Abbau von Lithium in der Ukraine: Chance oder Risiko?
15. April 2025
In Polochiwka scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. Nur eine Handvoll Menschen lebt hier, die Häuser sind leer und verfallen, Stoppelfelder ziehen sich bis zum Horizont. Im Nachbardorf Kopanky sieht es nicht anders aus, hier gibt es fast nur noch verlassene Häuser. Im gesamten Jahr 2024, erzählen die wenigen im Ort verbliebenen Menschen, wurde hier nur noch ein Kind geboren.
"Ich habe 1976 hier angefangen zu arbeiten", erzählt der Rentner Wolodymyr aus Kopanky. "Ich war der 400. Arbeiter in der Kolchose, und jetzt gibt es wahrscheinlich nicht einmal 100 Einwohner. Es gibt nur noch Beerdigungen, keine Hochzeiten, nichts ist mehr wie früher." Die Menschen verließen Kopanky, weil sie keine Arbeit mehr hatten. Heute verkehrt hier nur noch zweimal pro Woche ein Bus.
Dass Donald Trump jemals von Polochiwka oder Kopanky gehört hat, ist eher unwahrscheinlich. Und doch dürfte der US-Präsident ziemlich scharf auf diese Gegend sein - oder vielmehr auf das, was unter der Erde liegt. Hier, mitten in der Zentralukraine, befindet sich eines der größten Lithiumvorkommen im Land.
Rohstoffdeal mit den USA lässt auf sich warten
Dieses Lithium könnte Teil des sogenannten Rohstoff-Deals zwischen der Ukraine und den USA werden. Ein erster Versuch, diesen unter Dach und Fach zu bekommen, war im Februar gescheitert, und noch immer haben sich beide Seiten nicht auf eine endgültige Version des Abkommens einigen können. Die jüngsten Gespräche in der zweiten Aprilwoche in Washington sind nach ukrainischen Angaben "konstruktiv" verlaufen. Einzelheiten wurden nicht bekannt. Die ukrainische Justizministerin Olha Stefanischyna wertete es im ukrainischen Fernsehen jedoch als ein "positives Zeichen an sich, dass Konsultationen stattfinden".
Dass es Lithium in der Ukraine gibt, ist seit den 1970er Jahren bekannt. Das Vorkommen unter Polochiwka und Kopanky ist aber das einzige, das bereits nach heutigen Standards erforscht wurde. Alle anderen Erschließungen gehen noch auf die Sowjetzeit zurück. Abgebaut wurde Lithiumerz in der Ukraine allerdings bislang noch nie.
Kein Lithium-Abbau in Sicht
2017 erhielt das ukrainische Unternehmen UkrLithiumMining die Erlaubnis, das Vorkommen in Polochiwka zu erschließen. Seit der jüngsten Untersuchung zwischen 2018 und 2020 gilt das Vorkommen mit geschätzten 40 Millionen Tonnen Lithium als das größte Europas.
Der Direktor des Unternehmens, Mychajlo Hejtschenko, sagte im ukrainischen Fernsehen, erste teils über 600 Meter tiefe Probebohrungen versprächen für einen Zeitraum von 20 Jahren einen Abbau von bis zu anderthalb Millionen Tonnen Erz pro Jahr. Weiter ist das Unternehmen aber noch nicht gekommen, denn laut der Gemeinde Smoline, zu der Polochiwka und Kopanky gehören, finden vor Ort derzeit keine Arbeiten statt.
Dass die Abbaupläne nicht vorankommen, macht den örtlichen Behörden Sorgen. Schon im Jahr 2023 bezeichneten die Abgeordneten des Dorfrats das Vorgehen von UkrLithiumMining als unbefriedigend. "Der Gemeinderat von Smoline will, dass das Unternehmen seine Arbeit hier intensiviert. Wir haben die Firma auch gebeten, soziale Fragen, die der Gemeinde wichtig sind, zu besprechen. Aber bis heute hat sich nichts getan", so der Gemeindevorsteher von Smoline, Mykola Masura.
In einer im März auf der Website des Unternehmens erschienenen Erklärung hieß es, dass das Polochiwka-Vorkommen dem ukrainischen Volk gehöre, das Unternehmen aber eine Genehmigung zur Erschließung erhalten und dafür umgerechnet rund 2,6 Millionen Euro gezahlt habe.
Angst vor Umweltschäden durch Lithium-Ausbeutung
Die Menschen vor Ort, mit denen die DW sprach, hoffen unterdessen weiterhin darauf, dass ein künftiger Abbau Arbeitsplätze in die Region bringt. Gleichzeitig fürchten sich manche vor den Umweltfolgen. "Wir sind nicht dagegen," sagt Tetjana aus Kopanky, "aber es muss dafür gesorgt werden, dass wir nicht ohne Wasser und Straßen dastehen, dass unsere Infrastruktur ausgebaut wird. Natürlich möchten wir, dass dies schnell passiert und Geld in den Haushalt der Gemeinde fließt."
Die Befürchtung, Wasser könnte knapp werden, teilt auch der Dorfvorsteher von Smoline, Mykola Masura. "Letztens haben wir erfahren, dass UkrLithiumMining Brunnen unterschiedlicher Tiefe bohren und das Wasser daraus für eigene Zwecke nutzen will. Das wäre eine Katastrophe, denn im Umkreis von mehreren Kilometern könnten die Brunnen der Menschen versiegen. Das Wasser wird schon jetzt wegen des Klimawandels und anderer Faktoren in den Brunnen knapp, auch Teiche trocknen aus", beklagt er.
UkrLithiumMining hatte sich bereits im Herbst 2024 auf seiner Website zu möglichen Folgen für die Umwelt geäußert. Das Unternehmen habe die Auswirkungen der Erschließung geprüft. Schon nach der Veröffentlichung dieses Berichts auf der ukrainischen Seite der DW teilte UkrLithiumMining per Mail mit, dass die Wasserentnahme für technische Zwecke im Falle einer Erschließung des Polochiwka-Vorkommens "keine Auswirkungen auf die von der Gemeinde genutzten Quellen haben wird".
Zum Vorwurf, die Arbeiten zu verzögern, hieß es: "Im April 2024 hat das Unternehmen die vorläufige Machbarkeitsstudie abgeschlossen, eine wichtige Etappe auf dem Weg zur Erschließung des Vorkommens. Derzeit wird die nächste wichtige Phase vorbereitet - die endgültige Machbarkeitsstudie."
Erste Projekte eines Rohstoffabkommens?
Insgesamt wurden in der Ukraine bisher vier Lithiumvorkommen erforscht. Zwei davon befinden sich in den von Russland besetzten Gebieten - das Kruta-Balka-Vorkommen in der Region Saporischschja und das Schewtschenko-Vorkommen in der Region Donezk. Zwei weitere liegen in der Zentralukraine - das bei Polochiwka und ein weiteres bei Dobra. Letzteres gilt als noch vielversprechender. Laut dem ukrainischen Geologen Bohdan Slobodjan wurde es noch zu Sowjetzeiten untersucht. Demnach könnte es doppelt so groß sein wie das in Polochiwka. Aktuelle Forschungen dazu gibt es allerdings nicht.
Anfang März berichtete die "Financial Times", dass das irische Unternehmen TechMet an der Erschließung des Dobra-Vorkommens Interesse habe und sich an einer Ausschreibung beteiligen wolle. TechMets Partner sei der Milliardär Ronald Lauder, ein Freund von US-Präsident Donald Trump.
Dem Bericht nach könnte es sich um eines der ersten Projekte im Rahmen des Rohstoffabkommens zwischen den USA und der Ukraine handeln - sofern dieses unterzeichnet wird. Möglicherweise käme dann auch Bewegung in den geplanten Lithiumabbau bei Polochiwka.
Adaption aus dem Ukrainischen: Markian Ostaptschuk