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"Wir werden von zwei Seiten angegriffen"

Naomi Conrad, Berlin 8. Oktober 2014

In Kobane versuchen kurdische Kämpfer den Angriffen der IS zu widerstehen. Doch mit ihren leichten Waffen kommen sie kaum gegen die Panzer und Raketen an, sagt Asia Abdullah, Vorsitzende der kurdischen Partei in Syrien.

Asia Abdullah Osman (Foto: kurdisches Zentrum für Öffentlichkeitsarbeit)
Bild: Civaka Azad

Deutsche Welle: Frau Abdullah, gehen die Kämpfe bei Ihnen in Kobane ununterbrochen weiter, trotz der amerikanischen Luftangriffe?

Asia Abdullah Osman: Hier finden momentan schwere Gefechte statt, wir werden von zwei Seiten angegriffen. Die größte Gefahr geht vom Berg vor Kobane aus, weil die IS-Milizen ihre Panzer und Raketen dort stationiert haben und von dort aus die Stadt angreifen. Der IS hat seine ganze militärische Macht um Kobane versammelt. Die IS-Kämpfer erhalten Nachschub aus Rakke und anderen syrischen Städten, die unter ihrer Kontrolle stehen. Es stimmt zwar, dass die amerikanischen Luftangriffe ein paar wichtige IS-Stützpunkte getroffen haben, aber die Kämpfe gehen trotzdem weiter.

Ist Kobane ohne Bodentruppen überhaupt zu verteidigen?

Wir kämpfen seit einem Jahr gegen die IS-Milizen. Aber seit drei Wochen sind die Kämpfe besonders heftig, weil der IS seine Angriffe verstärkt hat. Wir haben nur leichte Waffen. Wie sollen wir damit gegen die Panzer und Raketen ankommen? Seit vier Tagen kämpfen wir ununterbrochen. Aber wir geben nicht auf, wir machen weiter, solange es die ISIS gibt. Tausende Zivilisten sind noch in Kobane und wenn wir sie nicht verteidigen, dann werden sie hingerichtet. Wir brauchen dringend Hilfe von außen: Die internationale Gemeinschaft muss die schweren Waffen des IS zerstören. Wir wollen genau die gleiche Hilfe wie die Kämpfer im Irak, die dort gegen den IS kämpfen.

Sie kämpfen ununterbrochen? Gehen Ihnen die Waffen und Munition aus?

Nein, noch nicht. Wir erhalten Nachschub. Viele Leute sagen, dass Kobane fallen wird, dass Kobane nicht durchhalten kann. Aber wir werden weiter kämpfen. Wir werden alle Mittel einsetzen, die wir haben, damit wir die Menschen vor einem Massaker bewahren können. Weil wir gegen die schweren Waffen des IS nicht ankommen, weil wir die Panzer des IS mit unseren Waffen nicht zerstören können, müssen sich jetzt unsere Kämpfer opfern und Selbstmordattentate begehen – so wie die junge Kämpferin, die das vor drei Tagen getan hat.

Die Milizen des "Islamischen Staates" rücken immer weiter vor

Wie viele Zivilisten befinden sich derzeit noch in Kobane? Ist es möglich, sie zu evakuieren?

Es gibt hier Tausende Menschen, die aus ihren Dörfern geflohen sind, als sie von den IS-Kämpfern überrannt wurden. Ich kann Ihnen aber keine genaue Zahl nennen, wir sind im Krieg, da kann keiner die Menschen zählen. Viele von ihnen greifen übrigens selbst zu den Waffen, um sich zu verteidigen.

Gibt es genug Wasser und Nahrung für die Zivilisten?

Die humanitäre Lage ist sehr schlecht. Seit März haben wir kein fließendes Wasser und keinen Strom mehr, weil die Werke in den Stadtteilen sind, die vom IS kontrolliert werden. Wir haben nur ein paar Brunnen. Auch die medizinische Versorgung ist schlecht. Wir haben bislang überhaupt keine humanitäre Hilfe von der internationalen Gemeinschaft erhalten. Wir versuchen, Frauen und Kinder zu evakuieren, und auch die alten Leute. Aber viele fragen sich: Wo sollen wir hin? Die Türkei lässt viele Flüchtlinge nicht über die Grenze. Deshalb entscheiden sich viele, hier in Kobane zu bleiben.

Werden auch Sie zur Waffe greifen?

Hier in Kobane herrscht Krieg. Die IS-Kämpfer unterscheiden nicht zwischen Kämpfern und Zivilisten, sie töten alle. Frauen sind besonders gefährdet. Die kurdischen Kämpferinnen erschießen sich lieber, als in die Hände des IS zu geraten. Wir müssen uns verteidigen und unsere Leute verteidigen. Das ist unsere Pflicht.

Die Frauenrechtlerin Asia Abdullah Osman gehört zu den Gründungsmitgliedern der PYD, der größten kurdischen Partei in Syrien. Seit 2001 ist sie gemeinsam mit Salih Müslim Vorsitzende der Partei.

Das Gespräch führte Naomi Conrad.

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