Er war zur falschen Zeit am richtigen Ort. Zwischen Griechenlandkrise, Atomabkommen und der Wiedereröffnung der US-Botschaft in Havanna am 20. Juli jettete der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier nach Kuba.
Nur knapp zwei Tage dauerte der deutsch-kubanische Rausch. Nur zwei Tage wandelte Steinmeier im Labyrinth des kubanischen Sozialismus. Nur zwei Tage nahm er sich Zeit, um mit Unternehmern und Kulturschaffenden vor Ort zu sprechen.
Dabei hätte der Kurztrip zu den Alt-Revolutionären in Havanna mehr politische Aufmerksamkeit verdient. Als erster bundesdeutscher Außenminister in Kuba hätte Steinmeier ein revolutionäres Zeichen nach dem Motto setzen können: Wir überlassen Kubas politische Zukunft nicht allein den USA.
Doch genau dieses Zeichen blieb aus. Künftig wird deshalb jenseits von Havanna vor allem im US-Kongress Kuba-Politik betrieben. Denn ohne die Zustimmung der Abgeordneten und Senatoren in Washington kann das US-Handelsembargo gegen Kuba nicht aufgehoben werden.
Wann fällt das Embargo?
Nicht nur amerikanische, auch europäische und deutsche Firmen sowie Investoren weltweit warten sehnlichst auf diesen Schritt. Schließlich wollen sie durch geplante Investitionen auf Kuba nicht ihren Zugang zum US-Markt aufs Spiel setzen.
Doch je näher das Ende des Embargos rückt, so scheint es, desto delikater wird die politische Lage für das Castro-Regime in Havanna. Schließlich dient die Feindschaft gegenüber den USA seit mehr als 50 Jahren als Legitimation des Ein-Parteien-Systems.
Nicht nur im Palast der Revolution, auch in den Straßen von Havanna geht eine diffuse Angst um, was nach dem Ende des Embargos kommt. Wird Kuba dem Beispiel Chinas folgen? Oder tendiert es zur sozialen Marktwirtschaft Europas? Oder kommt der amerikanische Kapitalismus?
Aus deutscher Perspektive sind dies bekannte und berechtigte Fragen. Schließlich fürchteten auch bei der deutschen Wiedervereinigung 1990 viele ehemalige DDR-Bürger den Ausverkauf ihrer Republik.
Die USA haben Vortritt
Außenminister Steinmeier hätte über den heiklen Übergang von einer sozialistischen Planwirtschaft zu einer sozialen Marktwirtschaft sicherlich detailliert Auskunft geben können. Er hätte die Schwierigkeiten und sozialen Verwerfungen, die dabei auftreten, benennen können.
Er hätte Einsichten und Lektionen, die daraus gewonnen wurden, weitergeben können. Er hätte über die Suche nach einem Dritten Weg zwischen Kapitalismus und Kommunismus sprechen können, der in Deutschland misslang, aber von dem in Kuba noch immer viele Menschen träumen.
Doch für längeren Aufenthalt mit ausführlichen Gesprächen auf Kuba hatte Steinmeier einfach keine Zeit. Deutschland ist weit weg und vermutlich mehr mit seinen eigenen, sowie den bekannten europäischen Problemen beschäftigt. Nach dem Besuch Steinmeiers ist klar: Kuba wird künftig wohl häufiger mit Washington verhandeln als mit Berlin. Adiós, Alemania!