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Politik

Die AfD und die Kirchen

24. April 2017

Wie hältst Du’s mit der AfD? Diese politische Gretchenfrage macht den Kirchen in Deutschland zunehmend zu schaffen. Nach dem AfD-Bundesparteitag am Wochenende ist das Verhältnis an einem Tiefpunkt angelangt.

Deutschland Wahlkampf AfD vor Freiburger Münster
Bild: picture-alliance/dpa/R. Haid

Auch das noch. Die Kampagne der Kirchen im Vorfeld des AfD-Bundesparteitages traf die Rechtspopulisten bis ins Mark. Unter dem Motto "Unser Kreuz hat keinen Haken" rief die Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen (ACK) in Köln ihre Mitglieder dazu auf, sich an den friedlichen Protesten gegen den AfD-Bundesparteitag in der Domstadt zu beteiligen.

In der AfD-Führungsriege kam diese Kampagne gar nicht gut an. AfD-Parteichefin Frauke Petry reagierte empört: "Wären die Kirchen offen und ehrlich, hätten sie nicht zu solchen Protesten aufgerufen", erklärte sie vor der Presse. "Was für ein Armutszeugnis im 500. Jubiläum der Reformation!"

Auch AfD-Bundessprecher Jörg Meuthen war aufgebracht: "Die Kampagne ist eine Frechheit sondergleichen", wetterte er auf seiner Facebook-Seite. Angesichts "dieses vollkommen fehlgeleiteten klerikalen Klamauks" denke er darüber nach, der Kirche seine Unterstützung zu entziehen.

Auszug aus dem Pfarrhaus

Meuthen war lange eng mit der Kirche verbunden - so wie viele AfD-Mitglieder. Der AfD-Fraktionsvorsitzende im Landtag von Baden-Württemberg wuchs in einem katholischen Umfeld in Essen auf und promovierte an der Universität Köln über das Thema "Die Kirchensteuer als Einnahmequelle von Religionsgemeinschaften".   

AfD-Chefin Frauke Petry war 18 Jahre lang mit dem evangelischen Pfarrer Sven Petry verheiratet. In der Evangelisch-Lutherischen Kirchengemeinde Tautenhain-Ebersbach-Nauenhain kannte man sie als Pfarrfrau und Mutter von vier Kindern.

Doch im September 2015 trennten sich ihre Wege: Pfarrer Sven Petry trat in die CDU ein, Frauke Petry verliebte sich in Marcus Pretzell und zog zu dem AfD-Landeschef nach Nordrhein-Westfalen.

Demonstrieren im Dunklen

Die Entfremdung zwischen AfD-Sympathisanten und Kirchgängern zeigte sich nicht erst beim Bundesparteitag in Köln. Die erste bundesweite Eskalation begann beim Katholikentag in Leipzig im Mai 2016. "Menschenverachtende Positionen haben hier keinen Platz", begründeten damals die Organisatoren die Ausladung von Parteifunktionären.

Der evangelische Pfarrer Sven Petry vor seiner Kirche in Tautenhain. Er war 18 Jahre lang mit Frauke Petry verheiratet Bild: picture-alliance/dpa/S. Willnow

Die AfD konterte: Der bayerische Landesvorsitzende Petr Bystron warf den Kirchen vor, mit der Hilfe für Flüchtlinge "Milliardengeschäfte zu machen". AfD-Chef Pretzell aus NRW bescheinigte der katholischen Kirche, sie sei ein "Asylindustrieverband".

Zu politischen Erzfeinden sind auch Thüringens AfD-Fraktionschef Björn Höcke und Erfurts Bischof Ulrich Neymeyr geworden. Sobald AfD-Anhänger auf dem Domberg demonstrieren, lässt der Bischof vor dem Gotteshaus die Lichter ausgehen. Er wolle verhindern, dass der Dom zu einer "prächtigen Kulisse" für die AfD werde, so Neymeyr.

Debatte beim Kirchentag

Beim evangelischen Kirchentag im Mai dieses Jahres in Berlin und Wittenberg soll es einen neuen Annäherungsversuch geben. Auf dem Podium "Christen in der AfD?" testen Anette Schultner, Bundessprecherin der "Christen in der AfD", und Markus Dröge, Landesbischof von Berlin, die Grenzen protestantischer Streitkultur aus.

Die AfD-Politikerin Schultner verkörpert den Bruch ihrer Partei mit den Amtskirchen höchstpersönlich. Sie trat 2000 aus der evangelischen Kirche aus und wechselte zu einer Freikirche. Der Grund: Die protestantischen Kirchen setzten auf "Kulturmarxismus statt auf Mission", erklärte sie in einem Interview mit der Zeitung "Die Welt". Sie grenzten AfD-Mitglieder aus, die sich zum Christentum bekennen würden.

Wenn die AfD vor der Severikirche demonstriert, schaltet der Bischof die Scheinwerfer ausBild: picture-alliance/dpa/M.Schutt

Auf Freikirchler scheint die AfD eine besondere Anziehungskraft auszuüben. Nach einer Erhebung des Meinungsforschungsinstitutes Insa im Auftrag der Evangelikalen Nachrichtenagentur "idea" wählen rund 17 Prozent der Freikirchler die AfD. Bei den Protestanten liegt der Mittelwert laut Insa bei 13 Prozent, bei den Katholiken bei 12,5 Prozent.

Gefängnispfarrer kandidiert für AfD

Bei den Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen am 14. Mai wagen sich nun erstmals auch zwei Protestanten aus der Deckung: Der pensionierte Gefängnispfarrer Axel Joachim Bähren und der ehemalige Presbyter Hartmut Beucker aus der Evangelischen Kirchengemeinde Elberfeld-Südstadt in Wuppertal treten für die AfD im Wahlkampf an.

Auch wenn sich die Gemeinde in Wuppertal von Beucker distanzierte und der ehemalige Gefängnispfarrer Bähren von der Kirchenleitung zu einem Gespräch gebeten wurde - die politische Gretchenfrage, wie es die Kirche mit der AfD hält, hat angesichts des Wahlmarathons in diesem Jahr gerade erst begonnen.

"Evangelische Kirchenmitglieder sind nicht immun gegenüber vorhandenen politischen Einstellungen", erklärt Soziologin Hilke Rebenstorf vom Sozialwissenschaftlichen Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Deshalb sei es unvermeidbar, dass sich auch unter den 23 Millionen Mitgliedern AfD-Sympathisanten befänden.

SPD-Politiker Wolfgang Thierse fordert bei allem Verständnis für konservative Positionen unter christlichen Wählern klare Kante. "Die AfD ist keine wertkonservative Partei", erklärte er in einem Interview mit dem Deutschlandfunk. "Sie ist eine aggressive Partei, die sich gegen Ausländer und Europa richtet."

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