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Gesellschaft

Brutale Umerziehung deutscher Teenager?

Cristian Stefanescu
6. September 2019

Rumänische Behörden ermitteln gegen ein deutsches Jugendprojekt in Nordrumänien. Dort sollen deutsche Kinder und Jugendliche wie Sklaven behandelt worden sein. Die Betreiber weisen die Anschuldigungen zurück.

Symbolbild Kidnapping
Im "Projekt Maramures" sollen Teenager brutal misshandelt worden seinBild: Colourbox

In Rumänien erschüttert ein neuer Skandal die Öffentlichkeit. Fünf Personen, darunter der deutsche Leiter eines Sozialprojekts, wurden festgenommen und befinden sich wegen des Verdachts auf Menschenhandel, Freiheitsberaubung und schwere Misshandlung in Untersuchungshaft. Die rumänische Staatsanwaltschaft wirft ihnen vor, eine organisierte kriminelle Vereinigung gegründet, unter dem offiziellen Vorwand eines "Umerziehungsprojekts" Dutzende Kinder und Jugendliche aus Deutschland als Arbeitssklaven missbraucht und sich dadurch bereichert zu haben. Mindestens vier Kinder sollen bereits über die brutalen Methoden ausgesagt haben.

Die Methoden der deutschen Projektbetreiber und ihrer rumänischen Helfer, so die Ermittler, reichten von Nahrungs- und Freiheitsentzug bis hin zu Hausarrest und Prügel. Den 12-18-Jährigen wurden die Pässe und Personalausweise abgenommen, sie mussten auf Bauernhöfen Schwerstarbeiten verrichten und oft bei den Tieren im Stall die Nacht verbringen. Soweit die offiziellen Anschuldigungen der Behörden. Die Projektbetreiber, aber auch einige betroffene Jugendliche wiesen die Misshandlungsvorwürfe zurück.

Ein typisches Holzhaus mit Weidezaun in der malerischen Region MaramuresBild: picture-alliance/dpa/Arco Images

Projekt Maramures

Seit über 15 Jahren betreibt ein deutsches Paar im hohen Norden Rumäniens, in der malerischen Bergregion Maramures, ein Sozialprojekt für schwer erziehbare Jugendliche aus Deutschland. Das "Projekt Maramures", aus Deutschland finanziert, versprach den jungen Menschen aus prekären sozialen Verhältnissen eine neue Chance. Ob psychisch labil, drogenabhängig oder straffällig - die Minderjährigen sollten dort, fernab der Zivilisation und ihres gewohnten Umfelds, in einer neuen Welt eine Perspektive für ein neues Leben bekommen.

Das Leben der Dorfbewohner in der Maramures ist hart. Der Arbeitstag beginnt um 5 Uhr Morgens, Kühe und Schweine müssen gefüttert, Ställe ausgemistet, Holz aus dem nahegelegenen Wald herangekarrt und Felder umgegraben werden. Die Kinder haben beim Hausbau mitgearbeitet, in der Schmiede oder am Webstuhl. Und das tagaus, tagein.

Eine völlig andere Welt für die Jugendlichen, die von den deutschen Jugendämtern hierher, nach Viseu de Sus (deutsch: Oberwischau) in die Obhut der deutschen Projektbetreiber und ihrer Helfer geschickt wurden. Hier sollten die schwer erziehbaren Jugendlichen "umerzogen" werden - durch harte Arbeit. Bereits 2007 erschien in der rumänischen Presse ein erster Artikel über offensichtliche Unregelmäßigkeiten in Oberwischau.

Umerziehung im Ausland - ein lukratives Geschäft?

Ein Jahr zuvor hatte das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" darüber berichtet, dass schwer überprüfbare Organisationen in genauso schwer überprüfbaren Regionen außerhalb Deutschlands schwer erziehbare Kinder regelmäßig ausbeuten würden. Ähnliche Projekte wie in Rumänien sollen in Polen, Griechenland, Russland, aber auch im Kaukasus, in Lateinamerika und Südafrika eingerichtet worden sein. All diese Projekte funktionierten ähnlich: Schwerstarbeit, harte Strafen, bei Ungehorsam oft auch Züchtigung, Nahrungs- und Freiheitsentzug. Auch über das aktuelle "Projekt Maramures" hat der "Spiegel" ausführlich berichtet.

Die "letzten Chancen" für schwererziehbare Jugendliche lässt sich der deutsche Staat etwas kosten: für jeden Minderjährigen sollen die Betreiber des "Projekts Maramures" monatlich 4.000 bis 6.000 Euro bekommen haben. Nach einer "Eingewöhnungsphase" von einigen Monaten in der zentralen Einrichtung wurden die Jugendlichen bei Gastfamilien untergebracht, die dafür zwischen 200 und 600 Euro monatlich erhielten - und dazu noch die unentgeltliche Arbeitskraft der Minderjährigen. Das Projekt Maramures betreut jährlich rund 30 Kinder.

In einigen ländlichen Regionen wird noch mit Arbeitspferden gepflügtBild: DW/C.Ştefănescu

Lokale Komplizen

Die offiziellen Berichte der rumänischen Behörden lassen das ganze Ausmaß des Leids dieser Kinder erkennen. Sogar medizinische Eingriffe gegen den Willen der Jugendlichen wurden vorgenommen. Mädchen sollen mehrmals im Jahr Spritzen verabreicht worden sein, "damit sie nicht schwanger werden". Die Staatsanwaltschaft gab an, es habe mehrere Selbstmordversuche infolge der erlittenen psychischen und physischen Traumata gegeben.

Auf eine Anfrage der DW, ob und wie deutsche und rumänische Behörden ihrer Aufsichtspflicht nachgekommen seien, schrieb die rumänische Sonderstaatsanwaltschaft, es lägen keine Daten vor, aus denen das Gegenteil ersichtlich wäre. Es gebe aber Hinweise, dass die Beschuldigten mehrere Komplizen in den lokalen Behörden (Polizei, Bürgermeisteramt, Sozialdienste) hatten, die sie vor geplanten Kontrollen gewarnt haben sollen. So hätten die "problematischen" Jugendlichen rechtzeitig medikamentös "stillgestellt" werden können. Vertreter der lokalen Behörden bestreiten die Vorwürfe.

Eine ähnliche Anfrage der DW an die Nationale Agentur für Soziale Angelegenheiten im Arbeitsministerium blieb bislang unbeantwortet. Eine Kommission des Arbeitsministeriums prüfe die Vorgänge in der Maramures, hieß es.