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Migrationsdebatte: Deutsche Kommunen für mehr Abschiebungen

9. September 2024

Städte, Gemeinden und Landkreise bestehen auf einer deutlichen Begrenzung der irregulären Einwanderung nach Deutschland. Auch die Opposition setzt die Bundesregierung weiter unter Druck.

Symbolbild Abschiebung: Flugzeug hinter NATO-Draht
Könnte eine "Task Force Abschiebungen" dafür sorgen, dass abgelehnte Asylbewerber konsequenter in ihre Heimat zurückgebracht werden?Bild: Sebastian Gollnow/dpa/picture alliance

Der Deutsche Städte- und Gemeindebund setzt sich in der durch den Messeranschlag von Solingen angeheizten Migrationsdebatte für mehr Abschiebungen ein. Es sei richtig, die Anstrengungen zu verstärken, dass Menschen ohne Bleiberecht in ihre Herkunftsländer zurückkehrten, erklärte André Berghegger, der Hauptgeschäftsführer des kommunalen Spitzenverbandes. Zur Beschleunigung der Prozesse solle eine "Task Force Abschiebungen" des Bundes eingerichtet werden, regte er in der Zeitung "Rheinische Post" an. Bisher fallen Abschiebungen in die Zuständigkeit der 16 deutschen Bundesländer, auch wenn diese sich bei der Durchführung regelmäßig Unterstützung der Bundespolizei holen. 

Berghegger sagte, es sei "bedauerlich und unverständlich", dass die Kommunen in die entsprechenden Beratungen nicht unmittelbar eingebunden seien. Sie müssten mit am Tisch sitzen, wenn Entscheidungen über Migration und Sicherheit getroffen würden. Weitere Gespräche von Bundesregierung, Opposition und Bundesländern sind für Dienstag dieser Woche geplant.

Leitet seit diesem Jahr die Geschäfte des Deutschen Städte- und Gemeindebundes: André Berghegger Bild: Marten Ronneburg/NurPhoto/picture alliance

Der Präsident des Deutschen Landkreistages, Reinhard Sager, betonte: "Deutschland braucht Kontrolle. Und wenn wir die nicht haben, dann müssen wir unsere Grenzen schützen", sagte er im Bayerischen Rundfunk. Die Kommunen seien von der Zuwanderung überfordert, es fehlten Unterkünfte und Personal. Zudem hätten sich Probleme mit Gewaltkriminalität von Zuwanderern verschärft. Der Deutsche Landkreistag vertritt die Interessen aller 294 Landkreise auf Bundesebene.

"Es ist uns über den Kopf gewachsen"

Die konservativen Unionsparteien CDU und CSU, derzeit im Bundestag in der Opposition, beharren auf ihrer Forderung nach Zurückweisungen an den deutschen Grenzen. Nur wenn dies Teil des Pakets sei, sei die Fortsetzung der Gespräche mit der Bundesregierung sinnvoll, sagte der parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Thorsten Frei (CDU), im TV-Sender "Das Erste". Der CDU-Vorsitzende und Oppositionsführer Friedrich Merz hatte der "Ampel-Koalition" aus Sozialdemokraten (SPD), Grünen und Liberalen (FDP) diesbezüglich kürzlich sogar ein Ultimatum gestellt - unter Verweis auf eine "Notlage".

Bisher hat die Regierung von Bundeskanzler Olaf Scholz lediglich ein "Sicherheitspaket"  in Aussicht gestellt. Es sieht unter anderem Leistungsstreichungen für bestimmte ausreisepflichtige Flüchtlinge, zusätzliche Ermittlungsbefugnisse für die Sicherheitsbehörden und eine Ausweitung von Messerverboten vor.

Sieht eine "Überforderung" Deutschlands: Markus SöderBild: Sven Hoppe/dpa/picture alliance

CSU-Chef Markus Söder sprach sich dafür aus, die Zahl der Asyl-Erstanträge erheblich zu verringern. "Insgesamt muss die Zahl deutlich auf weit unter 100.000 (pro Jahr) auf Dauer reduziert werden", verlangte der Regierungschef des Bundeslandes Bayern in einem Fernsehinterview ("Bericht aus Berlin"). Deutschland sei mit den Folgen der Integration überfordert. In vielen deutschen Städten fühlten sich auch die deutschen Einwohner gar nicht mehr zuhause, meinte Söder. "Und die Wahrheit ist einfach: Es ist uns über den Kopf gewachsen."

Der FDP-Vorsitzende und Bundesfinanzminister Christian Lindner sagte im "Bericht aus Berlin" zu Söders Vorstoß: "Die Zahl (100.000) kann ich mir zu eigen machen." Er sei in der Migrationspolitik bereit, "dass wir alles tun, was politisch, rechtlich und logistisch möglich ist". Zugleich warf Lindner der oppositionellen Union vor, nur "parteipolitischen Gewinn" erzielen zu wollen. Die Union werde beim Thema Einwanderung jedoch nichts gewinnen, so der FDP-Chef. "Sie kann höchstens die AfD und das Bündnis Sahra Wagenknecht stärken."

Geht auf die Opposition zu: Christian LindnerBild: Michael Kappeler/dpa/picture alliance

Die Bundestagsfraktion der AfD beschloss derweil ein Positionspapier, in dem sie den Kampf gegen "illegale Masseneinwanderung" als Thema Nummer eins vor der Bundestagswahl 2025 benennt. Die in Teilen vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestufte Partei fordert unter anderem einen "lückenlosen Grenzschutz" - "notfalls auch durch den Einsatz von Grenzzäunen" - sowie die konsequente Zurückweisung und Abschiebung illegaler Einwanderer. Für Menschen, die aus sicheren Drittstaaten oder ohne Ausweisdokumente einreisen, dürfe es keine Asylverfahren geben, heißt es in dem Papier.

"Eindeutig gegen europäisches Recht"

27 Menschenrechts-, Flüchtlings- und Hilfsorganisationen richteten unterdessen einen Appell an die Bundesregierung. "Das Recht, in Deutschland und Europa Schutz vor Menschenrechtsverletzungen zu suchen, gehört nach den Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs zur DNA unserer Demokratie", heißt es in der gemeinsamen Erklärung der Organisationen. Darunter finden sich etwa Pro Asyl, Amnesty International und das Deutsche Kinderhilfswerk. 

Migranten vor der Landesaufnahmebehörde Niedersachsen in BraunschweigBild: Julian Stratenschulte/dpa/picture alliance

Vorschläge wie die Zurückweisung von Schutzsuchenden an deutschen Grenzen verstießen "eindeutig gegen europäisches Recht und menschenrechtliche Grundprinzipien", kritisieren die Organisationen. In jedem Einzelfall müsse geprüft werden, ob eine Abschiebung rechtens sei. Dies könne nicht ad hoc an der Grenze entschieden werden. Außerdem dürfe das Fehlverhalten einzelner niemals dazu führen, dass pauschal bestimmte Gruppen von Menschen stigmatisiert und als nicht zugehörig markiert würden.

wa/fab (afp, epd, dpa, rtr, kna)

Redaktionsschluss: 16.30 Uhr - dieser Artikel wird nicht weiter aktualisiert.

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