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Politik

Driften Polizei und Bundeswehr nach rechts?

Kay-Alexander Scholz
27. Juni 2019

Unter Polizisten und Soldaten soll es besonders viele Anhänger der rechtspopulistischen AfD geben. Zahlen aber gibt es keine. Dafür verbergen sich hinter der angestoßenen Debatte andere handfeste politische Konflikte.

Symbolbild Innere Sicherheit Sperre mit Polizeikontrolle
Bild: picture-alliance/dpa/T. Larkin

Die Herren in dunklen Anzügen von der "Alternative für Deutschland" (AfD) richten sich in ihren Stühlen auf, ihre Mundwinkel gehen nach oben. Diese Antwort geben sie gern. Ja, die Beziehungen zu Angehörigen von Polizei und Bundeswehr seien sehr gut, würden gepflegt, es gebe viele AfD-Anhänger unter ihnen, die CDU habe keinen Anspruch auf "Gehorsam" unter Soldaten.

Die das sagen, kommen aus dem derzeit erfolgreichsten AfD-Landesverband, aus Sachsen, und strotzen vor Selbstbewusstsein - auch bei dem extra für die Hauptstadtpresse anberaumten Kennenlerntermin unweit Berlins in einem See-Hotel.

Steilvorlage für die AfD

Die Debatte über die parteipolitischen Neigungen deutscher Sicherheitskräfte hat nicht die AfD selbst angestoßen, sondern Friedrich Merz, der fast Vorsitzender der CDU geworden wäre und gegen Annegret Kramp-Karrenbauer unterlegen war. "Wir verlieren Teile der Bundeswehr und Polizei an die AfD." Viele fühlten sich im Stich gelassen, so Merz.

Nur wenig später bestätigten die beiden deutschen Polizeigewerkschaften - im Einklang - gewisse Sympathien für die AfD in den eigenen Reihen. Das sei eine "politische Spätfolge der Flüchtlingskrise", als die Beamten von ihrem gesetzlichen Auftrag, eine unerlaubte Einreise nach Deutschland zu unterbinden, hätten abweichen müssen, so Jörg Radek, Vize-Chef der "Gewerkschaft der Polizei". Er könne die Aussagen von Merz definitiv bestätigen, hieß es vom Vorsitzenden der "Deutschen Polizei-Gewerkschaft", Ernst G. Walter. Auch ihm bereite es große Sorgen, dass immer mehr Kollegen sich nicht mehr von den etablierten Parteien vertreten fühlten und über "Alternativen" nachdächten.

Teil der Kritik: Polizei und Soldaten hätten sich während der Flüchtlingskrise allein gelassen gefühlt Bild: picture-alliance/dpa/T. Hase

Nicht nur die AfD in Sachsen, sondern auch die Führung der Bundestagsfraktion klopfte sich nach diesen Aussagen erst einmal stolz auf die eigene Brust. Die Kritik an der Flüchtlingswelle 2015/16 gehört schließlich zu ihrem Kerngeschäft. Nun wiesen auch andere auf die Folgen hin.

Debatte ohne statistische Grundlage

Doch die Debatte hat eine Schwäche: Es bleiben Thesen, weil es keine oder keine flächendeckenden Zahlen zu AfD-Mitgliedern und AfD-Wählern in Polizei, Bundeswehr und Sicherheitsbehörden gibt. Die Diskussion basiert auf Hören-Sagen, gefühlter Realität und persönlichen Erfahrungen.

Die AfD wurde bei der letzten Bundestagswahl mit 12,6 Prozent stärkste Oppositionspartei. In Sachsen und anderen Regionen Ostdeutschlands liegt sie bei knapp 25 Prozent. Aber eine Statistik über die Berufe von AfD-Mitgliedern oder AfD-Parlamentariern kann die Bundesgeschäftsstelle nicht liefern.

Immerhin: Bei der AfD-Bundestagsfraktion ist von 13 beruflich passenden Lebensläufen die Rede - bei insgesamt 91 Abgeordneten.

Wer welche Partei wählt, unterliegt in Deutschland dem Wahlgeheimnis.

Kampf um die innere Sicherheit

Bedeutung erfuhr die Debatte aber auch, weil sie auf andere Konflikte zeigt. Innere Sicherheit ist ein klassisches Gewinnerthema für konservative Parteien wie die CDU - eigentlich. Zur Strategie der AfD gehört es, der CDU diese Kompetenz abspenstig zu machen. Die AfD sei die eigentliche "Rechtsstaatspartei", heißt es von ihr.

Hinter dem Vorstoß von Merz und anderen CDU-Politikern steckt die Absicht, gegenzusteuern und der AfD dieses Themenfeld nicht zu überlassen. Die Hinwendung zur AfD sei letztlich nur Protest, glaubt der langjährige CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach. Die CDU brauche einen Politikwechsel, dann kämen auch verloren gegangene Wähler zurück. Der politische Kampf um die innere Sicherheit ist im vollen Gange - auch an anderer Stelle.

Angela Merkel widerspricht

Im Herbst wird Sebastian Wippel von der AfD mit hoher Wahrscheinlichkeit erneut in den sächsischen Landtag gewählt. Der Polizei-Kommissar, der trotz seines Landtagsmandats einige Stunden Dienst pro Woche schiebt, wäre in Görlitz beinahe Deutschlands erster AfD-Oberbürgermeister geworden. Im Wahlkampf präsentierte er sich als Law-and-Order-Mann. Das kam gut an. Letztlich gewann - wenn auch knapp - ein CDU-Kandidat.

Abschied für immer? Friedrich Merz unterlag Ende 2018 beim Kampf um den CDU-Vorsitz Annegret Kramp-Karrenbauer Bild: Getty Images/S. Gallup

Es geht aber nicht nur um die AfD, sondern auch um einen CDU-internen Streit. Merz wird nachgesagt, am liebsten doch noch Angela Merkel als Parteivorsitzender und/oder Kanzler beerben zu wollen. Merz gegen Merkel steht auch für einen Richtungsstreit in der CDU. Sie teile die Aussage von Merz nicht, sagte die Kanzlerin bei einer Fragestunde im Bundestag.

Gibt es ein rechtsextremes Terror-Netzwerk?

Die Debatte sorgte noch aus einem weiteren Grund für Schlagzeilen: Gibt es ein rechtsextremes Netzwerk in Armee, Polizei und Geheimdiensten bis hin zu AfD-Mitgliedern? Auch die DW berichtete vor einem Jahr über Recherchen zu einem Untergrundnetzwerk, das sich auf einen "Tag X" vorbereite, einen Bürgerkrieg wolle und Erschießungslisten politischer Feinde erstellt habe.

Aktuelle Meldungen passen dazu - Mord an einem Bürgermeister, eine vermutlich rechtsterroristische Zelle wurde aufgedeckt. Oder, schon etwas älter: rechtsextreme Chats unter Polizisten, Sabotageversuche bei Ermittlungen zur Terrorgruppe NSU, Ermittlungen von Staatsanwaltschaften im sogenannten "Prepper"-Milieu. Der Bundesinnenminister versprach nun, zukünftig noch intensiver gegen Rechtsextremismus vorgehen zu wollen.