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Vom Sofa ins Raubtiergehege - wenn Haustiere Zootiere retten

5. August 2025

Haustiere sind treue Gefährten und Statussymbole. Da wirkt der Aufruf eines dänischen Zoos recht befremdlich: Er bittet um lebende Haustiere als Futterspenden. Ein keiner Einblick in globale Tierliebe versus Natur.

Vier weiße Kaninchenbabys liegen nebeneinander auf dem Rasen.
Haustiere sind wahre Seelentröster - vor allem, wenn sie noch ganz klein sindBild: Petra Wegner/Zoonar/picture alliance

Würden Sie Ihr Kaninchen als Futterspende an einen Zoo abgeben? Es ist keine schöne Vorstellung, das geliebte Fellknäuel in den Fängen eines Löwen oder Eisbären zu sehen. Doch ein Zoo im dänischen Aalborg richtet sich nun offensiv an Haus- und Nutztierbesitzer: Gebt uns eure Tiere, wir verfüttern sie in unserem Zoo. Kleintiere wie Meerschweinchen, Kaninchen oder Hühner aber auch Pferde sind erwünscht.

Die Begründung: Viele Zootiere brauchen frisches, natürliches Futter, das möglichst artgerecht ist. Kleintiere aus privater Haltung sind dafür ideal. Für viele Tierfreunde ist das schwierig, zeigt es doch deutlich die Kluft zwischen der romantischen Haustierhaltung und der Realität der Natur.

Was ist ein Haustier - und ein Nutztier?

Haustieren geben wir Namen - und wir halten sie aus Zuneigung und Tierliebe. Sie sollen Gesellschaft leisten, Freude bringen, kuscheln oder einfach Spielpartner sein: Katzen, Hunde, Kaninchen, Meerschweinchen, Wellensittiche. Manche Menschen halten sich auch ein Hausschwein oder umgeben sich mit Echsen oder exotischen Spinnen. Haustierhaltung ist emotional, aber auch Lifestyle und Statussymbol.

Australian Shepherds haben eine "Arbeitslinie" und müssen Jobs erfüllen - und eine "Showlinie" - das sind Familienhunde zum Knuddeln und TobenBild: picture alliance / Martin Huber / picturedesk.com

Nutztiere dagegen erfüllen oft ganz praktische Funktionen - sie liefern Milch, Eier, Fleisch, Wolle oder sind reine Arbeitstiere: Sie bewachen den Hof und schützen die Herden. Oft haben sie keine Namen - die Bindung zwischen Mensch und Tier ist hier rein funktional.

Europa: Der Hund auf dem Sofa

Oft entscheidet der kulturelle Hintergrund, welche Tiere welchen Status haben. In Europa zählen Haustiere als vollwertige Familienmitglieder. Hunde schlafen auf Sofas und in Betten, Katzen erobern sich alle Plätze im Haus, Wellensittiche zwitschern aus dem Käfig. Fachgeschäfte für Tierbedarf sind inzwischen große Einkaufstempel. Es gibt Futterabos, Hundesalons, Pensionen und Tagesstätten für Hunde und Katzen.

Die aus Australien stammenden Wellensittiche zählen zu den beliebtesten Ziervögeln der WeltBild: Christin Klose/dpa/picture alliance

Für ihre Vierbeiner greifen die Menschen oft tief in die Tasche, für Versicherungen, bestes Futter und medizinische Versorgung. Laut dem Deutschen Tierärzteblatt gibt es allein in Deutschland über 10.000 Tierarztpraxen und etwa 180 Tierkliniken.

USA: Haustiere als Lifestyle-Ikonen

In den USA ist die Liebe zum Haustier noch etwas extremer. Auch hier gehören sie zur Familie, werden aber noch mehr vermenschlicht - sie werden zu kleinen Stars des Alltags. Laut dem Forbes Magazin besitzen rund 66 % der Haushalte mindestens ein Haustier, und die Ausgaben für Futter, Accessoires, Versicherung und medizinische Versorgung übersteigen inzwischen 130 Milliarden Dollar jährlich.

Petfluencerin Sunglass Cat, verkleidet als Rapperin Doja Cat bei der "Pet Gala" in New YorkBild: John Angelillo/UPI/Newscom/picture alliance

Es entstehen Trends, die in Europa (noch) als übertrieben belächelt werden: Für Hunde gibt es "Doga" (Yoga für Mensch und Tier), es gibt Birthday-Partys mit Hundetorten oder luxuriöse Wellness-Hotels für Katzen. Auf Instagram und TikTok haben sogenannte "Petfluencer" Millionen Follower - sie zeigen unter anderem Pelzmode, machen Werbung für Tierspielzeug oder Urlaub im Tierresort. Berühmte Beispiele für Haustiere mit Werbeverträgen sind die 2019 verstorbene Grumpy Cat, die durch einen Gendefekt ein mürrisches Gesicht hatte, Karl Lagerfelds Katze Choupette , der Mops Doug the Pug aus Tennessee oder Tik Tok-Star Bagel the Sunglass Cat.

Dieser Kult hat auch eine soziale Funktion: In einer zunehmend mobilen, urbanen Gesellschaft dienen Haustiere als emotionale Anker. Für viele Amerikaner ist das Tier nicht nur Begleiter, sondern Statement.

Indien: Vom Hof in die Wohnung

Ein Blick in einen anderen Teil der Welt: Früher dienten Tiere in Indien primär praktischen Zwecken - Hunde als Hauswächter, Ziegen und Hühner sorgten für Ernährung. Doch in den letzten Jahren hat sich die Situation stark verändert: Im Jahr 2023 hatten knapp 24 Millionen Haushalte in Indien Hunde oder Katzen. Branchenkenner schätzten damals, dass die Zahlen weiter nach oben gehen würden.

Im indischen Srinagar (Kaschmir) gibt es eine Tierklinik nur für KatzenBild: Mukhtar Khan/AP Photo/picture alliance

Haustiere sind auf dem Subkontinent oft ein Statussymbol. Dies gilt speziell für die kaufkräftige Mittel- und Oberschicht des Landes. Laut der Wirtschaftsförderungsgesellschaft Germany Trade & Invest geben immer mehr Inder horrende Summen für ihre Lieblinge aus: vom passenden Futter über Accessoires wie Leinen, Geschirre oder Spielzeug bis hin zur Pflege und Behandlung im Krankheitsfall.

Den Menschen scheinen ihre Tiere gut zu tun: Etwa 92 % der indischen Haustierbesitzer berichten über weniger Bildschirmzeit, besseren Schlaf und mehr Achtsamkeit dank ihrer Tiere, schreibt die Times of India.

In der Natur wird nicht gekuschelt

Dieses Löwenpaar im Zoo von Aalborg soll natürlich ernährt werden - mit FrischfleischBild: Ralf Hoppe/imageBROKER/picture alliance

Haustiere sind also längst zu Familienmitgliedern, Lifestyle-Objekten und Statussymbolen geworden. Umso bizarrer mag der Aufruf aus Dänemark wirken, seine Kaninchen, Hühner oder Ponys als Futterspende für Großkatzen, Schlangen und Raubvögel anzubieten. Doch er erinnert uns an eine oft verdrängte Wahrheit: In der Natur gibt es keine Kuscheltiere. Für einen Löwen ist ein Kaninchen keine geliebte Fellnase, sondern schlicht Beute. Zwischen emotionaler Haustierhaltung und der rauen Logik des Tierreichs klafft ein tiefer Graben - den der dänische Zoo in Aalborg nun sehr direkt sichtbar macht.

Silke Wünsch Redakteurin, Autorin und Reporterin bei Culture Online