1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Ringen um neues 9-Euro-Ticket

19. September 2022

Kommt ein 9-Euro-Ticket-Nachfolger in Deutschland? In der Debatte zwischen Bund und Ländern um ein neues günstiges Ticket für den Nahverkehr geht es vor allem um Geld.

9-Euro-Ticket - Symbolbild
Das Ticket war sehr beliebt, manche fanden: zu beliebt, die Züge waren oft rappelvollBild: Arne Dedert/dpa/picture alliance

Es war eine Erfolgsgeschichte. Mitten in der Energiekrise und einer galoppierenden Inflation kam im Sommer das 9-Euro-Ticket für die ganze Republik. Die Politik der Koalitionsregierung hat wohl für kein anderes politisches Projekt so viel Zustimmung bekommen wie für das Schnäppchenticket. Einmal zahlen und ohne Grenzen Straßenbahn, Bus oder Regionalbahn statt Auto fahren. Freiheit - fast (Fernverkehrszüge waren ausgeschlossen) – ohne Grenzen und über alle Tarifzonen hinweg.

Nachfolger im neuen Jahr?

Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) hat es am Montag auf diese Formel gebracht: "Das Ticket war ein Erfolg. Wir müssen daran anschließen." Das sagte Wissing nach einer gemeinsamen Konferenz mit den Verkehrsministerinnen und Verkehrsministern der Bundesländer. "Es soll ein Nachfolgeticket geben. Das freut mich sehr", ergänzte Wissing. Denn auch die Vorsitzende der Verkehrsministerkonferenz, Maike Schäfer (B90/Grüne), stimmte ein: "Ja, wir sind bereit, am Anschlussticket mitzuarbeiten." Schäfer vertrat bei der Konferenz die Bundesländer, die sich nach dem Willen der Bundesregierung an den Kosten beteiligen sollen. Es ist ein Ja-Aber der Bundesländer für ein Ticket, das im Januar kommen und zwischen 49 und 69 Euro kosten könnte.

Den Ausflug in vollen Zügen genießen - dafür sorgte das 9-Euro-Ticket in zweierlei HinsichtBild: Stefan Ziese/imageBROKER/picture alliance

Die Zahlen sprechen für sich: 62 Millionen Menschen (Abonnenten mitgezählt) wollten das Ticket, das in den Sommermonaten Juni, Juli und August für jeweils 9 Euro pro Monat zu haben war. Die Mehrheit der Deutschen fordert, dass es schnell eine Nachfolgeregelung geben sollte. Beim Preis gehen die Meinungen auseinander: Rund 30 Prozent der Befragten wären bereit, monatlich 29 Euro für das Nachfolgeticket auszugeben. So das Ergebnis einer Umfrage des Instituts Civey im Auftrag der Bürgerbewegung Campact. Rund 20 Prozent würden auch 49 Euro für das Ticket zahlen. Eine Minderheit von 7 Prozent würde sogar 69 Euro pro Monat berappen. Tatsächlich hat das Ticket dazu geführt, dass die Deutschen häufiger ihr Auto stehenließen und es mal mit dem öffentlich Nahverkehr probierten.

Koalitionsstreit um die Bewertung des Billigtickets

Doch sehr schnell zeigte sich: In der Regierung wurde das 9-Euro-Ticket sehr unterschiedlich bewertet. Sozialdemokrat und Bundeskanzler Olaf Scholz nannte es einen "großen Erfolg". Das Ticket sei gut angenommen worden. Ganz anders der "Kassenwart" der Regierung, Bundesfinanzminister Christian Lindner von der FDP: Ein dauerhaftes 9-Euro-Ticket sei nicht finanzierbar. Er sei von einer "Gratismentalität à la bedingungsloses Grundeinkommen" im öffentlichen Nahverkehr nicht überzeugt. Im Jahr würde das 14 Milliarden Euro kosten, hatte Lindner durchrechnen lassen. Die Grünen, der dritte Partner in der Regierungskoalition, wollen das Billigticket unbedingt, weil es sich bei der Umweltbilanz positiv ausgewirkt habe.

Die Deutschen wollen das Billigticket zurück - Demonstration für die Wiedereinführung Ende August in MainzBild: Hannes P. Albert/dpa/picture alliance

Eines ist klar: Die Bundesregierung wird nicht mehr die Kosten für ein vergünstigtes Ticket komplett übernehmen. Auch die Bundesländer seien nun dazu aufgerufen, sich zu beteiligen, hatte die Regierung von Anfang an in der Nachfolge-Debatte klargemacht. Die wirtschaftliche Lage sei angespannt, die Kosten für Hilfs- und Unterstützungspakete für die Bevölkerung seien schon jetzt exorbitant, argumentiert die Regierung. Allein das gerade beschlossene dritte Entlastungspaket wird den Staat 65 Milliarden kosten. Davon sollen die Länder 19 Milliarden mitfinanzieren. Das Geld ist also bei Bund und Ländern knapp.

Der Bund bietet 1,5 Milliarden Euro

Nach der Konferenz der Verkehrsminister sagt Bundesminister Volker Wissing: "Wir (die Bundesregierung, d. Red.) haben 1,5 Milliarden Euro auf den Tisch gelegt." Damit soll das bundesweite Ticket unterstützt werden, wenn die Länder mindestens ebenso viel geben.

Dazu haben sich diese nun bereiterklärt - unter Vorbehalt. Bund und Länder sind sich zwar einig: Der marode Nahverkehr in Deutschland müsse ausgebaut und verbessert werden. Regulär stehen für den Ausbau der Infrastruktur in diesem Jahr 10,4 Milliarden Euro zur Verfügung, die schon im Bundeshalt festgeschrieben sind. Da müsse der Bund noch einmal drauflegen, forderten am Montag die Bundesländer. Denn durch die Corona- und Energiekrise seien auch bei den Ländern und den Verkehrsunternehmen die Kassen leer.

Vorreiter Hauptstadt - bei den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) gibt es ab Oktober verbilligte TicketsBild: Christophe Gateau/dpa/picture-alliance

In Berlin wollte man nicht länger warten, bis eine bundesweite Einigung gefunden ist. Der Berliner Senat aus SPD, Linkspartei und Grünen hat beschlossen, dass die Kunden ab Oktober wieder verbilligt fahren können, für 29 Euro im Monat. Allerdings zunächst nur in Berlin. Und nur in den Monaten Oktober bis Dezember, bis eine bundesweit geltende Nachfolgeregelung für das Sommer-Schnäppchen-Ticket kommt. Die Berliner Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) sprach von einer konkreten und schnellen Entlastung der Bürger in der Energiekrise. Aber natürlich hofft man auch in Berlin darauf, dass der Bund das Berlin-Ticket finanziell unterstützt.

Einigung im Oktober?

Die Umwelt- und Fahrgastverbände machen ebenso Druck auf die Bundespolitik wie die Bundesländer. Alle wollen einen besseren und bezahlbareren öffentlichen Nahverkehr und eine Nachfolge für das 9-Euro-Ticket. Aber eine ganz schnelle Einigung scheint auch nach dem Treffen der Verkehrsminister von Bund und Ländern nicht in Sicht. Eine Arbeitsgruppe solle nun zunächst Kompromisse erarbeiten. Die würden am 12. Oktober vorgelegt, zur nächsten Verkehrsministerkonferenz. Dann werde man weitersehen.

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen