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Abtreibung mit Kräutern - geht das?

Silja Thoms | Kathrin Wesolowski
10. Juli 2022

Petersilie oder Papaya als Abtreibungsmittel? In sozialen Netzwerken behaupten User, dass Frauen mit Pflanzen abtreiben können. Stimmt das wirklich? Und ist solch eine Methode überhaupt sicher? Ein Faktencheck.

Gemeiner Beifuss: Eine Person pflückt die Beifuss-Pflanze (Foto: F. Hecker/blickwinkel/picture alliance)
Abtreibungen durch Kräuter? Experten halten viele der auf Social Media kursierenden "Tipps" für gefährlichBild: F. Hecker/blickwinkel/picture alliance

Infolge des Urteils am Obersten US-Gerichts zum Abtreibungsrecht, könnten in den USA rund die Hälfte der BundesstaatenAbtreibung künftig verbieten. Und auch weltweit gibt es einige Länder wie beispielsweise El Salvador, Ägypten, Irak oder Madagaskar, in denen Abtreibung illegal ist. Zuletzt häuften sich in den sozialen Netzwerken,  vor allem bei TikTok und Instagram, Ratschläge, wie Frauen angeblich sicher und selbst zuhause abtreiben können: Mit Kräutern wie Petersilie, Traubensilberkerze und Flohkraut zum Beispiel oder mit Früchten wie Papayas. Als Mix oder einzeln. Doch können solche pflanzlichen Mittel wirklich einen Schwangerschaftsabbruch hervorrufen? Und wie gefährlich sind sie?  

Behauptung: "Lebst du in einem Staat, in dem gerade erst Abtreibung verboten wurde? Kräuter funktionieren auch als (Abtreibungs-)Medizin", schreibt eine Nutzerin auf TikTok, die ihren Followern in den Kommentaren unter anderem Beifuß, Petersilie oder Bärlappgewächs als Abtreibungsmittel empfiehlt.

DW-Faktencheck: Irreführend.

Frauen, die versuchen, mit Kräutern oder Pflanzen abzutreiben, trinken diese beispielsweise als Tee, essen sie, führen sie vaginal oder auch intravenös ein. All diese Methoden sind laut Experten bereits angewandt worden, und sie sind potentiell gefährlich. "Ich kann jede Frau nur davor warnen, solche pflanzlichen Produkte zu einem Schwangerschaftsabbruch zu nehmen, weil die Wirkung unkalkulierbar ist", sagt Roland Seifert, Leiter des Instituts für Pharmakologie an der Medizinischen Hochschule Hannover, im DW-Interview.  

Tatsächlich gibt es kaum Studien, die die Wirkungen verschiedener Kräuter und Pflanzen als Abtreibungsmittel ausreichend erforscht haben. Grund dafür ist, dass viele ungewollt Schwangere die Kräuter mixen, die Dosen und der Zeitraum der Einnahme oft variieren und manchmal auch mit Instrumenten vaginal nachgeholfen wird, wie eine Studie von Forschern an der University of the Oriental Republic of Uruguay zeigt. Manchmal kommt es tatsächlich zu einer Abtreibung durch Kräuter - doch diese ist verbunden mit einem hohen Sterberisiko für die Person, die die Selbstabtreibung vornimmt. "Eine sichere Abtreibung mit pflanzlichen Mitteln kann es nicht geben", bestätigt die Pharmazeutin Larissa Leibrock-Plehn, die zur Geschichte pflanzlicher Abortiva promovierte, im DW-Interview. "Entweder ist sie unwirksam oder in der entsprechenden Dosierung gefährlich."

Pflanzliche Abtreibungen zählen also zu unsicheren Abtreibungen. Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sind 45 Prozent der Abtreibungen weltweit unsichere Abtreibungen. Dabei handelt es sich um Abbrüche, die unter anderem ohne Beratung stattfinden, von ungelernten Menschen oder fehlerhaft beziehungsweise unhygienisch durchgeführt werden.

  

Pflanzliche Abtreibungsversuche können zum Tod führen 

Die bereits erwähnte Studie aus Uruguay analysierte 86 Fallbeispiele pflanzlicher Versuche, Schwangerschaften abzubrechen. Das Ergebnis: Einige Frauen erlitten nach den Versuchen multiple Organversagen, die zum Tod führten. Bei anderen traten Leber- und Bluterkrankungen auf.  

Eine Gefahr ist laut einer älteren Studie des Center for Disease Control in Atlanta aus dem Jahr 1980  auch, dass Personen, bei denen die Abtreibung durch pflanzliche Mittel zunächst nicht funktioniere, immer mehr Kräuter zu sich nehmen - und somit das Risiko der Vergiftung steige. Der Fötus kann gesundheitliche Folgen davontragen, auch wenn er nicht erfolgreich abgetrieben wird.  

Dennoch gibt es in den sozialen Netzwerken Nutzerinnen, die sogar konkrete Kräuter und Pflanzen nennen, mit denen ungewollt Schwangere zuhause selbst eine Abtreibung durchführen könnten. Wir haben uns vier davon genauer angesehen.

Petersilie  

Petersilie schmeckt nicht nur als Gewürz bei Suppen, sondern kann falsch eingesetzt auch gefährlich werdenBild: Silas Stein/dpa/picture alliance

Petersilie, die eigentlich als Gewürz Suppen und Gerichte dekoriert, soll laut den Behauptungen in sozialen Medien eine abtreibende Wirkung haben. Die Studie aus Uruguay zeigt, dass Petersilie häufig als pflanzliches Abtreibungsmittel genutzt wird - alleine oder in Kombination mit anderen Pflanzen. Petersilie enthält Apiol und Myristicin - zwei Substanzen, die toxisch wirken können.  

Die Studie dokumentiert Fälle, in denen Petersilie zusammen mit anderen Pflanzen zu Multiorganversagen führte. Wenn das Gewürz vaginal eingesetzt würde, könne das zu Blutungen führen, da es nicht steril sei, warnt Pharmakologe Seifert.  

Zudem könnten Inhaltsstoffe der Petersilie durch Verletzungen in der Scheide in die Zirkulation gelangen - und so zu einer Vielzahl an Nebenwirkungen führen. Dies könne dann zu Multiorgan-, Leber-, Nieren- oder Herz-Kreislauf-Versagen führen. "Man weiß gar nicht, von welchem Wirkstoff man wie viel zufügt, und so wird die Wirkung unkalkulierbar", sagt Seifert.

Flohkraut 

Es gibt Frauen, die durch Einnahme dieser Pflanze verstorben sindBild: S. Derder/blickwinkel/picture alliance

Ärzte und Toxikologen warnen vor der Einnahme von Flohkraut zur Abtreibung. Der Toxikologe Josh Trebach schreibt beispielsweise auf Twitter: "Bitte nehmen Sie Flohkraut nicht als pflanzliches Abtreibungsmittel ein. Das ist unglaublich gefährlich." Das Kraut könne zu Leberversagen, Krampfanfällen und zum Tod führen.  

Das bestätigt auch ein Eintrag zu Flohkraut in der National Library of Medicine: Es gebe zwar Evidenzen dafür, dass die Einnahme des Krauts zur Abtreibung führen kann - diese Dosis könne aber gleichzeitig die ungewollt Schwangere töten oder zu lebenslangen Schäden an Leber und Nieren führen. Es gibt auch dokumentierte Fälle in denen Flohkraut zu Vergiftung und Tod geführt hat.  

Papaya 

Die indigene Bevölkerung einiger asiatischer Länder setzte laut Studien Papaya als Abtreibungsmittel einBild: Hassan Jedi/Quds Net News/ZUMA/picture alliance

Schon seit Jahrhunderten setzt beispielsweise die indigene Bevölkerung in Indonesien, Malaysia und Myanmar die Papaya als Abortivum ein. Eine im British Journal of Nutrition veröffentlichte Studie, für die Rattenversuche durchgeführt wurden, kommt zu dem Ergebnis, dass der Konsum von reifer Papaya keine Gefahren für Schwangerschaften mit sich bringt - halb- oder unreife Papayas könnten dagegen durch eine höhere Konzentration von Latex toxisch wirken und zu Gebärmutterkontraktionen führen. Laut den Studienautoren sind aber noch weitere Studien notwendig, da Ergebnisse von Tierversuchen nur bedingt auf den Menschen übertragbar sind.  

Pharmakologe Seifert sagt im DW-Interview, dass ein normaler Verzehr des Fruchtfleischs einer Papaya nicht zu Abtreibungen führen könnte. "Wenn Sie eine Papaya vergären lassen, dann entstehen da natürlich toxische Produkte", sagt er weiter - die aber sowohl für den Fötus als auch die Mutter gefährlich werden könnten. Doch auch da ist die Wirkung nicht weitreichend erforscht. 

Traubensilberkerze  

Tabletten, die Traubensilberkerze enthalten, werden teilweise bei der Menopause eingesetzt.Bild: Manfred Ruckszio/Zoonar/picture alliance

Auch die Traubensilberkerze wird in den sozialen Netzwerken als pflanzliches Abtreibungsmittel empfohlen. Eine Studie der University of California und dem Ibis Reproductive Health Forschungszentrum zeigte ebenfalls, dass das Kraut von Personen verwendet wird, um zu versuchen abzutreiben. Belege dafür, dass die Einnahme des Krauts zu Schwangerschaftsabbrüchen führt, gibt es keine - auch die Studienlage zur Traubensilberkerze ist sehr dünn. 

Die Traubensilberkerze wurde bisher hauptsächlich im Zusammenhang mit der Menopause untersucht. Dort wird sie gegen einen Östrogenmangel eingesetzt. "Allerdings nicht in Form des Krauts, sondern als standardisierte Extrakte, die dann zu Tabletten verarbeitet werden", erklärt Pharmazeutin Leibrock-Plehn. 

Die Traubensilberkerze wird teilweise auch eingenommen, um Wehen schneller herbeizuführen. Zumindest in einem dokumentierten Fallkam es aber nach der Einnahme zu schweren unerwünschten Nebenwirkungen beim Neugeborenen. 

Fazit

Die Behauptung, dass Kräuter und Pflanzen als Abtreibungsmittel wirken, ist irreführend. Zwar führen einige der Mittel durch Vergiftungen zu einer Abtreibung - gefährden dabei aber auch immens die Gesundheit der ungewollt Schwangeren. Dies kann bis zum Tod führen. Die pflanzliche Abtreibung ist damit eine sehr unsichere, lebensgefährliche Methode, die von Ärzten und Pharmakologen nicht empfohlen wird. 

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