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Ab wann wird die Luftfahrt grün?

21. November 2018

Immer mehr Menschen fliegen. Doch dies ist derzeit zugleich der schnellste Weg, die Erde aufzuheizen. Ein längerer Flug erzeugt schon mehr Klimagase als ein Mensch pro Jahr überhaupt verursachen sollte. Was ist zu tun?

Passagierflugzeug nach dem Start vom Flughafen Düsseldorf
Bild: picture-alliance/imageBroker

Wie schwer das Klimaziel von 1,5 Grad noch zu erreichen ist, machte der jüngste Report des Weltklimarates deutlich. Nur mit größten Anstrengungen ist dieses Ziel noch zu erreichen. Fast alle Lebensbereiche müssen wir dafür umkrempeln. "Wie wir wohnen, essen, uns fortbewegen", erklärt Klimaforscher Niklas Höhe vom NewClimate Institut.

Legt man das verbleibende CO2-Budget für das Klimaziel auf alle Menschen gleichmäßig um, so sollte jeder nicht mehr als zwei Tonnen CO2 pro Jahr emittieren. Das Fliegen wird so zu einem großen Problem.

Das Wachstum des globalen Flugverkehrs könne nicht mehr so weiter gehen. "Wir müssen zudem den fossilen Treibstoff vollständig durch einen Treibstoff aus erneuerbarem Strom ersetzen und müssen uns fragen, welcher Flug überhaupt noch nötig ist", so Harry Lehmann vom Umweltbundesamt (UBA). "Wir müssen uns fragen: Wie kann ich meine Transportbilanz verbessern? Zum Discobesuch auf die Insel am Wochenende ist da sicherlich absurd", sagte Lehmann der DW.

Ein weiter so geht nicht mehr

Magdalena Heuwieser von Stay Grounded, einem globalen Netzwerk zur Reduktion vom Flugverkehr, stimmt Lehmann grundsätzlich zu. Sie beschreibt das Dilemma in dem auch umweltbewusste Menschen stecken. "Das Fliegen ist ein sehr schwieriges und unangenehmes Thema. Für viele ist Fliegen inzwischen normal. Zudem ist es ein Statussymbol", sagt die Klimaaktivistin. "Nun geht es aber darum: Wie kriegen wir die Klimakrise in den Griff? Müssten wir eigentlich unsere Produktions- und Lebensweise verändern und auch unsere Art der Mobilität überdenken?"

Der Luftverkehr hat heute einen Anteil an der Klimaerwärmung von über fünf Prozent und ist der am schnellsten wachsende Verursacher von Treibhausgaseffekten. Ein Ende dieser Entwicklung ist noch nicht absehbar. Auch Luftfahrtexperten und Politiker haben das Problem erkannt und zeigen sich alarmiert.

Die Rekordtemperaturen im deutschen Sommer "haben gezeigt, was uns mit großer Wahrscheinlichkeit erwartet, wenn wir nicht entschlossen handeln, um das Fortschreiten der Erderwärmung auf die vom Weltklimarat dringend geforderten 1,5 Grad Celsius zu begrenzen", sagte die Umweltministerin von Nordrhein-Westfalen, Ursula Heinen-Esser (CDU), zum Auftakt der internationalen Konferenz für nachhaltige Luftfahrt namens Greener Skies Ahead in Bonn.

Rudolf Doerpinghaus, Präsident der International Asscociation for sustainable Aviation (IASA) und Organisator der Konferenz, prophezeit durch den Klimawandel Veränderungen in der Luftfahrtbranche. Wenn die Luftfahrt jetzt nicht rechtzeitig reagiere, "wird uns dies so treffen wie der Dieselskandal die Autoindustrie", warnt der Experte.

Klimafreundliche Kraftstoffe aus Wind- und Sonnenstrom 

Als wichtigen Schritt aus dem Klimadilemma sehen die Luftfahrtexperten auf der Konferenz den schnellstmöglichen Ersatz von fossilen Kraftstoffen durch synthetisch erzeugtem Treibstoff aus erneuerbarem Strom. Die Entwicklung von Elektroflugzeugen stecke dagegen noch in den Kinderschuhen. Mit Batterien angetriebene Flugzeuge werden also in den nächsten zwei Jahrzehnten nach Einschätzung von Experten nicht helfen, die Emissionen im Luftverkehr wesentlich zu senken. 

Die Herstellung von Kerosin aus Strom ist erprobt und technisch kein Problem. Mit Hilfe von Strom aus Wind-, Solar oder Wasserkraft wird aus Wasser in einer Elektrolyse klimafreundlich Wasserstoff gewonnen und in einem zweiten Schritt durch Zugabe von CO2 aus der Luft synthetisches Öl und auch Kerosin erzeugt.

Diese Öle, die nach dem sogenannte Power-to-Liquid (PtL) Verfahren hergestellt werden, gleichen dem Erdöl und lassen sich in der Luftfahrt problemlos verwenden. Die Erzeugung von Kerosin direkt aus Biomasse sehen Experten wegen der schlechten Klimabilanz und hohem Flächenverbrauch als nicht mehr zukunftsweisend.  

Nach Einschätzung von Experten ließen sich die PtL-Kraftstoffe in großen Mengen vor allem in den Ländern mit viel Sonne, Wind und Wasserkraft günstig produzieren. So soll im norwegischen Industriepark Heroya ab 2020 in einer größeren Anlage die industrielle Produktion von klimaneutralem Öl beginnen.

Werden die fossilen Brennstoffe auch in der Luftfahrt mit einem adäquaten CO2-Preis belegt, so würden sich solche Anlagen in vielen anderen Ländern rentieren. Die Kraftstoffe wären gegenüber Erdöl dann auch global konkurrenzfähig.

Mehr dazu: Klimaneutrales Öl aus Norwegen ab 2020

Wie lassen sich die zusätzlichen Treibhauseffekte vermeiden?

Ein besonders großes und zusätzliches Klimaproblem stellt der Flugverkehr in der Höhe dar. Neben CO2 entstehen hier zusätzliche Treibhauseffekte durch Kondensstreifen, Schleierwolken und Ozon. Beim derzeitigen Flugverkehr haben diese Zusatzeffekte eine etwa doppelt so hohe Klimawirkung wie das Kohlendioxid. Anders ausgedrückt: Zu jeder Tonne CO2 kommt noch eine Klimawirkung hinzu, die dem Ausstoß von zwei Tonnen Kohlendioxid entspricht. Diese klimarelevanten Zusatzeffekte entstehen auch beim klimaneutral erzeugten Kerosin.

Mit klimaoptimierten Flugrouten lassen sich die negativen Zusatzeffekte des Fliegens jedoch auch erheblich reduzieren und "sogar ins Gegenteil verkehren", sagt die Professorin für nachhaltige Technologien, Stefanie Meilinger, von der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg.

Steht zum Beispiel die Sonne während des Fluges hoch am Himmel, kann Strahlung durch Kondensstreifen auch ins Weltall zurückreflektiert werden. Viele Faktoren beeinflussen, ob der Flugverkehr eine wärmende oder kühlende Wirkung hat: Findet der Flug tags oder nachts statt? Wie steht es um die Luftfeuchtigkeit und wie hoch fliegt das Flugzeug?

Mehr dazu:  Wie funktioniert Klimaschutz mit optimierten Flugrouten?

In einer großangelegten Studie entwickelte Meilinger für Lufthansa Systems in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Zentrum für Luft und Raumfahrt (DLR) und dem Deutschen Wetterdienst ein entsprechendes Optimierungssystem für Flugrouten. Es könnte nach Einschätzung von Experten in den nächsten Jahren eingeführt werden.

Das größte Potential für den Klimaschutz hat dabei die Vermeidung klimaerwärmender Wolkenbildung. Möglich wäre es auch "besonders klimaschädliche Flugrouten für den Luftverkehr zu schließen", sagt Urban Weißhaar, Flugroutenexperte bei Lufthansa Systems. Aber auch ein Belohnungssystem für die Wahl von klimafreundlichen Flugrouten mit Hilfe eines Preisvorteils wäre laut Weißhaar denkbar. Fluggesellschaften, die diese Routen dann wählen und einen kleinen Umweg in Kauf nehmen, würden dafür belohnt und müssten weniger Gebühren zahlen. 

Expansion vor Klimaschutz

Eigentlich sollte die UN-Luftfahrtsorganisation ICAO Maßnahmen für den Klimaschutz entwickeln. Doch das vor zwei Jahren vorgestellte Konzept setzt weiter auf eine ungebremste Expansion des Luftverkehrs ohne Limit. Es liefert keine Strategie zum vollständigen Ersatz von fossilen Kraftstoffen und der Reduzierung zusätzlicher Treibhausgaseffekte von Flugzeugen in der Höhe.

ICAO-Sitzung in Montreal (2016): Expansion statt KlimaschutzBild: picture-alliance/the Canadian Press via AP/P. Chiasson

Das Abkommen sei "unambitioniert", betonte Peter Liese (CDU), zuständiger Berichterstatter im Europaparlament für die Einbeziehung des Flugverkehrs in den Emissionshandel (ETS). "Die realen Emissionen an der Quelle werden dadurch nicht reduziert", sagt Liese. "Dieses Abkommen wird keinen Tropfen Kerosin reduzieren", stimmt Bill Hemmings von der europäischen Umweltorganisation "Transport & Environment" zu.

Die ICAO will mit ihrem Konzept "CORSIA" ("Carbon Offsetting and Reduction Scheme for International Aviation") einen sehr kleinen Teil der Treibhausgasemissionen durch Klimaschutzprojekte ab 2021 kompensieren, nimmt aber in der Summe einen starken Emissionsanstieg in Kauf.

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und fünf weitere Umweltverbände fordern deshalb von der deutschen Bundesregierung dem Vorschlag nicht zuzustimmen und Vorbehalte gegen das Abkommen vorzubringen. CORSIA stehe im "klaren Widerspruch zum Ziel des Pariser Klimavertrags, die Erderwärmung  auf deutlich unter zwei Grad zu begrenzen, als auch zum EU-Klimaschutzziel von mindestens 40 Prozent Treibhausgasminderung für 2030", heißt es in einem aktuellen Schreiben an das Umweltministerium.

Wie lässt sich der Luftverkehr reduzieren? 

Bisher zahlt der Luftverkehr für die Klimaschäden nicht, wird weltweit subventioniert und ist von Steuern befreit. In Deutschland liegen diese Subventionen laut UBA bei rund 12 Milliarden Euro

Die international vereinbarte Steuerbefreiung von Kerosin hält Hansjochen Ehmer, Luftverkehrsforscher des DLR, für nicht hilfreich und zeitgemäß. Er plädiert dafür, dass die sogenannten externen Kosten auch von der Luftfahrt getragen werden, "wir zu einer Internalisierung der externen Kosten kommen. Das gilt dann natürlich für alle Verkehrsträger auf gleicher Basis."

Würden die Kosten für Schäden aus dem Luftverkehr in die Ticketpreise einfließen, so würde der Flugverkehr wieder teurer und andere Verkehrsmittel im Vergleich deutlich günstiger. Dann würden auch weniger Menschen fliegen nur um Geld zu sparen, anstelle Bus und Bahn zu nehmen. Arne Fellermann vom BUND hält aber auch ein grundsätzliches Verbot von Kurzstreckenflügen in Deutschland für denkbar. So könnten die gesetzten Klimaziele erreicht werden.

Protest gegen Flughafenausbau in LondonBild: Stay Grounded

Das internationale Netzwerk "Stay Grounded", zu dem auch der BUND gehört, fordert nicht nur die Abschaffung von Steuerprivilegien. Es müsste vielmehr in den Ausbau von Nachtzügen investiert werden, damit auch längere Strecken besser mit der Bahn bewältigt werden können, ohne das Flugzeug zu nutzen. 

Darüber hinaus fordert das Netzwerk einen Ausbaustopp von Flughafenprojekten weltweit. Politik und Unternehmen sollten eine Wirtschaft der kurzen Wege fördern und Werbung für den Luftverkehr sollte verboten werden. Als Vorbild sehen die Klimaschützer die Verbote von Tabakwerbung, um die Gesundheit der Bürger besser zu schützen.

 

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