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Abholzungs-Stopp bis 2030?

Alistair Walsh | Irene Banos Ruiz
3. November 2021

Die Entwaldung bis 2030 zu beenden ist die erste große Zusage bei der Klimakonferenz COP26 in Glasgow. Doch politische Erklärungen allein werden die Wälder nicht retten, und ein Land relativierte bereits seine Zusage.

Holzschild liegt am Flussufer nahe eines Waldes
Greenpeace-Aktivistenprotestieren mit dem Schriftzug "Crime"- "Verbrechen" - auf einem Lastkahn, der illegal geschlagenes Holz in Brasilien transportiertBild: Daniel Beltrá/Greenpeace

105 Länder haben sich bei der Klimakonferenz in Glasgow verpflichtet, die Abholzung von Wäldern bis 2030 zu beenden, um die globale Erwärmung einzudämmen. In dem Abkommen verpflichten sich die Unterzeichner, die Zerstörung der Wälder zu stoppen, sie rückgängig zu machen und gleichzeitig "eine nachhaltige Entwicklung und eine inklusiven Transformation ländlicher Räume zu fördern". 

Umweltaktivisten sehen die Zusagen skeptisch. Um das weltweite "Kettensägen-Massaker" an den Wäldern zu beenden, müsse noch mehr getan werden. Die Nichtregierungsorganisation Forest Stewardship Council (FSC), die sich für eine nachhaltigere Bewirtschaftung der Wälder einsetzt, betonte gegenüber der DW dennoch die erfreulich große Anzahl der beteiligten Länder, die 85 Prozent der Wälder der Erde umfassen.

Ein entscheidender Punkt: Die Vereinbarung schließt auch Brasilien, die Demokratische Republik Kongo und Indonesien mit ein, wo die artenreichsten Tropenwälder wachsen und ein Großteil der weltweiten Abholzung stattfindet. Indonesien signalisierte kurz nach der Unterzeichnung bereits Zweifel an dem Abkommen. 

Die neue Vereinbarung ist wichtig, weil die Abholzung von Wäldern nach der Verbrennung von Kohle, Öl und Gas einer der Hauptfaktoren für die Erderwärmung ist.  Doch weil frühere Abkommen zum Schutz der Wälder gescheitert sind, kritisieren Umweltorganisationen den jetzigen Beschluss als zu unkonkret. 

"Die Wälder der Welt werden nicht durch eine politische Erklärung gerettet", so der FSC, "es sei denn, es folgen konkrete politische und finanzielle Initiativen, um den Schutz und die nachhaltige Bewirtschaftung der Wälder zu wirtschaftlich attraktiven Möglichkeiten für die Menschen zu machen, deren Einkommen und Lebensunterhalt von den Wäldern abhängt."

Woher kommt das Geld?

Die Finanzierung spielt eine Schlüsselrolle für den Erfolg des Abkommens. Derzeit soll es mit 16 Milliarden Euro ausgestattet werden, ein Drittel davon wird von privaten Anlegern und Vermögensverwaltern wie Aviva, Schroders und AXA bereit gestellt werden.

Doch es gibt Zweifel, ob das ausreicht. Laut der Coalition for Rainforest Nations, einer zwischenstaatlichen Organisation, die 50 tropische Länder bei den Klimaverhandlungen in Glasgow vertritt, könnten für die Einhaltung des Abkommens in den nächsten zehn Jahren bis zu 100 Milliarden US-Dollar nötig sein.

"Für Entwicklungsländer sind Wälder eine Ressource. Und leider sind tote Bäume immer noch mehr wert als lebendige. Regierungen können einfach Sondergenehmigungen für das Abholzen von Bäumen ausstellen, um das Nutzholz an westliche Länder zu verkaufen oder um kommerzielle Landwirtschaft zu betreiben", sagte der Sprecher der Koalition, Mark Grundy, der DW in Glasgow.

Die Abholzung zerstört wichtige Kohlenstoffspeicher der Erde. Wird das Land danach beispielsweise für intensive Landwirtschaft genutzt, etwa den Anbau von Soja als Viehfutter, verursacht das noch mehr Emissionen. Aber das bringe "Geld in die Kassen der Regierungen", so Grundy. Um Rodungen zu stoppen, müsse die Finanzierung ausreichen, um die dann geringeren Einnahmen dieser Länder entsprechend auszugleichen.

Warum stehen indigene Gemeinden im Fokus?

Mit Abstand die meisten Wälder wurden vergangenes Jahr in Brasilien abgeholzt, gefolgt von der Demokratischen Republik Kongo, Indonesien und Peru. Weltweit über 12 Millionen Hektar Tropenwald wurden im Jahr 2020 vernichtet. Ein Drittel davon waren besonders wertvolle tropische Regenwälder, deren Rodung so viel CO2 freisetzte, wie 570 Millionen Autos im Jahr. Das zeigen Daten des World Ressource Instituts, einer internationalen gemeinnützigen Forschungseinrichtung.

Immer mehr Wald im Amazonas wird jedes Jahr abgeholztBild: Fernando Souza/ZUMA Press/picture alliance

Außerdem sind Wälder die Heimat vieler indigener Gruppen. Im Abkommen haben sie als "Hüter" des Waldes eine wichtige Rolle. Ein kürzlich veröffentlichter UN-Bericht stellte fest, dass Abholzungsraten um bis zu 50 Prozent geringer sind, wenn Gebiete von indigenen Gemeinschaften bewohnt werden. Darum sei der Schutz ihrer Rechte einer der besten Wege, das Problem einzudämmen, so der Bericht.

Aktivisten für indigene Rechte begrüßen den Schritt

Zwar gehören nur sechs Prozent der Weltbevölkerung indigenen Gruppen an, doch sie hegen fast ein Viertel der weltweiten Landfläche, darunter besonders artenreiche Gebiete, sagt Stefan Thorsell von der Internationalen Arbeitsgruppe für Indigene Angelegenheiten (IWGIA). "Das Abkommen erkennt ausdrücklich die Rechte indigener Völker an, was von großer Bedeutung ist, insbesondere wenn man sich die Liste der unterzeichnenden Regierungen ansieht", so Thorsell.

Auf Land-und Besitzrechte indigener Gruppen gehe das Abkommen allerdings nicht genau ein, so Thorsell, dabei seien sie in Gefahr, von ihrem Land vertrieben zu werden, etwa durch Abholzungen. "Ohne die rechtliche Anerkennung ihres Landbesitzes wird es für indigene Völker noch schwieriger, ihre Wälder und andere wichtige Ökosysteme zu schützen."

Survival International, eine Organisation, die sich für das Überleben und die Rechte indigener Völker einsetzt, mahnt dass Naturschutz-Maßnahmen auch zu Missbrauch indigener Gruppen führen können. Laut Fiore Longo von Survival International führten gerade CO2-Kompensationsprojekte dazu, dass Menschen im globalen Norden weiter die Umwelt verschmutzen können, während indigene Gebiete zu diesem Zweck für Aufforstungsprojekte herhalten müssten. 

Indigene Gruppen in Brasilien protestieren gegen einen Gesetzentwurf, der die Anerkennung von Reservaten einschränken würdeBild: Eraldo Peres/AP/picture alliance

Bei solchen Kompensationsprogrammen investieren Unternehmen oder Menschen individuell in Umweltprojekte, um die von ihnen verursachten Emissionen auszugleichen. Und laut Longo seien viele der Investitionen im Privatsektor offenbar Kohlenstoff-Ausgleichsprogramme, die aber "nichts dafür tun, den eigenen ökologischen Fußabdruck zu verkleinern oder den Klimawandel aufzuhalten".

Gab's das nicht schon 2014

Wem das alles bekannt vorkommt: Bereits 2014 wurde schon einmal ein ähnliches Abkommen beschlossen. Damals unterzeichneten 40 Länder die "New York Declaration on Forests". Dieses Abkommen sollte die weltweite Abholzung bis 2020 halbieren und bis 2030 ganz beenden. Und es ist im Prinzip gescheitert. Befürworter hoffen, dass es mit dieser neuen Vereinbarung anders wird.

Laut des World Wildlife Fund (WWF) soll jetzt vor allem der Fokus auf die Finanzierung durch den Privatsektor bei der Umsetzung helfen. "Viele Unternehmen haben mehr Macht als die betroffenen Entwicklungsländer. Deshalb brauchen wir Bündnisse, Großspenden, wir brauchen privates Kapital. Wir brauchen Finanzinstitutionen, die sich engagieren", sagt Josefina Brana Varela, Vize-Präsidentin des WWF.

Ein weiterer wichtiger Unterschied des neuen Anlaufs ist die breite Unterstützung und die Tatsache, dass dieses Mal auch Brasilien und andere wichtige Länder dabei ist. Der "stärkste Punkt" ist laut FSC die große Zahl der Unterzeichner. Darunter befinden sich sowohl die wichtigsten Länder mit dem größten Waldflächen, die auf finanzielle Unterstützung angewiesen sind, ebenso wie die Industrieländer, die diese Unterstützung bereitstellen können.

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Doch kurz nach der Unterzeichnung des Abkommens scheint Indonesien bereits von seiner Verpflichtung abzurücken. 

In einem Tweet am Mittwoch sagte die indonesische Umweltministerin Siti Nurbaya Bakar, die an der COP26 teilnimmt, "Indonesien zu zwingen, bis 2030 einen Ende der Entwaldung zu erreichen, ist eindeutig unangemessen und unfair".

Sie fügte hinzu, dass "die massive wirtschaftliche Entwicklung unter der Ägide von Präsident (Joko Widodo) nicht wegen CO2 missionen oder im Namen der Abholzung enden sollte".

Ihre Position wurde von Vizeaußenminister Mahendra Siregar unterstützt, der in einer Erklärung erklärte: "Die abgegebene Erklärung bezieht sich in keiner Weise auf das 'Ende der Entwaldung bis 2030'."

Greenpeace Indonesien bezeichnete die Kehrtwende als enttäuschend und als Offenbarung des wahren Engagements der Regierung.

"Nur einen Tag, nachdem Präsident (Joko Widodo) die Erklärung der Glasgower Staatsoberhäupter zur Wald- und Landnutzung unterschrieben hat, kommt diese Erklärung, die in völligem Widerspruch zur Erklärung steht, von seinem Minister", antwortete Kiki Taufikm, Leiterin der Indonesia Forest Campaign, auf Twitter.

Es wird immer deutlicher, wo die Loyalitäten der Ministerin für Umwelt und Forstwirtschaft liegen. Sie sollte an vorderster Front dafür sorgen, dass alle indonesischen Bürger ihr Recht auf eine intakte und gesunde Umwelt genießen können, wie es die indonesische Verfassung vorsieht", sagte er.

Dieser Artikel wurde aktualisiert, um die Kritik Indonesiens an dem von ihm unterzeichneten Abkommen aufzunehmen.

Dieser Artikel wurde mit den kritischen Aussagen des Unterzeichnerlands Indonesien aktualisiert.

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