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Politik

Bolsonaro ficht Wahlergebnis an

23. November 2022

Mehr als drei Wochen nach der Präsidentschaftswahl in Brasilien hat die Partei des Verlierers Jair Bolsonaro eine Beschwerde gegen das Wahlergebnis eingelegt. Doch das könnte zu einem Bumerang werden.

Brasilien | Präsidentschaftswahlen | Jair Bolsonaro
Brasiliens abgewählter Präsident Jair Bolsonaro will seine Niederlage nicht eingestehen und ficht das Ergebnis anBild: Joedson Alves/EPA-EFE

Die Liberale Partei (PL) von Jair Bolsonaro forderte am Dienstag (Ortszeit) das Oberste Wahlgericht auf, alle Stimmen der Stichwahl um das Präsidentenamt für ungültig zu erklären, die mit mehr als 280.000 Wahlmaschinen abgegeben wurden. Die PL machte geltend, dass "Fehlfunktionen" dieser Maschinen Bolsonaros Wiederwahl verhindert hätten.

Nach Angaben von der Liberalen Partei wurden die angeblichen Mängel bei fünf Wahlmaschinen-Modellen in einem von der Partei in Auftrag gegebenen Prüfbericht nachgewiesen. Laut einer Zählung der PL wäre Bolsonaro im Falle einer Annullierung der Stimmen aus diesen Wahlmaschinen mit 51,05 Prozent der Wahlsieger.

Wahlsieger Luiz Inácio Lula da Silva, ehemaliger und wohl bald auch neuer Präsident BrasiliensBild: Carl De Souza/AFP

Das offizielle Wahlergebnis sieht den ultrarechten Politiker dagegen in der Stichwahl vom 30. Oktober nur bei 49,1 Prozent der Stimmen. Gewonnen hat demnach der linksgerichtete Luiz Inácio Lula da Silva mit 50,9 Prozent. Bolsonaro hatte bereits vor der Abstimmung immer wieder Zweifel am Wahlsystem geäußert und angedeutet, das Ergebnis möglicherweise nicht anzuerkennen.

Kritik kam aus dem Lager des designierten Präsidenten: Gleisi Hoffmann, die Vorsitzende von Lulas Arbeiterpartei (PT), bezeichnete die Wahlbeschwerde Bolsonaros als "Schikane". Auf Twitter schrieb sie: "Schluss mit der Verschleppung, der Verantwortungslosigkeit, der Beleidigung der Institutionen und der Demokratie!" Die Wahl sei "durch die Abstimmung entschieden" worden und Brasilien brauche jetzt "Frieden, um eine bessere Zukunft aufzubauen".

Experte: Keine Auswirkungen auf Auszählungsergebnis

Konkret geht es darum, dass die jetzt in Frage gestellten Wahlmaschinen keine individuelle Identifikationsnummer in ihren internen Protokollen ausweisen. Das sagte der Parteivorsitzende der PL, Valdemar Costa, und ein von der Partei engagierter Prüfer. Allerdings konnten sie nicht erklären, in welcher Weise dieser Software-Fehler das Wahlergebnis genau beeinträchtigt haben soll.

Nach Aussage von Experten war der Fehler vorher nicht bekannt, hat aber auch keine Auswirkungen auf die Ergebnisse. Laut Wilson Ruggiero, Professor für Computertechnik und digitale Systeme an der Polytechnischen Schule der Universität von Sao Paulo, kann jedes Wahlgerät nach wie vor leicht auf andere Weise identifiziert werden, z. B. durch seine Stadt und seinen Wahlbezirk.

Elektronische Wahlmaschinen, die bei der Präsidentschaftswahl in Brasilien eingesetzt wurdenBild: Abdias Pinheiro/SECOM/TSE

So sieht es auch Diego Aranha, ein außerordentlicher Professor für Systemsicherheit an der Universität Aarhus in Dänemark, der an offiziellen Sicherheitstests des brasilianischen Wahlsystems teilgenommen hat. "Es untergräbt in keiner Weise die Zuverlässigkeit oder Glaubwürdigkeit", sagte Ruggiero gegenüber der Nachrichtenagentur "Associated Press". Der Schlüsselpunkt, der die Korrektheit garantiere, sei die digitale Signatur, die mit jeder Wahlmaschine verbunden ist.

Zwar hätten die Maschinen keine individuellen Identifikationsnummern in ihren internen Protokollen, doch auf gedruckten Quittungen, die die Summe aller für jeden Kandidaten abgegebenen Stimmen zeigen, erschienen diese Angaben, sagte Aranha und fügte hinzu, dass der Fehler nur aufgrund der Bemühungen der Wahlbehörde um mehr Transparenz entdeckt worden sei.

Der Präsident des Obersten Wahlgerichts Brasiliens, Alexandre de MoraesBild: Evaristo Sa/AFP

Wahlgericht stellt Bedingungen

Unmittelbar nach dem Eingang der Beschwerde sagte der Präsident des Obersten Wahlgerichts, Alexandre de Moraes, die beanstandeten Wahlmaschinen seien nicht nur bei der Stichwahl, sondern auch in der ersten Wahlrunde am 2. Oktober verwendet worden. Im ersten Wahlgang hatten aber die PL und ihr Chef Bolsonaro noch mehr Sitze in beiden Kongresskammern gewonnen als jede andere Partei. Die Beschwerde müsse sich also auf beide Wahlgänge beziehen, andernfalls werde sie ohne Prüfung abgewiesen.

Bolsonaro hatte sich nach der Wahl zunächst nicht zu seiner Niederlage geäußert. Erst nach zwei Tagen signalisierte der rechtsextreme Politiker seine Bereitschaft zu einer friedlichen Machtübergabe an seinen Nachfolger Lula, ohne allerdings seine Niederlage explizit einzugestehen. Lula wird sein Amt am 1. Januar 2023 antreten.

mak/ust (afp, dpa, rtr)

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