Der Film "A Land Imagined" aus Singapur hat den Goldenen Leoparden von Locarno gewonnen. Der Preis für den besten Debütfilm ging an "Alles ist gut", den ersten Spielfilm der deutschen Regisseurin Eva Trobisch.
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Dass sich dieser Film durchsetzt, ist eine Überraschung. Der Goldene Leopard des 71. Internationalen Filmfestivals von Locarno geht nach Singapur - das gab die Jury unter Vorsitz des chinesischen Regisseurs Jia Zhang-ke bekannt. "A Land Imagined" von Regisseur Yeo Siew Hua aus Singapur ist eine Mischung aus Thriller, Lovestory und Baustellenreport. Der Film, der von Produzenten aus Singapur, Frankreich und den Niederlanden finanziert wurde, erzählt - desillusionierend in seiner Darstellung - eine Geschichte über moderne Sklaverei, über die ausbeuterischen Arbeitswelten Asiens.
Andra Guti und KI Joobong als beste Schauspieler geehrt
Unerwartet auch die Auszeichnung der besten Schauspielerin auf dem nach Berlin, Cannes und Venedig wichtigsten Filmfestival: Die junge rumänische Debütantin Andra Guti setzte sich hier durch - für ihre Rolle als rebellischer Teenager in "Alice T." (Rumänien/Frankreich/Schweiz).
Als Favoritinnen waren die US-Amerikanerin Mary Kay Place ("Diane") sowie die Türkin Damla Sönmez ("Sibel") gehandelt worden. "Sibel" ist eine auch mit deutschem Geld realisierte internationale Gemeinschaftsproduktion der Regisseure Cagla Zencirci und Guillaume Giovanetti.
Als bester Schauspieler - das war erwartet worden - wurde der Südkoreaner KI Joobong prämiert. Er bekam den Preis für seinen Part als alternder Dichter in "Das Hotel am Fluss" (Südkorea).
Der Spezialpreis der Jury ging an den einzigen Dokumentarfilm im Hauptwettbewerb: In "M" beleuchtet Regisseurin Yolande Zauberman das Problem des Kindesmissbrauchs in einer ultraorthodoxen Gemeinschaft in Israel. Und das fern jeder Sensationsgier. Der Preis für die beste Regie ging überraschend an die Chilenin Dominga Sotomayor. Sotomayors Gesellschaftspanorama "Zu alt, um jung zu sterben" blickt in die 90er Jahre zurück.
"Alles ist gut" gewinnt Nachwuchspreis
Auch Deutschland kann sich über einen Erfolg beim Festival im kleinen Ort in der italienischsprachigen Schweiz freuen. Der Preis für den besten Debütfilm im Wettbewerb der Sektion "Cineasti del presente" ("Filmemacher der Gegenwart") ging an "Alles ist gut". In ihrem ersten Spielfilm spiegelt Regisseurin Eva Trobisch darin feinfühlig das Leben einer jungen Frau in einer existenziellen Krise. Der deutsche Wettbewerbsbeitrag "Wintermärchen" von Jan Bonny ging dagegen leer aus. Er hatte zu den Favoriten auf den Goldenen Leoparden gehört.
"BlacKkKlansman" am beliebtesten beim Publikum
"BlacKkKlansman" von Spike Lee gewann den begehrten Publikumspreis. Zur Wahl standen hier Filme, die außerhalb aller Wettbewerbe in abendlichen Freiluftaufführung auf Locarnos Piazza Grande gezeigt wurden. Für die auf Tatsachen beruhende Anti-Rassismus-Satire hatte der populäre US-Regisseur im Mai dieses Jahres bei den Internationalen Filmfestspielen in Cannes bereits den Großen Preis der Jury bekommen.
Im zentralen Wettbewerb des Festivals am Schweizer Ufer des Lago Maggiore hatten sich 15 Beiträge aus aller Welt um den Goldenen Leoparden und die anderen Preise beworben. Viele der Filme überzeugten mit starken Geschichten und formaler Klasse. 2017 hatte die Dokumentation "Mrs. Fang" des chinesischen Regisseurs Wang Bing den Goldenen Leoparden bekommen.
Sollte das in den letzten Tagen sehr wechselhafte Wetter mitspielen, wird die Gala zur Preisverleihung am Samstagabend vor mehr als 8000 Zuschauern auf der malerischen Piazza Grande unter freiem Himmel stattfinden.
Locarno: Großes Kino auf der Piazza Grande
Bei der diesjährigen 71. Ausgabe des Schweizer Filmfestivals sind wichtige deutsche Filme in Locarno vertreten. Trotz gesellschaftskritischer Brisanz einiger Produktionen steht zeitloser Humor im Vordergrund.
Bild: picture-alliance/dpa/Keystone/U. Flueeler
Herzstück des Festivals: die Piazza Grande
Die Filmvorführungen auf der Piazza Grande gehören zu den Attraktionen in Locarno. Vor spektakulärer historischer Kulisse werden 2018 auf der größten Leinwand der Welt 17 Filme gezeigt. Neun davon sind im Rennen um den begehrten Publikumspreis. Auch der "Piazza Grande Award" des renommierten US-Filmmagazins "Variety" und der "Swatch First Feature Award" winken den hier gezeigten Filmen.
Bild: picture-alliance/dpa/Keystone/U. Flueeler
Komödie als Eröffnungsfilm: "Les Beaux Esprits"
Der Spielfilm des französischen Regisseurs Vianney Lebasque basiert auf einer wahren Geschichte: Der Trainer einer französischen Basketballmannschaft, in der Sportler mit geistiger Behinderung dabei sind, verliert einige Spieler und hat Angst, die nötigen Subventionen für seinen Verband zu verlieren. Er entscheidet sich fürs Schummeln und reist mit gesunden Spielern zu den Paralympics nach Sydney.
Bild: picture-alliance/dpa/Locarno Filmfestival
Große Leo McCarey-Retrospektive
Der US-amerikanische Regisseur, Drehbuchautor und Produzent war bereits erfolgreicher Filmemacher, als er 1926 auf die Idee kam, Stan Laurel (r.) und Oliver Hardy als Comedy-Duo auftreten zu lassen. Leo McCarey (1898-1969) hat eine beispiellose Hollywood-Karriere hingelegt. "Liberty" aus dem Jahr 1929 (Bild) ist nur einer von 109 Filmen, die in der McCarey-Retrospektive in Locarno laufen.
In dem Film des Düsseldorfer Regisseurs Jan Bonny träumt ein Trio von Rechtsterroristen von der ganz großen bundesweiten Aufmerksamkeit und verübt eine Reihe brutaler Anschläge. Angesichts des NSU-Prozesses hat "Wintermärchen" eine beklemmende Aktualität. Es geht in dem Film aber nicht nur um das Thema Rechtsextremismus. Hier kehrt sich "Liebe in Hass, Begehren in Mordlust", so der Pressetext.
Bild: picture alliance/dpa/Heimatfilm
"Was uns nicht umbringt"
Maximilian (August Zirner) ist Psychotherapeut und geschiedener Vater. Neben seinen Patienten sorgt er sich um seine Töchter, seine Ex-Frau und seinen schwermütigen Hund. Max' vertraute Welt gerät ins Wanken, als er die Geräuschemacherin Sophie kennenlernt. Sandra Nettelbeck ("Bella Martha") erzählt in ihrer Tragikomödie die Geschichte eines nicht mehr jungen Mannes in einer Lebenskrise.
Bild: ZDF/Mathias Bothor
"Alles ist gut"
In diesem Film ist nichts gut: "Alles ist gut" von Eva Trobisch handelt von einer Vergewaltigung und ihren Folgen. Trobisch und ihr Darstellerteam, allen voran Hauptdarstellerin Aenne Schwarz (l.), setzen mit großer Sensibilität das Thema im Film um. Beim Münchner Filmfest 2018 wurde Aenne Schwarz als beste Nachwuchs-Schauspielerin ausgezeichnet, Trobisch als beste Nachwuchs-Regisseurin.
Bild: Trimaphilm, Goetze Trauer
Ehrung für Meg Ryan und Ethan Hawke
In Welterfolgen wie "Harry und Sally" (l.) zeigte die US-Schauspielerin Meg Ryan mit ihrer unschuldig-verträumten Ausstrahlung viel feine Ironie und einen geistreichen Humor. Ein guter Grund für das Festival von Locarno, den Hollywood-Star mit dem "Leopard Club Award" zu ehren. US-Schauspieler Ethan Hawke erhält den "Excellence Award" und stellt in Locarno seinen neuen Film "Blaze" vor.
Bild: picture-alliance/dpa
Abschiedsvorstellung für Carlo Chatrian
Für den künstlerischen Leiter des Internationalen Filmfestivals von Locarno, Carlo Chatrian, ist die diesjährige Ausgabe seine letzte. Er wird ab 2019 die Leitung der renommierten Berlinale übernehmen, zusammen mit Mariette Rissenbeek als Geschäftsführerin. Eröffnet wird das Festival auf der Piazza Grande. Vom 1. bis 11.08. können die Besucher unter freiem Himmel Filme genießen.