Abschiebungen nach Afghanistan mit Unterstützung Katars
18. Juli 2025
Zum zweiten Mal seit der Machtübernahme der radikalislamischen Taliban im August 2021 hat Deutschland afghanische Staatsbürger in ihr Herkunftsland abgeschoben. Am Donnerstagmorgen startete ein Flugzeug mit 81 Männern an Bord vom Flughafen Leipzig direkt nach Kabul. Rund sechs Stunden später landete die Maschine in der afghanischen Hauptstadt.
Nach Angaben des Bundesinnenministeriums handelt es sich um "vollziehbar ausreisepflichtige afghanische Männer", die wegen "schwerer und schwerster Straftaten" verurteilt worden seien. Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) betonte im ARD-"Morgenmagazin", dass für Abschiebungen dieser Art ein "ganz berechtigtes Interesse der Bürgerinnen und Bürger" bestehe.
Der Rückführungsflug wurde - wie schon bei der letzten Aktion im August 2024 - mit Unterstützung Katars realisiert.
Katar vermittelt Rückführungen
Die Kontakte zu den Taliban erfolgten ausschließlich auf "technischer Ebene" über ein Verbindungsbüro in Katar. Außenminister Johann Wadephul (CDU) hatte kürzlich betont, dass das islamistische Regime wegen massiver Menschenrechtsverletzungen international isoliert sei und von Deutschland nicht als legitime Regierung anerkannt werde.
Innenminister Dobrindt will diesen Zustand ändern. Anfang Juli äußerte er gegenüber dem Magazin "Focus", er strebe direkte Rückführungsabkommen mit Afghanistan an - eine Lösung über Dritte solle keine Dauerlösung bleiben.
Die Flüchtlings- und Menschenrechtsorganisationen der Vereinten Nationen lehnen die Pläne ab. Die Bedingungen vor Ort seien noch nicht für Rückführungen geeignet, sagte Arafat Jamal, der Vertreter des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR in Kabul damals in Reaktion auf Dobrindts Aussagen. Die Sprecherin des UN-Menschenrechtsbüros, Ravina Shamdasani, wies auf laufende Menschenrechtsverletzungen in Afghanistan hin, wie etwa Hinrichtungen oder die Unterdrückung von Frauen.
Auch deutsche Menschenrechtsorganisationen äußerten sich besorgt. Pro Asyl nannte die Abschiebung einen "eklatanten Verstoß gegen das Völkerrecht". Ihre Sprecherin Wiebke Judith betonte, die Taliban praktizierten brutale Körperstrafen für Verstöße gegen ihre Sittenregeln. Julia Duchrow von Amnesty International erklärte, außergerichtliche Hinrichtungen und Folter gehörten in Afghanistan zum Alltag. "Menschenrechtegelten entweder für alle oder für niemanden."
Der Grünen-Politiker Anton Hofreiter warnte im ARD-"Morgenmagazin" vor einer "massiven Aufwertung islamistischen Terrors" durch die Abschiebeflüge. In Afghanistan regierten "islamistische Terroristen", so Hofreiter.
Zehntausende Afghanen ausreisepflichtig
Laut aktuellen Zahlen der Bundesregierung leben rund 446.000 Afghaninnen und Afghanen in Deutschland. 11.423 von ihnen sind ausreisepflichtig - 9602 mit Duldung, 1821 ohne. Eine Duldung wird ausgestellt, wenn eine Abschiebung vorübergehend ausgesetzt ist, etwa wegen fehlender Reisedokumente, Krankheit oder laufender Ausbildung.
Vor dem Machtwechsel in Kabul hatte Deutschland regelmäßig Abschiebeflüge nach Afghanistan durchgeführt. Im Juli 2021 landete der letzte Flug - es war die 40. Sammelabschiebung seit 2016. Insgesamt wurden bis dahin 1104 Männer in das Land zurückgebracht.
Dobrindt lädt zum Migrationsgipfel
Der erste Abschiebeflug seit Antritt der schwarz-roten Regierung startete unmittelbar vor Beginn eines Treffens von Bundesinnenminister Dobrindt mit EU-Kollegen auf der Zugspitze, Deutschlands höchstem Berg. Von dem Treffen sollen aus Sicht Dobrindts wichtige Impulse für eine härtere Migrationspolitik ausgehen. Dabei geht es unter anderem um Wege für Abschiebungen und Asylverfahren in Drittstaaten, die Bekämpfung von Schleuserkriminalität und die Sicherung der EU-Außengrenzen.
Angereist sind die Innenministerinnen und -minister aus Frankreich, Polen, Österreich, Dänemark, Tschechien sowie EU-Innenkommissar Magnus Brunner. Geplant ist die Verabschiedung einer entsprechenden "Zugspitz-Erklärung".
pgr/se (dpa, afp, kna)
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