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AfD, Björn Höcke und die Medien – ein schwieriges Verhältnis

17. April 2024

Wie soll man über die teilweise rechtsextreme Alternative für Deutschland berichten? Ein Patentrezept hat niemand. Die einen warnen vor Normalisierung, die anderen vor Ausgrenzung.

Vor einer Stellwand mit dem blau-weiß-roten Logo der Alternative für Deutschland (AfD) sind Mikrofone verschiedener TV-Sender wie ZDF, RTL oder NDR platziert.
Die Alternative für Deutschland verunglimpft AfD-kritische Zeitungen sowie Radio- und TV-Sender oft als "Systemmedien"Bild: Hendrik Schmidt/dpa/picture alliance

Björn Höcke dürfte auch außerhalb Deutschlands inzwischen recht bekannt sein – zumindest in politisch interessierten Kreisen. Auf Bodo Ramelow trifft diese Vermutung wohl eher nicht zu. Gemessen an ihren Funktionen müsste es allerdings umgekehrt sein: Höcke leitet seit 2014 die oppositionelle Parlamentsfraktion der Alternative für Deutschland (AfD) in Thüringen. Ramelow ist, ebenfalls seit 2014, mit einer kurzen Unterbrechung Ministerpräsident dieses Bundeslandes.

Höckes höherer Bekanntheitsgrad hat andere Gründe: Er gilt als einflussreichster Rechtsextremist innerhalb der AfD. Medial spielt das eine größere Rolle als die keineswegs banale Tatsache, dass Ramelow der erste und einzige Regierungschef eines deutschen Bundeslandes von der Linkspartei ist. Höcke träumt davon, nach der Landtagswahl im September Ramelows Nachfolger zu werden.

Das ist – grob skizziert – die politische Gemengelage im April 2024. Hinzu kommt, dass der vom Verfassungsschutz beobachte AfD-Mann öffentlich eine verbotene Parole der Kampforganisation SA (Sturmabteilung) aus der Zeit des Nationalsozialismus verwendet haben soll und dafür vor dem Landgericht Halle angeklagt wurde.

Über die AfD reden oder mit ihr?

In der Medienlandschaft spiegelt sich das so wider: Über den Ministerpräsidenten Ramelow wird außerhalb Thüringens nur am Rande berichtet, während sein Herausforderer auf allen Kanälen präsent ist. Allerdings ist Höcke dabei meistens Objekt und selten Subjekt: Es wird also mehr über ihn geredet als mit ihm. Das gilt auch für seine Partei.

Und nun gab es eine umstrittene Premiere im deutschen Fernsehen: Höcke duellierte sich live mit dem selbst in Thüringen nur mäßig bekannten christdemokratischen (CDU) Spitzenkandidaten Mario Voigt. Dafür hatte der werbefinanzierte Privatsender "Welt-TV" zur Primetime am Abend 45 Minuten eingeplant. Am Ende dauerte der Schlagabtausch deutlich länger als eine Stunde.

Premiere im deutschen TV: ein Duell zwischen dem rechtsextremen AfD-Politiker Björn Höcke (l.) und dem Christdemokraten Mario Voigt Bild: Martin Lengemann/WELT/dts Nachrichtenagentur/IMAGO

Zwischen Aufklärung und Spektakel

Schon Tage vorher war das wie ein Spektakel im Boxring inszenierte Aufeinandertreffen Dauerthema in den Medien. Das Magazin "Der Spiegel" hielt das von Anfang für einen Fehler: "Natürlich wird Höcke nach diesen 71 Minuten für viele einen Tick normaler und gesellschaftsfähiger wirken als zuvor."

Ganz anders sieht das der Politik-Wissenschaftler Oliver Lembcke von der Universität Bochum: "Das permanente Weglaufen, Ausladen und Ausgrenzen der AfD mit immer wieder denselben Phrasen aus der Gefahren-Perspektive heraus hat dazu geführt, dass sich Höcke zu einer Art Magier oder dunkler Lord entwickeln konnte." Lembckes Einschätzung erschien in der "Bild", Deutschlands reichweitenstärkster Boulevard-Zeitung.

Journalistenverband fordert Warnhinweis

Ginge es nach dem Deutschen Journalistenverband (DJV), sollten alle Medien ihre Berichterstattung über die AfD spätestens dann neu justieren, wenn die gesamte Partei vom Verfassungsschutz als "erwiesen rechtsextremistisch" eingestuft wird. In drei von 16 Bundesländern, darunter Thüringen, ist das schon der Fall. Der DJV-Vorsitzende Mika Beuster fordert: "Das muss wie ein unübersehbarer Warnhinweis wie auf Zigarettenschachteln in unseren Artikeln auftauchen."

Wie schwierig der vermeintlich richtige Umgang mit der AfD ist, hat der Medienwissenschaftler Bernd Gäbler bereits 2017 und 2018 in zwei Studien für die Otto-Brenner-Stiftung analysiert. Darin rät er, nicht in die Ausgrenzungsfalle zu tappen. Das bedeute aber auch nicht, "dass AfD-Politiker an jedem Forum teilnehmen müssen oder für Interviews genauso anzufragen sind wie alle anderen Politiker".

Medienwissenschaftler: "Die AfD ist keine Partei wie jede andere"

Es sei keine Pflicht, in der Diskussion des lokalen Hörfunks über die neue Schnellstraße auf jeden Fall auch den Verkehrsexperten der AfD zu Wort kommen zu lassen, meint der ehemalige Journalist Gäbler. "Denn die AfD ist keine Partei wie jede andere." Gehe es allerdings darum, alle im lokalen Parlament vertretenen Fraktionen anzuhören, sei auch die AfD hinzuzuziehen, wenn sie parlamentarisch vertreten sei.

Welche Maßstäbe im Fall Höckes anzulegen sind, daran scheiden sich aber weiterhin die Geister. Die Chefredakteurin der genossenschaftlich finanzierten linksalternativen Tageszeitung "taz", Ulrike Winkelmann, hat dazu eine klare Meinung: Nur "keine Bühne den Faschisten" zu rufen, helfe nicht viel, denn die AfD habe längst eigene Bühnen: "Einen Gutteil ihrer Bedeutung hat sie sich auf ihren parallelweltlichen Plattformen im Netz erschaffen, wo die deutsche Welt pausenlos untergeht."

Die AfD sorgt für Klicks und Reichweite

Außerdem empfiehlt Winkelmann einen kritischen Blick auf die Branche, in der sie selbst arbeitet: "Zugeben, dass es immer auch eigene materielle Interessen – Klicks und Reichweite – gibt, sich in die Deutungs- und Empörungsschleifen mit reinzuhängen." 

Die "Süddeutsche Zeitung" verweist darauf, dass sich Höcke in den sozialen Medien längst selbst eine große Bühne geschaffen habe. Das Dilemma: "Auf YouTube, TikTok oder rechtsextremen Onlineportalen widerspricht nur keiner." Das sei beim TV-Duell mit seinem CDU-Kontrahenten Voigt anders gewesen. Er und das Moderatoren-Team hätten Höckes Schwächen bloßgelegt.

Höcke: Rassismus und Erinnerungslücken

Als Beleg für diese These wird auf eine Passage aus seinem eigenen Buch verwiesen, in der Höcke die in Hamburg geborene Vizepräsidentin des Bundestages, Aydan Özoğuz, rassistisch attackiert. An den Satz, dass die Sozialdemokratin in Deutschland nichts verloren habe, konnte sich Höcke angeblich nicht erinnern.

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Die "Berliner Zeitung" lenkt den Blick auch auf das Publikum: "Zum ersten Mal trafen im Rahmen eines Streitgesprächs Positionen aufeinander, die einander kategorisch ausschließen, aber in der Bevölkerung tagtäglich in Kneipen, Sport- und Schützenvereinen, am Arbeitsplatz diskutiert werden."

Journalistische Tugenden und klassisches Handwerkszeug

Und was aus Sicht des Medienwissenschaftlers Bernd Gäbler entscheidend ist, hat er schon 2017 in seiner ersten Studie geschrieben: "Notwendig ist kein eigener, speziell auf die AfD zugeschnittener Journalismus. Vielmehr ist die AfD lediglich eine neue Herausforderung, um sich alte journalistische Tugenden und das klassische Handwerkszeug erneut vor Augen zu führen."

 

Marcel Fürstenau Autor und Reporter für Politik & Zeitgeschichte - Schwerpunkt: Deutschland
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