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Björn Höcke, die AfD und der Nationalsozialismus

17. April 2024

Björn Höcke, einer der radikalsten deutschen AfD-Politiker, soll eine verbotene NS-Parole verwendet haben. Deswegen muss er sich vor Gericht verantworten. Höckes Sprache ist voller Bezüge zur Nazizeit.

Björn Höcke auf AfD-Bundesparteitag in Magdeburg am 29.7.2023
Björn Höcke, Thüringer Landesvorsitzender der Alternative für DeutschlandBild: imago images

Der Straftatbestand, den Björn Höcke begangen haben soll, kommt in bestem Beamtendeutsch daher: "Verwenden von Kennzeichen einer ehemaligen nationalsozialistischen Organisation". So lautet die Anklage gegen Björn Höcke, wenn am 18. April der Prozess vor dem Landgericht Halle der Prozess beginnt.

Es geht um einen Wahlkampfauftritt am 12. Dezember 2023 in Gera, Thüringen. Im Restaurant Waldhaus "platzt der Veranstaltungssaal aus allen Nähten", freut sich der Stadtverband der Alternative für Deutschland, also Höckes Partei.

Im Laufe der Veranstaltung macht Höcke ein vermeintliches Spielchen mit seinen Anhängern. Er erzählt, dass er vor Gericht erscheinen muss, wegen einer Anklage aus dem Jahr 2021. "Weil ich mal einen Wahlkampfabschluss gemacht habe in einem rhetorischen Dreiklang: "Alles für unsere Heimat! Alles für Sachsen-Anhalt! Alles für..." Gestikulierend ermuntert Höcke dann sein Publikum, den Spruch zu Ende zu führen. Das ruft applaudierend und johlend zurück "...Deutschland!" Höcke steht lachend auf der Bühne und freut sich.

"Alles für Deutschland". Es ist die Losung von Hitlers berüchtigter paramilitärischer Organisation, der "Sturmabteilung" oder kurz SA.

Hitlers SA - paramilitärische Terrororganisation

Die SA wirkte vor allem zu Beginn des Nationalsozialismus, rund um die Machtübernahme Hitlers und seiner Partei, der NSDAP, im Jahr 1933. In dieser Frühphase überzog sie Deutschland mit Terror: tötete, folterte und schüchterte ein - vor allem Kommunisten und Juden

Hitlers Sturmabteilung, SA, bei einem Aufmarsch 1938: Terror und Hass gegen Juden und politische GegnerBild: picture alliance/dpa

Mit dem Untergang des selbsternannten "Dritten Reichs" und dem Ende des deutschen Massenmordens in ganz Europa im Jahr 1945 wurde die SA, wie alle anderen NS-Organisationen, verboten. 

Später dann, in der neu gegründeten Bundesrepublik, wurde jede Propaganda im Sinne der nationalsozialistischen Ideologie und ihrer Organisationen in Deutschland verboten, also auch die Verwendung der Losung der SA: "Alles für Deutschland".

Kannte Höcke die Bedeutung?

Aber: Wusste Björn Höcke, was für eine Parole er da verwendet? Ja, er wusste es. Gesichert zumindest beim zweiten Mal, bei seinem Auftritt in Gera. Denn er verweist ja selbst auf die Anklage.

Und: Björn Höcke ist von Beruf Geschichtslehrer. Er studierte Geschichte und unterrichtete das Fach über viele Jahre, bevor er dann für die in Teilen rechtsextreme AfD in die Politik ging und einer ihrer radikalsten Vertreter wurde.

Wenig Berührungsängste bei anderen rechten Gruppen: Björn Höcke zusammen mit Mitgliedern der islam- und ausländerfeindlichen Pegida-Bewegung 2018 in ChemnitzBild: picture-alliance/dpa/R. Hirschberger

Bemerkenswert ist, wie stark sich Höckes Wirken immer wieder direkt oder indirekt auf die NS-Zeit bezieht. Er kritisiert das Holocaust-Mahnmal zur Erinnerung an die Ermordung von sechs Millionen europäischen Juden durch die Nationalsozialisten als "Mahnmal der Schande".

Oder im Jahr 2016: Höcke äußert auf einer AfD-Kundgebung Mitleid mit der notorischen Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck, die als Wiederholungstäterin eine längere Haftstrafe antreten musste. 

Fixiert auf den Nationalsozialismus

Im Jahr 2017 geht Höcke besonders weit: In einer Rede vor dem Parteinachwuchs Junge Alternative kritisiert er den Umgang der Deutschen mit der NS-Diktatur. Er nennt ihn "dämliche Bewältigungspolitik". Und dann fordert er: "Wir brauchen eine erinnerungspolitische Wende um 180 Grad". Wenn die kritisierte Erinnerungspolitik an die NS-Zeit eine kritische, warnende oder mahnende ist, dann fordert Höcke demnach das Gegenteil: eine in welcher Form auch immer positive.

Auf ein Wort... Auschwitz

42:35

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Höcke hat in einem "Gesprächsband" im Jahr 2018 seine Gedanken als Buch veröffentlicht. Darin nennt er es falsch, dass "Hitler als absolut böse" dargestellt wird und dass es nicht so "Schwarz und Weiß" sei.

Das Buch ist voller radikaler Aussagen: Höcke sagt - so sah es auch das Verwaltungsgericht in Meiningen -, dass letztlich ein neuer Führer erforderlich sei, dass Deutschland der "Volkstod durch den Bevölkerungsaustausch" drohe. Und für Andersdenkende in der deutschen Gesellschaft gelte: "Brandige Glieder können nicht mit Lavendelwasser kuriert werden, wusste schon Hegel". 

"Höcke ist ein Faschist"

Die Aussagen in seinem Buch sind so radikal, dass ein deutsches Gericht es als Grundlage für seine Entscheidung herangezogen hat, dass die Aussage "Höcke ist ein Faschist" nicht aus der Luft gegriffen sei, sondern auf einer überprüfbaren Tatsachengrundlage beruht, so das Verwaltungsgericht Meiningen in seinem Urteil vom 26. September 2019.  

Bemerkenswert an der Medienaufmerksamkeit für Höcke und den Debatten über ihn als politischer Figur ist: Björn Höcke ist ein Politiker, der in Deutschland kein politisches Amt bekleidet und noch nie eines bekleidet hat. Und der noch nicht einmal Vorsitzender einer Partei ist oder auch nur in ihrem Bundesvorstand.

Schattenmann der AfD: Ohne Björn Höcke geht auf Bundeseben der Partei nichts mehrBild: Michael Reichel/dpa/picture alliance

Trotzdem ist er zu einem absoluten Reizpunkt in der deutschen Politik geworden, über dessen Gedanken, Weltanschauung und politisches Handeln das Land streitet.

Mann ohne Amt

Der Grund: Ob mit oder trotz seiner Radikalität - Höcke hat die AfD in seinem Bundesland Thüringen so weit zum Erfolg geführt, dass sie in Meinungsumfragen zur stärksten politischen Partei aufgestiegen ist. Und das mit der Ämterlosigkeit könnte sich 2024 ändern: Björn Höcke will Ministerpräsident in Thüringen werden.

In seiner Partei ist er, auch ohne auf Bundesebene Ämter zu führen, schon lange tonangebend. Gegen Höcke ist bei der Besetzung von Posten und Positionen kaum noch etwas durchzubringen. In einer Partei, die immer häufiger von den deutschen Sicherheitsbehörden als "rechtsextremen Verdachtsfall" geführt wird. Der AfD-Landesverband in Thüringen unter Führung von Björn Höcke wird vom Verfassungsschutz des Bundeslandes nicht als Verdachtsfall geführt. Sondern als "gesichert rechtsextremistisch".

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