"Achtung, Achtung" - 90 Jahre Radio in Deutschland
29. Oktober 2013"Achtung, Achtung, hier ist die Sendestelle Berlin im Vox-Haus auf Welle 400 Meter. Meine Damen und Herren, wir machen Ihnen davon Mitteilung, dass am heutigen Tage der Unterhaltungsrundfunkdienst mit Verbreitung von Musikvorführungen auf drahtlos-telefonischem Wege beginnt." Mit diesen Worten des Senders "Funk-Stunde AG Berlin" startete am 29.10.1923 um 20 Uhr die erste Rundfunkübertragung in Deutschland.
Gesendet wurde an diesem Tag eine Musikübertragung - ein Foxtrott, der live ins Mikrofon gespielt wurde. Hörer gab es jedoch kaum, da nur wenige Menschen eines der teuren Empfangsgeräte besaßen.
Neben der Musik stand schon in den ersten Jahren des Rundfunks die Übertragung von Sportereignissen auf dem Programm. Funk-Stunde-Reporter Alfred Braun berichtete 1930 live aus dem Berliner Stadion vom "Länderkampf" Deutschland gegen England - gemeint war ein Fußballspiel.
Propaganda der Nazis
Ende 1931 endete ein Patent der Firma Telefunken, so dass nun auch andere Unternehmen an der Entwicklung von Radioempfängern arbeiten konnten und die Preise deutlich sanken. In der Folge entstand der sogenannte "Volksempfänger", den die Nationalsozialisten schnell als Propagandawaffe entdeckten und für ihre Zwecke missbrauchten.
"Der Rundfunk hat sich der Zielsetzung, die sich die Regierung der Nationalen Revolution gestellt hat, ein- und unterzuordnen", erklärte Propagandaminister Joseph Goebbels 1933 in einer Ansprache an die Hörfunkdirektoren. Das Hören von ausländischen Sendern wurde unter Strafe gestellt.
Demokratischer Neuanfang
Nach dem Krieg beschlossen die drei westlichen Siegermächte Frankreich, Großbritannien und die USA, ein staatsfernes, öffentlich kontrolliertes Rundfunksystem zu errichten: gebührenfinanziert und dezentral organisiert. Die Verbreitung demokratischer Ideen hatte dabei oberste Priorität. Vorbild war die britische BBC.
Vor allem durch die Soldatensender der Besatzungsmächte kam in den Nachkriegsjahren auch neue, englischsprachige Musik nach Deutschland. Um keine Hörer zu verlieren, nahmen bald auch die deutschen Sender diese Titel in ihr Programm auf.
Von Köln nach Kigali
Seit 1953 gibt es mit der Deutschen Welle einen deutschen Auslandssender. Das Programm wurde über die Jahre stark ausgeweitet, immer mehr Sprachen kamen hinzu und in immer entlegeneren Regionen konnte das Programm empfangen werden.
Heinz-Peter Friedrich kam 1975 nach seinem Ingenieur-Studium zur Deutschen Welle, deren Zentrale damals in Köln war. Nach einer kurzen Einarbeitung in der Zentrale nahm er die Arbeit an der Relaisstation in Kigali in Ruanda auf. An der Relaisstation wurde das Sendesignal aus Deutschland aufgenommen, verstärkt und so das Programm auf dem ganzen afrikanischen Kontinent ausgestrahlt. Friedrich erinnert sich gerne an die Zeit in Kigali zurück, in der vielfältige Anforderungen an ihn gestellt wurden: "Das Aufgabengebiet reichte so weit, dass wir sogar unsere eigenen Wasserversorgung sicherstellen mussten."
Die Entwicklung des Radios bei der Deutschen Welle hat er bis heute begleitet. "Der Höhepunkt des Hörfunkbereichs bei der DW war zwischen 1983 und 1992", so Friedrich. Damals wurde das Hörfunkprogramm von weltweit sechs eigenen Standorten verbreitet.
Medium im Wandel
Mittlerweile haben Fernsehen und Internet bei der Deutschen Welle, wie auch bei anderen Sendern, dem Hörfunk Konkurrenz gemacht. Das Radio wird in erster Linie nebenbei gehört, erklärt Wolfgang Mühl-Benninghaus, Medienwissenschaftler von der Berliner Humboldt-Universität: beim Autofahren, bei der Hausarbeit oder einfach, um zu entspannen.
Sogenannte Streaming-Dienste im Internet machen Radioprogramme aus allen Regionen der Welt an jedem Ort verfügbar. Heimische Sender, die ihr Signal klassisch über Funkwellen ausstrahlen, bekommen so neue Konkurrenz.
Mühl-Benninghaus glaubt trotzdem nicht, dass das Radio in seiner altbekannten Form aussterben wird - wenn es sich wandelt: "Der Konsument wird sich nicht mit zwei oder drei landesweiten Programmen begnügen." Vielmehr müsse er sich regional ausrichten und inhaltlich stärker an einzelne Zielgruppen wenden. So hat vielleicht auch der Foxtrott wieder eine Chance, im Radio gehört zu werden.