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AfD beendet Parteitag der Entscheidungen

Kay-Alexander Scholz5. Juli 2015

Frauke Petry hat sich nicht nur beim Kampf um die Führung, sondern auch beim Personal durchgesetzt: Alle drei Stellvertreter gehören ihrem Lager an. Ex-AfD-Vize Henkel erklärte seinen Austritt.

AfD - Bundesparteitag der Alternative für Deutschland (Reuters)
Bild: Reuters/W. Rattay

Alexander Gauland, Fraktionsvorsitzender der Alternative für Deutschland in Brandenburg und nun noch mächtiger, jubelte über die neue Meinungsfreiheit in der Partei. Die einzige "rote Linie" sei die freiheitlich-demokratische Grundordnung. Sonst aber müsse über jedes Thema diskutiert werden. Auch die NATO-Mitgliedschaft Deutschlands dürfe nicht in Stein gemeißelt sein. Der als "Russland-Versteher" bekannte Gauland sprach sich gegen das transatlantische Freihandelsabkommen TTIP und für eine Freihandelszone mit Russland aus.

Neben ihm wird als weitere stellvertretende Vorsitzende Beatrix von Storch sitzen. Sie kann sich auch einen EU-Austritt vorstellen, vertritt das klassische Vater-Mutter-Kind-Familienbild und will das Finanzierungsmodell des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, den Rundfunkbeitrag, abschaffen.

Deutliche Signale

Beide wurden mit weit über 80 Prozent gewählt - der Parteitag stellte sich klar hinter Gauland und von Storch. Der Dritte im Bunde der stellvertretenden Vorsitzenden, Albrecht Glaser, ist gegen eine "Partei der vermögenden Großbürger" und will "Schicksalsfragen, die den Menschen auf der Seele brennen", ansprechen.

Noch sind das nur unverbindliche Meinungsäußerungen und es steckt viel populistisches Kalkül dahinter. Eine programmtisch-bindende Entscheidung gibt es bisher nicht. Erst im kommenden November will sich die AfD ein ordentliches Parteiprogramm geben. Aber es sind klare Signale, wohin die Parteiführung tendiert.

Ein Signal auch: Petry hat für den Vorstand einen Kandidaten der "Jungen Alternative" (JA) durchgesetzt. Der auf dem Parteitag geschasste AfD-Gründer Bernd Lucke scheute die Nähe zur Nachwuchsorganisation - wegen zu radikaler Äußerungen. Petry aber sieht auch die strategischen Vorteile, so die doch recht betagte Parteibasis zu verjüngen. Opfer dieser Personalentscheidung ist Konrad Adam, der bei den Wahlen unterlag. Gerade noch war er neben Lucke und Petry einer von drei Parteisprechern - jetzt verließ er den Saal voreilig und tief getroffen.

Siegerfreude: Alexander Gauland, Frauke Petry und der neue zweite Bundesvorsitzende der AfD, Jörg MeuthenBild: picture-alliance/dpa/M. Hitij

Die neue starke Frau

Wird Petry so mächtig bleiben, wie sie es durch den Parteitag in Essen geworden ist? Ihrer Biographie zufolge ist sie eine zähe Kämpfernatur. Studium mit Bestnote, vier Kinder, als Unternehmerin mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Und dabei ist sie gerade erst 40 Jahre alt. Anfällig für Eitelkeiten ist sie weit weniger als Lucke. Nach ihrer Wahl verbeugte sie sich, statt auf der Bühne eine Siegerpose einzunehmen. Dem Unterlegenen Lucke reichte sie die Hand. Zur After-Wahlparty kam sie in Jeans, T-Shirt und Turnschuhen. Sie wirkt sehr protestantisch - immer arbeitsam, bescheiden und direkt.

Petry ist als 14-Jährige nach der Wende mit ihren Eltern in den Westen gezogen, hat dort Naturwissenschaften studiert. Diese Ost-West-Biografie dürfte ihr für den parteiinternen Ausgleich von Vorteil sein. Aber Petry kennt auch Niederlagen, anders als Lucke. Ihr Unternehmen ging pleite, auch privat musste sie Insolvenz anmelden.

Und Lucke?

Ihre Führungsqualitäten wird Petry schnell unter Beweis stellen müssen. Denn der Machtkampf zwischen ihr und Lucke hat der AfD Wunden zugefügt. Zunächst sah es noch danach aus, dass die Parteitagsdelegierten nach der Führungsentscheidung erleichtert waren, zu Beginn des zweiten Tages haben sie viel gelacht und Äußerungen gemacht wie: "Jetzt macht die AfD wieder Spaß."

Dann änderte sich das Klima, weil Lucke sich als schlechter Verlierer präsentierte. Statt wie versprochen für die Einheit der Partei zu kämpfen, drohte er mit Austritt und damit, Hunderte andere mitzunehmen. Zur Begründung sprach er von einem "Dammbruch" nach rechts. Einer der Vorstandsposten-Bewerber hatte beim Thema Migration gesagt, man müsse wohl eher von "Invasion als von Migration" sprechen. Eine solche Aussage, wohl typisch für die neue AfD unter Petry, widerspreche seinem bürgerlichen Weltbild, so Lucke.

Ebenfalls neu ins Amt gewählt: Die zweite stellvertretende AfD-Sprecherin Beatrix von StorchBild: picture-alliance/dpa/M. Hitij

Viele AfDler im Saal waren sauer auf Lucke. Sie warfen ihm vor, die Partei durch seinen Verein "Weckruf" gespalten zu haben - Lucke hatte innerhalb der AfD seine eigene Gruppierung "Weckruf 2015" mit rund 4000 Mitgliedern gegründet. Beinahe hätte es sogar einen körperlichen Übergriff gegeben, als Lucke durch den Saal drängte, umzingelt von Journalisten und Mitgliedern.

Über sein Schicksal in der AfD hat sich der Ex-Chef in Essen nicht abschließend geäußert. Ein Parteiamt hat er jedenfalls nicht mehr inne. Eine Abspaltung des Lucke-Lagers - möglicherweise in Form einer neuen Partei - ist damit nicht vom Tisch.

Henkel: "NPD im Schafspelz"

Der frühere Industriepräsident Hans-Olaf Henkel zog währenddessen einen Schlusstrich unter seine Karriere bei der AfD. Im April war er bereits wegen des Richtungsstreits als Parteivize zurückgetreten, jetzt gab er seine endgültige Trennung von der Partei bekannt. Mit der AfD drohe eine "NPD im Schafspelz" sagte der 75-Jährige im ZDF.

Insgesamt gesehen hat die AfD in Essen wieder Fahrt aufgenommen - die Lähmung der vergangenen Monate scheint vorüber. Spannend wird sein, wie die neue, klarere Alternative für Deutschland beim Wähler ankommt. Aber auch, wie das auf die 20.000 Parteimitglieder wirkt, die nicht in Essen waren. Zu hören war von Hunderten Austrittsgesuchen. Darunter Unternehmer, die eine AfD-Mitgliedschaft nach den Signalen aus Essen nun geschäftsschädigend finden.

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