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Jugendliche im Elend

Ajete Beqiraj16. April 2012

Wie stark Kinder unter der Abschiebung ins Kosovo leiden, entlarvt eine neue UNICEF-Studie. Auch der in Deutschland geborene Ardian Canajs wurde zur Rückkehr gezwungen und fühlt sich in der Heimat seiner Eltern fremd.

Ardian Canajs
Bild: DW

Das Stadtviertel versinkt im Müll, ganze Abfallberge werden achtlos auf den Straßen verbrannt. Das trostlose Armenviertel in Peja, im Westen des Kosovo soll jetzt Ardian Canajs neues Zuhause sein. Der 20-Jährige ist in Deutschland geboren und aufgewachsen, wurde aber vor sieben Monaten in die Heimat seiner Eltern abgeschoben. "In Deutschland bin ich in die Schule gegangen, doch hier ist damit Schluss. Ich muss arbeiten, um meine Miete zu zahlen", erklärt Ardian Canajs. Doch er verdient nur 100 Euro im Monat – und allein für die Miete braucht er 120. "Ich fühle mich richtig schlecht hier. Ich habe weder Familie, noch sonst jemanden, der mir nahe steht. Hier sehe ich keine Zukunft für mich", sagt der junge Mann.

Jeder Vierte denkt an Selbstmord

Seit 2009 darf Deutschland Kosovaren abschieben. Zudem unterschrieb 2010 der damalige Innenminster Thomas de Maizière (CDU) ein Rückführungsabkommen mit der Republik Kosovo, durch das bis zu 12.000 Angehörige von Minderheiten auf den Balkan zurückkehren sollen. Darunter sind auch 6000 Kinder und Jugendliche aus den verschiedenen Volksgruppen. Denn das Kosovo gilt mittlerweile als sicheres Land. Das UN-Kinderhilfswerk UNICEF fordert jetzt, dass auf eine Abschiebung von Kindern und Jugendlichen verzichtet werden soll, wenn diese die psychische und körperliche Gesundheit der Betroffenen beschädigt.

Leben im Armenviertel in PejaBild: DW

Das ist fast immer der Fall, zeigt die UNICEF-Studie "Stilles Leid", die Ende März in Berlin vorgestellt wurde. "Die Jugendlichen leiden häufig an Depressionen", erklärt die Sozialwissenschaftlerin Verena Knaus von UNICEF. "Wir haben Kinder, die unter Angstzuständen leiden, die sich sogar mit konkreten Selbstmordgedanken quälen: Einer von vier will sich das Leben nehmen."

Probleme sind sichtbar

Shkëlzen Rama, ein 52-Jähriger aus der Gegend, in der jetzt auch der junge Ardian wohnt, hat die Probleme der abgeschobenen Jugendlichen und Kinder oft mitbekommen: "Sie können sich kaum in unsere Gesellschaft integrieren: Wer in Deutschland geboren und aufgewachsen ist, spricht meistens kaum Albanisch." Auch die Unterschiede im Lebensstandard sind kaum zu überbrücken: "Unsere Kinder geben sich mit einem Stück Brot und einer Paprikaschote zufrieden, aber was können wir jungen Menschen geben, die im Westen aufgewachsen sind und an Pizza und Eis am Stiel gewöhnt sind?"

Shkëlzen Rama - "Was können wir ihnen bieten?"Bild: DW

Armut und Diskriminierung

Das Kosovo ist das ärmste Land Europas, mit einer Arbeitslosigkeit von 40 Prozent. Doch für Ardian geht es um noch mehr als Armut. Seine dramatische Lage wird durch seinen ethnischen Hintergrund zusätzlich erschwert: Er gehört zur Minderheit der sogenannten Kosovo-Ägypter. Genau wie Angehörige der Roma und Aschkali werden diese von serbischer und albanischer Seite abfällig als "Zigeuner" bezeichnet. Kosovo-Ägypter berufen sich auf ägyptische Wurzeln und die Gruppe der Aschkali auf persische. Kurz nach dem Krieg wurden Angehörige aller drei Gruppen von den Albanern vertrieben, weil man ihnen vorwarf, mit den Serben kollaboriert zu haben. Solche Vorwürfe führen auch heute noch zu Fällen von Diskriminierung der Roma, Ashkali und Kosovo-Ägyptern im Alltag.

Abschiebung zerstört Familien

Dazu kommt, dass für viele Betroffene die Abschiebung bedeutet, von der eigenen Familie gewaltsam getrennt zu werden. Diese leidvolle Erfahrung hat auch der 28-jährige Faruk Kelmendi gemacht: "Als ich in das Kosovo kam, habe ich nichts tun können. Ich hatte weder eine Arbeitsstelle, noch eine Wohnung, und musste immer wieder in fremden Häusern unterkommen", sagt der junge Mann, der als Achtjähriger mit seinen Eltern nach Deutschland gekommen war.

Faruk Kelmendi ist jetzt ohne FamilieBild: DW

"Meine Ehefrau hat mich anfangs noch finanziell unterstützt, aber dann kam es zur Trennung. Sie lebt weiterhin mit unserer Tochter in Deutschland und ich hier – diese Entfernung war eine zu große Belastung für die Beziehung." Jetzt ist Faruk Kelmendi ganz allein.

Materielle Not und völlige Einsamkeit: Seit seiner Abschiebung aus Deutschland sind das auch die ständigen Begleiter des Kosovo-Ägypters Ardian Canajs. "Ich würde alles darum geben, um nach Deutschland zurückzukehren", sagt der 20-Jährige. "Denn dort habe ich mein ganzes Leben zurückgelassen."

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