1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Abenteuer Schachprofi: Vincent Keymer greift an

2. Januar 2022

Er ist erst 17 Jahre alt - aber schon Vize-Europameister und inzwischen Deutschlands bester Schachspieler: Vincent Keymer. Auf den deutschen Nachwuchs-Star warten im Jahr 2022 große Aufgaben.

Reykjavik Schach-EM: Vincent Keymer Porträt
Vincent Keymer: Ist der Vize-Europameister bald sogar WM-Kandidat?Bild: Thorsteinn Magnusson/Reykjavik Open 2021

Mehr Schule und weniger Schach - das hatte sich Vincent Keymer eigentlich für den Jahreswechsel vorgenommen. "Seit Juni habe ich viele Turniere gespielt: Deswegen bin ich nicht so oft in der Schule gewesen und habe viel verpasst", erzählt der 17-jährige. Doch aus dem Plan, sich ausschließlich auf das Abitur zu konzentrieren, wird nun nichts. Denn der Schüler hat sich vor einigen Wochen einen Platz in der Grand-Prix-Serie des Weltschachbundes erkämpft, einem Qualifikationsturnier für die nächste Schach-WM. Schon im Februar geht es los. Die schriftlichen Abitur-Prüfungen seien zum Glück schon im Januar durch, so Vincent Keymer im Gespräch mit der DW. "Ich werde mich so gut es geht trotz der Schule auf die Turniere vorbereiten." 

Fast immer der Jüngste

Schach macht Spaß: Vincent KeymerBild: Thomas Lemmer/DW

Vincent Keymer (Leistungskurse Mathematik, Englisch, Deutsch) ist der erste Deutsche seit fast 50 Jahren, der in die Nähe eines Weltmeisterkampfes kommen könnte. Dass dies schon im nächsten Jahr klappt, ist eher nicht zu erwarten. Denn in der Grand-Prix-Serie, die in Berlin und Belgrad ausgetragen wird, muss er gegen 23 Weltklasse-Spieler antreten. Nur zwei von Ihnen werden sich am Ende für das Kandidatenturnier qualifizieren, bei dem der nächste Herausforderer von Abonnement-Titelträger Magnus Carlsen ermittelt wird.

Keymer ist im Grand-Prix mit Abstand der Jüngste. "Ich bin noch nicht in der Weltspitze", sagt er. Der genauso selbstbewusst wie besonnen wirkende Schüler schätzt seine aktuelle Position realistisch ein: "Man muss ja feststellen, dass es nur wenige Spieler überhaupt irgendwann einmal schaffen, in ein Kandidatenturnier für die Weltmeisterschaft zu kommen."

Kontrollierte Offensive

Dabei beeindruckt Keymer inzwischen auch gegen Spitzenspieler mit gut ausbalanciertem Offensivschach. Und wenn es am Ende kompliziert wird, behält er meistens die Übersicht. Beim Elite-Turnier "Grand Swiss" in Riga im November lief es besonders gut für Keymer. So gut, dass nicht nur ein sensationeller fünfter Platz und rund 15.000 Dollar Prämie heraussprangen, sondern auch die weitere Teilnahme an der WM-Qualifikation. Dennoch: Der jetzt beste deutsche Schachspieler liegt in der Weltrangliste aktuell auf Platz 74 und damit noch ein Stück unter der absoluten Spitze: "In dieser Altersgruppe gibt es international sehr viele starke Spieler", ordnet der in Deutschland lebende Top-Trainer Rustam Kasimjanov ein: "Es ist noch nicht klar, wer es in die Top-Zehn schafft."

2019 noch eine Nummer zu groß: Weltmeister Magnus Carlsen (Norwegen)Bild: GIUSEPPE CACACE/AFP

Keymer hat jedenfalls gute Chancen, ganz nach oben zu kommen. Schon mit zehn Jahren hat er den ersten Großmeister besiegt. Mit 14 Jahren erlangte er selbst diesen Titel. In diesem jungen Alter war das noch keinem Deutschen vor ihm gelungen. Und als er Ostern 2019 zum ersten Mal gegen Magnus Carlsen antrat, rangen die beiden über sechs Stunden lang miteinander -  bis der Weltmeister sich doch noch knapp durchsetzte.

Corona fürs Training genutzt

Im März 2020 dann die Zäsur: Auch der Schachsport ging in den Lockdown. Für den Gymnasiasten aus dem Weinstädtchen Saulheim in der Nähe von Mainz (Rheinland-Pfalz) war vor allem schnelles Online-Schach und viel Training angesagt. Eher eine Notlösung: "Ich finde, dass das Spiel mit langer Bedenkzeit das ist, was Schach ausmacht", sagt das Ausnahmetalent, "deshalb habe ich mich auch gefreut, als jetzt die Live-Turniere wieder angefangen haben."

Dass er die Corona-Zwangspause gut genutzt hat, zeigte sich 2021 schnell. Von Turnier zu Turnier steigerte sich der deutsche Nachwuchs-Star. Spätestens nach dem zweiten Platz bei der Europameisterschaft in Island war in der Schach-Szene klar: Keymer hat einen großen Leistungssprung gemacht. Dabei kann er selbst nicht so genau sagen, warum er sich zuletzt so verbessert hat: "Es hat mir auf jeden Fall gut getan, die vielen Turniere am Stück zu spielen", erklärt Keymer, der von einem ehemaligen WM-Finalisten, dem Ungarn Peter Leko, trainiert wird: "Ich war ziemlich tief in der Materie drin und konnte mich intensiv damit beschäftigen."

Suche nach Sponsoren

Wie es nach dem Abitur für Keymer weitergeht, steht schon fest: Der 17-Jährige will sich voll auf das Schachspielen konzentrieren. "Solange man zu Schule geht, kann man das nicht als Profi-Sport betrachten. Das wird nach dem Abi dann anders sein" Abenteuer Schachsport: Von den im Schach nicht gerade üppigen Preisgeldern allein können nur absolute Spitzenspieler leben. "Wir suchen noch nach einem weiteren Sponsor", berichtet Keymer, der bisher von einem börsennotierten Leasing-Unternehmen und dem Deutschen Schachbund unterstützt worden ist. "Es ist wichtig, dass man irgendwann Geld verdient, das ist klar," so der angehende Abiturient, "aber im Augenblick steht noch meine Ausbildung am Schachbrett im Mittelpunkt."

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen