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Acehs Unabhängigkeitskampf

Sybille Golte / arn25. Januar 2005

Die Regierung Indonesiens und Rebellen aus der Provinz Aceh haben sich auf direkte Gespräche zur Beilegung des seit Jahrzehnten andauernden Bürgerkriegs verständigt. Aceh ist ein begehrter Landstrich.

Aceh braucht Hilfe nach der Flut - und FriedenBild: AP


Im 19. Jahrhundert war Aceh ein blühendes Sultanat an der Straße von Malakka, einem der wichtigsten Seewege zwischen Eurasien. Islamische Kaufleute brachten Aceh nicht nur seinen Reichtum, sondern auch ihre Religion. Seit Jahrhunderten bestimmt der Islam das tägliche Leben der Menschen. Aber die "guten Zeiten" sind längst vorbei: Mit der Kolonisierung begann der Unabhängigkeitskampf.

Betende Mädchen in einer Moschee in Banda Aceh, IndonesienBild: AP

Erst kämpften die für ihre Tapferkeit berühmten Acehnesen gegen die niederländischen Kolonialherren, denen folgten die japanischen Besatzer und schließlich rückte TNI, das Militär der Republik Indonesien nach. Keiner hat es geschafft, das Unabhängigkeitsstreben der Acehnesen zu ersticken

30 Jahre Kampf

Kaum zwei Monate nach seinem Amtsantritt im vergangenen Oktober steht Indonesiens Präsident Susilo Bambang Yudhoyono vor der schwersten Bewährungsprobe seiner bisherigen und vermutlich auch künftigen Amtszeit. Die größte Naturkatastrophe in der jüngeren Geschichte Indonesiens hat nicht nur weit über hunderttausend Menschenleben gekostet und ganze Landstriche verwüstet: Die Flutwelle hat auch den Deckmantel über seine größten innenpolitischen Probleme hinweggefegt. Schlagartig steht der Unabhängigkeitskampf Acehs wieder auf der politischen Agenda.

Seit 30 Jahren wird in Aceh geschossen, gemordet, entführt und gefoltert. Folgerichtig geschah, was Außenstehende kaum für möglich hielten: Es dauerte nur wenige Tage, da mischten sich in die Meldungen aus dem Katastrophengebiet bereits Nachrichten über neue Gefechte. "Ich glaube, das ist eine Arroganz des Militärs und auch ein typisches Phänomen für Aceh, dass für die Lösung der Probleme in der Provinz das Militär zuständig ist", sagt Aguswandi, Sprecher der in London ansässigen indonesischen Menschenrechtsorganisation Tapol. "Die Armee dominiert die Politik."

Macht der Armee

Nicht nur um die Rebellen der Unabhängigkeitsbewegung Freies Aceh, der GAM, zu bekämpfen, kontrolliert das indonesische Militär die Provinz. In Aceh fördert der US-Konzern Exxon Mobile auf dem größten Erdgasfeld der Welt - übrigens außerhalb des Katastrophengebiets gelegen - und bezahlt dafür an Indonesien rund eine Milliarde US-Dollar im Jahr. Die Armee schützt die Anlagen und lässt sich dafür mit gut sechs Millionen Dollar bezahlen. Mit derartigen Aufträgen lebt das indonesische Militär, denn es ist auf eigene Einnahmen angewiesen. "Das indonesische Militär wird nur zu einem geringen Teil aus dem indonesischen Haushalt bezahlt und es muss sich die restlichen Gelder auf andere Weise beschaffen", erklärt Matthias Diedrich, Indonesien-Experte der Universität Frankfurt.

Welche Hilfe hilft?

Ohne Hilfe von außen wird das hoch verschuldete Schwellenland Indonesien die Folgen nicht bewältigen können. Aber in einem Bürgerkriegsgebiet kann Wiederaufbauhilfe nicht nachhaltig wirken. Das Konflikt-Muster in Aceh gleicht dem anderer Krisenprovinzen der Inselrepublik: Gefördert, abgeholzt, abgebaut wird vor Ort - bezahlt wird in Jakarta. Nur ein geringer Teil der Erlöse fließt in die Regionen zurück. Alle Versuche in Aceh, einen Ausgleich auf dem Verhandlungsweg zu finden, sind bisher gescheitert. Nach dem letzten Versuch verhängte die Regierung 2003 den Ausnahmezustand. Seitdem herrscht faktisch das Militär. Tausende von Menschen sind den Auseinandersetzungen zum Opfer gefallen. Massengräber gibt es in Aceh nicht erst seit der Flutkatastrophe.

Islamisten auf dem Vormarsch?

Spätestens seit der Ost-Timor-Krise herrscht bei Indonesiens Militärführern tiefes Misstrauen gegenüber ausländischen Kollegen. Schließlich wurde die völkerrechtswidrige Annexion der ehemaligen portugiesischen Kolonie durch den Einsatz internationaler Truppen beendet. Die indonesischen Soldaten und Generäle mussten abziehen. Die Menschenrechtsverletzungen während der Besatzungszeit sind bis heute noch nicht juristisch aufgearbeitet. Ost-Timor ist nicht Aceh, aber dass unter indonesischen Militärs die Furcht grassiert, hier könnten mit Hilfe ausländischer Soldaten Unabhängigkeitsprozesse forciert und Menschenrechtsverletzungen aufgedeckt werden, ist nicht von der Hand zu weisen. Auch die Gegenseite, die Bewegung Freies Aceh, die GAM, ist in der Wahl ihrer Mittel nicht zimperlich in ihrem seit nunmehr 30 Jahre dauernden Kampf um Acehs Unabhängigkeit.

In Aceh gilt bereits in eingen Teilen des gesellschaftlichen Lebens die Scharia, das islamische Recht. Während die GAM-Rebellen für ein unabhängiges islamisches Aceh kämpfen, wollen Indonesiens radikale Islamisten ein panislamischen Staat, der weit über die Grenzen des Landes hinausreicht. Ein neuer, ein zusätzlicher Konfliktherd für die Krisenprovinz?

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