AfD und BSW gegen Deutsche Ukraine-Unterstützung
4. September 2024"Wir unterstützen die Ukraine in ihrem Abwehrkampf gegen den russischen Angriffskrieg. Das setzen wir selbstverständlich fort", sagte eine Sprecherin der Bundesregierung nach den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen. Doch wie selbstverständlich ist das nach dem Wahlerfolg der Alternative für Deutschland (AfD) und des Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW)? Beide Parteien wollen die Waffenhilfe für die Ukraine beenden und streben ein besseres Verhältnis zu Russland an.
Zwar wird auf Länderebene gar keine Außen- und Sicherheitspolitik gemacht, im Wahlkampf war das Thema dennoch wichtig. Sahra Wagenknecht hatte die Wahl zu einer Abstimmung über Krieg und Frieden hochstilisiert. Und der Thüringer AfD-Landeschef Björn Höcke hatte gesagt: "Diese Ostwahlen entscheiden auch, ob dieses Land den Kriegskurs verlässt oder ob es weiter in Richtung Krieg-Eskalation hineinmündet."
Warum Ostdeutsche Russland anders sehen
Zahlen unterstreichen, welches Problem die Bundesregierung, die die Ukraine laut Bundeskanzler Olaf Scholz "so lange wie nötig" unterstützen will, mit der Stimmung vor allem im Osten Deutschlands hat.
In Ostdeutschland befürchten nach Angaben aus dem diesjährigen Sicherheitsreport des Meinungsforschungsinstituts Allensbach vom Jahresanfang 76 Prozent der Befragten, dass Deutschland in einen militärischen Konflikt hineingezogen werden könnte. Im Westen sind es mit 44 Prozent deutlich weniger. Im ARD-Deutschlandtrend im Juli sagten 36 Prozent der befragten Deutschen insgesamt, aber 50 Prozent der Ostdeutschen, die Waffenlieferungen an die Ukraine gingen ihnen "zu weit".
"Viele Menschen im Osten fürchten eine Eskalation des Krieges durch weitere Waffenlieferungen", schreibt Katja Hoyer der DW. Die Historikerin stammt aus dem ostdeutschen Bundesland Brandenburg und lebt heute in Großbritannien. "Ich habe in den letzten Wochen immer wieder das Argument gehört, dass man Russland ohnehin nicht besiegen könne und dass weitere Unterstützung an die Ukraine nur unnötig provoziere und den Krieg hinauszögere."
Das hänge wohl auch mit den Erfahrungen sowjetischer Macht in der DDR bis zum Mauerfall und der deutschen Wiedervereinigung zusammen. "Die Sowjetunion war eine von zwei Weltmächten, die Ehrfurcht davor hat sich bei einigen im Osten auf das heutige Russland übertragen, bei vielen im Westen nicht." Außerdem, so Katja Hoyer, sei die Wahrnehmung der Sowjetunion bei den Menschen in der DDR nicht durchweg negativ gewesen.
CDU in der Zerreißprobe
Im Wahlkampf griff auch der sächsische CDU-Ministerpräsident Michael Kretschmer diese Stimmung auf. Er fordert seit längerem ein "Einfrieren" des Ukraine-Krieges. In der CDU-Bundespartei, der größten Oppositionspartei im Bundestag, sorgt das für Irritationen, weil man die Äußerung als Verrat an der Ukraine empfindet.
Entsetzt darüber ist unter anderem der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter. Der DW schreibt er, leider habe sich auch die CDU von "zwei Kreml-Ablegern" (gemeint sind AfD und BSW) treiben lassen. "Ein 'Einfrieren' des Krieges hätte massive Kriegsverbrechen in den besetzten Gebieten zur Folge und würde einen Eingriff westlicher Staaten mit Soldaten bedeuten, um eine Frontlinie zu sichern. Es würde zur Blaupause für andere aggressive Länder dienen und hätte Millionen an weiteren Flüchtlingen und Vertriebenen zur Folge, die nach Deutschland und Westeuropa fliehen müssen." Die Stimmung im Osten erklärt sich Kiesewetter mit einer verbreiteten "Romantisierung Russlands, Geschichtsverklärung und Antiamerikanismus".
Doch Ministerpräsident Kretschmer hat offenbar bei seinen Landsleuten in Sachsen einen Nerv getroffen. Die sächsische CDU landete bei der Wahl wohl auch wegen seiner kritischen Haltung zur Ukraine-Unterstützung knapp vor der rechten AfD, die ihrerseits keine Bedenken hat, Russland die Hand zu reichen.
Die Koalitions-Gretchenfrage
Ganz konkret wird die Frage "Wie hältst Du‘s mit der Ukraine-Unterstützung?" bei den anstehenden Koalitionsverhandlungen in Sachsen und Thüringen. Die CDU hat in beiden Ländern gute Chancen, den Ministerpräsidenten zu stellen, braucht aber Koalitionspartner. Ein Bündnis mit der AfD hat die CDU ausgeschlossen, nicht aber mit dem BSW, und ohne das BSW dürfte es in beiden Ländern nicht klappen mit der Regierungsbildung.
Sahra Wagenknecht hatte vor den Wahlen zur Bedingung für eine Koalition mit ihrer Partei eine geänderte Haltung zur Ukraine-Frage gemacht: "Wir werden uns nur an einer Landesregierung beteiligen, die auch bundespolitisch klar Position für Diplomatie und gegen Kriegsvorbereitung bezieht."
Inzwischen hört sich das geschmeidiger an: Eine Landesregierung mit BSW-Beteiligung müsse öffentlich zum Ausdruck bringen, dass sie sich mehr "diplomatische Initiativen" der Bundesregierung für ein Ende des Ukraine-Kriegs wünsche und Waffenlieferungen an Kiew "nicht in dieser Dimension" befürworte.
CDU-Politiker nennt BSW "verlängerten Arm des Kreml"
Kann das BSW seine Bedingung durchsetzen? "In Sachsen dürfte das keine große Herausforderung sein", meint die Historikerin Katja Hoyer. "Kretschmer hat sich ja selbst von Anfang an deutlich gegen Waffenlieferungen ausgesprochen. Da würde sich dann also auch nicht viel ändern, was die Töne aus Sachsen zur Ukraine-Politik angeht."
Anders sei es in Thüringen, glaubt sie, wo die AfD stärkste Partei geworden ist. "Da kann und will das BSW Druck auf eine CDU ausüben, die die Wahl nicht gewonnen hat. Fast die Hälfte der Menschen haben dort für AfD und BSW gestimmt und damit für Parteien, die eine russlandfreundliche Haltung einnehmen. Auch wenn Wagenknecht es ausschließt, würde eine Koalition der beiden Parteien eine Mehrheit im Landtag ergeben. Damit hat das BSW einen ziemlich langen Hebel, um Zugeständnisse der CDU zu erzwingen."
Der CDU-Bundespolitiker Roderich Kiesewetter rät dagegen dringend von Zugeständnissen an das BSW ab: "Das BSW ist ein verlängerter Arm des Kreml und widerspricht allen Werten, für die die Union (Red.: CDU und CSU) traditionell steht: Frieden in Freiheit und Selbstbestimmung, Völkerrecht, Demokratie und Westbindung." Eine Zusammenarbeit mit dem BSW, so Kiesewetter, "würde einer Selbstzerstörung gleichkommen".
Doch bisher ist nicht klar, wie CDU-geführte Landesregierungen in Sachsen und Thüringen ohne das BSW gebildet werden können. Ein Ausweg könnte sein, dass beide Seiten auf die Nichtzuständigkeit des Themas Ukraine auf Länderebene verweisen und sich vage zu Friedensbemühungen bekennen.
Für die Bundespolitik ist das Thema aber in keinem Fall erledigt. Die Zustimmung in der Bevölkerung zur weiteren Ukraine-Unterstützung bröckelt, besonders im Osten. Je länger der Krieg dauert, desto schwieriger dürfte es für die Bundesregierung werden, ihren Unterstützungskurs durchzuhalten. Im kommenden Jahr sind Bundestagswahlen. Spätestens im Wahlkampf dürfte das Thema wieder eine wichtige Rolle spielen.