pro Bahn" in Berlin.

Am einfachsten über das Smartphone buchen: das 9-Euro-Ticket für die BahnBild: Jörg Carstensen/dpa/picture alliance

Er sagt im Gespräch mit der DW: "Es gibt offenbar über das gesamte Bundesgebiet verteilt sieben Millionen Tickets, die schon gekauft wurden. Und wenn man die Menschen dazuzählt, die jetzt schon eine Abo-Karte haben, und deren Kosten ebenso auf die neun Euro reduziert werden, dann kommt man auf 30 Millionen Ticket-Kunden. Ob die alle das nutzen werden, ist eine andere Frage."

Cornelius: "Das Ticket wird vor allem touristisch genutzt"

Und auch, was dann konkret in den Zügen geschieht. Schon jetzt klagen viele Bahnnutzer gerade im Regionalverkehr über volle Züge und Verspätungen. Das Angebot wird aber nicht erweitert, nur weil es jetzt das preiswerte Ticket gibt.

Peter Cornelius vom Fahrgastverband "Pro Bahn" in BerlinBild: PRO BAHN

Peter Cornelius fürchtet, dass der Fahrschein zum Dumpingpreis möglicherweise vor allem von den Menschen genutzt werden wird, welche die Politik eigentlich nicht in erster Linie erreichen wollte: "Mein Eindruck ist, dass das 9-Euro-Ticket bis zu 80 Prozent als touristisches Angebot genutzt werden wird. Aber eigentlich war es ja ebenso wie der Tankrabatt für die Autofahrer dafür gedacht, dass den Pendlern, die tagtäglich mit dem Zug fahren, eine Ermäßigung gegeben wird."

So könnte, fürchtet nicht nur Cornelius, die Aktion am Ende gerade für Pendler einen negativen Aspekt haben: "Wenn man gedrängt wie in Sardinenbüchsen zur Arbeit kommt, ist man sicherlich damit nicht so zufrieden." Und fährt nach dem Ende der Aktion im September wieder mit dem Auto, trotz hoher Benzin-Preise. 

Aktion läuft geräuschlos an

Am Mittwoch, dem 1.Juni, dem ersten Tag der Gültigkeit des Tickets, ging es auf den Bahnhöfen in Deutschland aber erstmal entspannt los. In Hamburg, Nürnberg, Dresden und München berichteten die Verkehrsbetriebe von einem normalen Betrieb, auch in Berlin und Erfurt lief die Aktion ohne Chaos an.

Die Deutsche Bahn sprach von einer ruhigen Verkehrslage. "Die Züge waren gut gefüllt, man hat aber überall einen Platz gefunden. So soll das aber auch sein", sagte Sachsen-Anhalts Infrastrukturministerin Lydia Hüskens (FDP) auf dem Magdeburger Hauptbahnhof.

Aber ohnehin rechnen alle Beteiligten mit dem ersten richtigen Härtetest für die Billig-Aktion erst am kommenden Pfingstwochenende. Fürs Erste ist aber der Bahnbeauftragte der Bundesregierung, Michael Theurer, voller Optimismus: "Ich glaube, dass das ein echter Knaller wird", sagte der FDP-Politiker in Berlin zum Start der Aktion.

Und auch Peter Cornelius von Pro Bahn kann dem 9-Euro-Ticket erst einmal nur Positives abgewinnen: "Dass alle Beteiligten sich in so kurzer Zeit darauf geeinigt haben, das Ticket möglich zu machen, ist ein extremer Schritt. Das hätten doch vorher alle bestritten, dass das möglich ist."

Und dennoch bleiben einige Unwägbarkeiten: Zu Chaos könnten auch die ohnehin schon vielen Bauarbeiten bei der Bahn führen. Cornelius sagt: "Es gibt natürlich auch viele Baustellen, die jetzt im Sommer eingerichtet werden, und die schon geplant waren, als über das Ticket noch gar nicht gesprochen wurde. Und die man auch nicht verschieben kann."

Höhere Preise ab September?

Und auch der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), in dem die vielen privaten Anbieter auf dem Streckennetz der Bahn organisiert sind, glaubt nicht, dass die Bürger langfristig ab September auf Bus und Bahn umsteigen werden. Der Präsident der Organisation, Ingo Wortmann, sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland: "Ich sehe das Ticket durchaus positiv. Aber große Erwartungen habe ich nicht, dass es zum massiven Umstieg führen wird."

Wortmann warnte vor höheren Preisen nach den drei Monaten, in denen das Ticket gilt, weil der Bund Ausgleichszahlungen für steigende Spritpreise verweigere. Die Verkehrsbetriebe würden unter Druck stehen, die Kosten dafür müssten Nutzerinnen und Nutzer tragen. Ob das 9-Euro-Ticket also mehr als ein Strohfeuer sein wird, bleibt abzuwarten.

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