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Politik

Abbas bemüht sich um Schadensbegrenzung

17. August 2022

Palästinenserpräsident Mahmud Abbas hat durch Äußerungen zum Holocaust in Deutschland und Israel für Empörung gesorgt. Nach Angaben der palästinensischen Nachrichtenagentur Wafa korrigierte er sich jetzt.

Deutschland PK Scholz Abbas in Berlin/ Symbolbild Schadensbegrenzung
Palästinenserpräsident Mahmud Abbas bemüht sich nach seinen Äußerungen in Berlin um KorrekturBild: Lisi Niesner/REUTERS

Laut einer Meldung der palästinensischen Nachrichtenagentur Wafa sagte Mahmud Abbas, bei der Pressekonferenz in Berlin habe er nicht die Einzigartigkeit des Holocaust infrage stellen wollen. Dieser sei "das abscheulichste Verbrechen der modernen menschlichen Geschichte".

Wortwahl in Berlin sorgt für Empörung

Abbas hatte am Dienstag in Berlin bei einer Pressekonferenz mit Bundeskanzler Olaf Scholz Israel einen vielfachen Holocaust an den Palästinensern vorgeworfen. "Israel hat seit 1947 bis zum heutigen Tag 50 Massaker in 50 palästinensischen Orten begangen", sagte er und fügte hinzu: "50 Massaker, 50 Holocausts."

Abbas sagte nun laut Wafa, er habe in Berlin nicht die Einzigartigkeit des Holocaust infrage stellen wollen. Gemeint habe Abbas vielmehr "die Verbrechen und Massaker gegen das palästinensische Volk, die Israels Streitkräfte seit der Nakba begangen haben", sagte Abbas den Angaben zufolge. "Diese Verbrechen haben bis zum heutigen Tage nicht aufgehört."

Bundeskanzler Scholz hatte bei dem Auftritt mit Abbas zunächst nicht Position bezogenBild: Janine Schmitz/photothek/picture alliance

Der historische Hintergrund: Aus einem Teil des britischen Mandatsgebiets Palästina wurde 1948 Israel. Die arabischen Nachbarn griffen den neuen Staat an. Im Zuge der darauf folgenden Kämpfe flohen rund 700.000 Palästinenser oder wurden vertrieben. Daran gedenken die Palästinenser jährlich als Nakba (Katastrophe).

Die Reaktion des Kanzlers

Scholz hatte die Äußerung von Abbas in der Pressekonferenz am Dienstagnachmittag nicht erwidert und ist dafür von Oppositionspolitikern scharf kritisiert worden. Erst am Abend sagte er der "Bild"-Zeitung: "Gerade für uns Deutsche ist jegliche Relativierung des Holocaust unerträglich und inakzeptabel."

Kurz darauf schrieb Scholz bei Twitter: "Ich bin zutiefst empört über die unsäglichen Aussagen des palästinensischen Präsidenten Mahmoud Abbas. Gerade für uns Deutsche ist jegliche Relativierung des Holocaust unerträglich und inakzeptabel. Ich verurteile jeden Versuch, die Verbrechen des Holocaust zu leugnen." Regierungssprecher Steffen Hebestreit räumte am Mittwoch Fehler bei der Reaktion auf Abbas' Aussage ein. Der Kanzler bedauere es, nicht direkt auf die Äußerungen reagiert zu haben. 

Zentralrat der Juden mit klarer Position

Der Zentralrat der Juden in Deutschland verurteilte die Holocaust-Äußerungen von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas, aber auch die zunächst fehlende Reaktion von Bundeskanzler Scholz. Mit der Relativierung der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik trete Abbas das Andenken an sechs Millionen ermordete Juden mit Füßen, erklärte Zentralratspräsident Josef Schuster.

Zentralratspräsident Josef Schuster bezog mit deutlichen Worten StellungBild: Frank Rumpenhorst/dpa/picture alliance

Gleichzeitig übte er deutliche Kritik an Scholz: "Dass eine Relativierung des Holocaust gerade in Deutschland bei einer Pressekonferenz im Bundeskanzleramt unwidersprochen bleibt, halte ich für skandalös."

Der Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, Volker Beck, forderte finanzielle Konsequenzen aus dem - so Beck wörtlich - "unverschämten Auftritt" von Abbas: Deutschland müsse seine Zuwendungen an die Palästinensische Autonomiebehörde davon abhängig machen, dass dort keine Prämien für antiisraelische Terroristen mehr gezahlt würden.

Erboste Reaktionen in Israel

Auch die israelische Regierung wies inzwischen den Holocaust-Vergleich scharf zurück. Dass Abbas Israel vorgeworfen habe, "'50 Holocausts begangen zu haben, während er auf deutschem Boden ist, ist nicht nur eine moralische Schande, sondern eine monströse Lüge", erklärte der israelische Regierungschef Jair Lapid. "Die Geschichte wird ihm niemals verzeihen." 

Israels Regierungschef Lapid nennt die Äußerungen von Abbas eine "monströse Lüge"Bild: lianceAbir Sultan/AP/picture al

Der israelische Verteidigungsminister Benny Gantz verurteilte die Äußerungen des Palästinenserpräsidenten ebenfalls. Wer Frieden wolle, "sollte nicht die Wahrheit verzerren und die Geschichte neu schreiben", warnte der Minister. Der Präsident der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem, Dani Dayan, nannte Abbas' Äußerungen "erschreckend". "Die deutsche Regierung muss auf dieses unentschuldbare Verhalten direkt im Bundeskanzleramt auf angemessene Weise reagieren", forderte Dayan.

Leugnung wie auch Relativierung des Holocaust sind antisemitisch

Nicht nur die Leugnung, auch die Relativierung des Holocaust gelten laut Definition der Internationalen Allianz für Holocaust-Gedenken (IHRA) als Antisemitismus. Das gleiche gilt für den Vergleich israelischer Politik mit der Terrorherrschaft der Nationalsozialisten. Die Bundesregierung hat sich 2017 der IHRA-Definition angeschlossen.

Im Holocaust, dem systematischen Völkermord der Nationalsozialisten an den europäischen Juden, wurden etwa sechs Millionen Menschen in der Tötungsmaschinerie der Lager ermordet. Nicht nur die große Zahl der Ermordeten, auch der industrielle Maßstab der Vernichtung gelten als einzigartig in der Geschichte.

In der Bundesrepublik, dem Land der Täter, gehört das Gedenken an den Holocaust zum Selbstverständnis der Nation; dieses Gedenken wachzuhalten gilt als Staatsräson. Das Denkmal für die ermordeten Juden Europas liegt nur wenige Meter von Reichstag und Brandenburger Tor entfernt im Herzen Berlins - und nur zehn Gehminuten vom Kanzleramt, in dem Abbas seinen Vergleich gemacht hat.

haz/sti/Phi (dpa, ap, kna)