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Politik

Abschied vom Flughafen Berlin-Tegel

6. November 2020

Drei Flughäfen hatte Berlin einst, nun soll es nur noch einen geben: den Großflughafen BER. Mit seiner Eröffnung gehen am City-Airport Tegel die Lichter aus. Eine Ära geht zu Ende. Aus Berlin Sabine Kinkartz.

Blick auf Tower und Flughafengebäude durch einen "Selfie-Point", hinter dem sich Besucher für ein Abschiedsfoto aufstellen können. Deutschland Berlin | Flughafen Tegel | Abschied
Für Abschiedsfotos aufgestellt: "Selfie-Point" auf der Besucherterrasse des Flughafens Berlin-TegelBild: Sabine Kinkartz/DW

Es ist schon länger still geworden am Internationalen Berliner Verkehrsflughafen "Otto Lilienthal" im Stadtteil Tegel. Die Corona-Pandemie hat auch am TXL, wie der Flughafen international abgekürzt wird, den Flugverkehr drastisch einbrechen lassen.

In der Haupthalle des Flughafens sind nur noch wenige Passagiere unterwegsBild: Sabine Kinkartz/DW

2019 wurden hier noch 24 Millionen Passagiere abgefertigt. Flieger starteten und landeten im Zwei-Minuten-Takt mit dröhnenden Triebwerken und Autoschlangen schoben sich über die Zufahrtsstraßen. Nach Frankfurt, München und Düsseldorf hatte Tegel die vierthöchsten Passagierzahlen in Deutschland.

Berlin ist groß und die Wege sind weit

Nachdem der neue Großflughafen BER eröffnet hat, verliert der City-Airport im Nordwesten Berlins am 8. November seine Betriebserlaubnis. Viele finden das schade. "Berlin könnte doch auch zwei Flughäfen vertragen", meinen Rosi und Gertrud, zwei Rentnerinnen, die ein letztes Mal auf die Besucherterrasse des TXL gekommen sind, um einen Blick über die Rollfelder, Hangars und Fluggastbrücken zu werfen. "Die Stadt ist doch groß genug und die Fahrt zum neuen Flughafen dauert für uns länger als eine Stunde."

Wenn ein einzelnes Flugzeug zur Attraktion wird: Blick von der Besucherterrasse in TegelBild: Sabine Kinkartz/DW

Der BER liegt kurz hinter dem südlichen Stadtrand in Brandenburg. Ein Großflughafen mit vielen Geschäften, Restaurants und weiten Wegen, wie es heute üblich ist. Tegel, geplant und erbaut zwischen 1965 und 1974, war als das genaue Gegenteil konzipiert.

"Für uns stand an erster Stelle, einen Flughafen mit kurzen Wegen, guter Übersichtlichkeit und Orientierung, mit einer schnellen Anbindung an die Stadt Berlin und auch allen Einrichtungen innerhalb des Flughafens zu bauen", beschreibt Architekt Meinhard von Gerkan die Arbeit seines Hamburger Büros gmp im Interview mit der DW. 

Meinhard von Gerkan (li.) und Volkwin Marg auf dem Weg zum Interview mit der DW auf dem Flughafen TegelBild: Gönna Ketels/DW

Das markante sechseckige Hauptterminal mit seinen kreisförmig angeordneten Gates fußte auf von Gerkans Diplomarbeit, mit die er 1964 an der Technischen Universität Braunschweig seinen Abschluss gemacht hatte.

Zentrale Lage, kurze Wege

Der Flughafen war ein "Drive-in-Airport". Etwa 20 Minuten nur dauerte die Autofahrt aus der West-Berliner City hierher. Von der Taxivorfahrt bis zum Check-in-Schalter waren es 20 Meter, vom Counter durch den Warteraum bis zur Flugzeugtür noch 15 Meter.

Passagiere, so hieß es bei der Eröffnung 1974, könnten in Tegel sogar noch fünf Minuten vor dem Start abgefertigt werden. "Der Fluggast war der Maßstab für die gute Funktion des Flughafens", so von Gerkan. 

1972 war das sechseckige Terminal mit den 14 dezentral angeordneten Fluggastbrücken noch im RohbauBild: Chris Hoffmann/picture alliance/dpa

"Die Konstruktion hat mich damals schon fasziniert", erinnert sich Bauingenieur Horst Idelberger, der vor der Schließung von Tegel extra aus dem 350 Kilometer entfernten Minden angereist ist, um Abschied zu nehmen. Er hat den Flughafen als Bauleiter mitgebaut. Das seien prägende Jahre gewesen, erinnert er sich.

"Wir haben nur ein halbes Jahr länger gebaut als veranschlagt und sind im Finanzrahmen von 450 Millionen D-Mark geblieben", fügt er stolz und mit einem Seitenhieb auf den BER hinzu, der in 14 Jahren Bauzeit mehr als sieben Milliarden Euro verschlungen hat.

Eigentlich sollten in Tegel Wohnungen gebaut werden

Mit seiner Begleiterin, einer Kommilitonin aus Berliner Studienzeiten, steht Idelberger auf der Besucherterrasse vor einer der großen Schautafeln, auf denen die Geschichte des Flughafens mit zahlreichen Fotos und Lageplänen erzählt wird.

Horst Idelberger kann sich noch gut an den Bau des Flughafens erinnernBild: Sabine Kinkartz/DW

Nach dem Zweiten Weltkrieg waren von dem einstigen Raketentestfeld und Truppenübungsplatz der NS-Luftwaffe nur zerbombte Überreste geblieben. Wohnungen sollten hier gebaut werden. Doch als die Sowjets West-Berlin abriegelten, entschloss sich die französische Besatzungsmacht, einen Militärflughafen einzurichten, um US-Amerikaner und Briten bei der Luftbrücke zur Versorgung der Bevölkerung zu unterstützen.

Ein US-Pilot hält mit weißer Farbe fest, dass Hilfsgütertransport Nummer 100.000 gelandet istBild: picture-alliance/ dpa/UPI

In nur 90 Tagen entstand 1948 mit knapp 2,5 Kilometern die damals längste Start- und Landebahn Europas. Diese Piste war es auch, die Tegel später für größeren Düsenflugzeuge attraktiv machte. 1950 war der zivile Luftverkehr von und nach West-Berlin am Flughafen Tempelhof konzentriert worden. Doch zum einen diente er der US-amerikanischen Besatzungsmacht als Militärflughafen und zum anderen waren die Start- und Landebahnen für die größer werdenden Verkehrsflugzeuge irgendwann zu kurz.

Tegel - für West-Berlin das Tor zur Welt

Es waren die Franzosen, die 1960 mit der Air France erstmals zivile Linienflüge nach Berlin-Tegel anboten. Die Strecken: Paris - Frankfurt - Berlin, Düsseldorf - Berlin und München - Berlin. Zur Air France gesellte sich ab 1964 auch die US-amerikanische Fluglinie Pan Am und bot einen regelmäßigen Direktflug nach New York an.

1967 sind bereits 25 Millionen Passagiere seit der Wiederaufnahme des zivilen Luftverkehrs in Berlin gelandet Bild: Chris Hoffmann/picture alliance

Während des Kalten Krieges durften in West-Berlin nur Fluggesellschaften der drei Besatzungsmächte USA, Großbritannien und Frankreich landen. Auch die Piloten durften nur aus diesen Ländern kommen. Eine Ausnahme galt allein für das Flugbegleitpersonal. Die deutsche Lufthansa dufte erst nach der deutschen Wiedervereinigung 1990 wieder in Berlin landen.

Zehnmal mehr Passagiere als geplant

Seit dem Umzug von Bundestag und Bundesregierung von Bonn nach Berlin 1999 wurden in Tegel auch die Mächtigen der Welt abgefertigt. Auf dem militärischen Teil des Flughafens entstand ein Regierungsterminal, an dem Staatsgäste empfangen und verabschiedet wurden und die Bundeskanzlerin und ihre Minister starteten und landeten. US-amerikanische Präsidenten fuhren aber auch in Berlin-Tegel stets mit dem Auto vor der "Airforce One" vor.

2013 landete US-Präsident Barack Obama mit der Airforce One in BerlinBild: Johannes Eisele/AFP

Obwohl der Neubau eines großen Flughafens für Berlin und Brandenburg bereits 1992 beschlossene Sache war, sollte es fast drei Jahrzehnte dauern, bis der BER in Betrieb gehen konnte. In dieser Zeit wurden die Kapazitäten in Tegel notgedrungen immer weiter aufgestockt. Geplant und gebaut wurde der Airport ursprünglich für 2,5 Millionen Passagiere.

Durch diverse Anbauten in den Jahren nach der deutschen Wiedervereinigung wuchs die Kapazität auf 11,5 Millionen Passagiere. Tatsächlich musste der TXL vor der Corona-Pandemie mehr als doppelt so viele bewältigen.

Das Ende einer Ära

Mit der Schließung des Flughafens ist das nun alles vorbei, aber es wird auch Platz für Neues geschaffen. Die Pläne für Wohnungen und einen Forschungs- und Industriepark liegen fertig in der Schublade. "Wir scharren seit Jahren mit den Hufen", sagt der Leiter der Projektgesellschaft. "Wir können es kaum erwarten, auf das Gelände zu kommen."

Ein Plakat verspricht: Das Flughafengelände wird nicht lange brach liegenBild: Sabine Kinkartz/DW

Auch für die Anwohner rund um den Flughafen ändert sich einiges. "Ich wohne in der Einflugschneise und finde es positiv, dass der Lärm und der Dreck jetzt weg sind", sagt Marion, die auf die Besucherterrasse gekommen ist, um "nochmals Tschüss zu sagen". Sicher, Tegel, das sei "ein super Flughafen" gewesen, "sehr überschaubar und gut durchdacht". Aber nun sei eben Schluss, sagt Marion und zuckt mit den Achseln. "Man wird sich daran gewöhnen."

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