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AfD-Parteijugend - die jungen Feinde der Demokratie

21. Februar 2024

Die Junge Alternative hat in Deutschland zur Radikalisierung der AfD beigetragen. Nach Ansicht von Gerichten träumt der Nachwuchs von einem Land ohne Migranten und agitiert gegen die Demokratie.

Ein Mitglied der "Jungen Alternative", der Jugendorganisation der AfD, trägt auf einer Wahlkampfveranstaltung eine Fahne mit dem Logo der Organisation
Jung, aktivistisch, extremistisch: die AfD-Nachwuchsorganisation Junge AlternativeBild: Alex Talash/dpa/picture alliance

Anna Leisten ist jung, fröhlich - und radikal. Zumindest auf den vielen Fotos ihres Instagram-Accounts. Sie ist eines der bekannten Gesichter der Jungen Alternative, des Parteinachwuchses der Alternative für Deutschland, AfD. "Von der bezopften Süßmaus bis zur eisernen Soldatin" lautet ihre Selbstbeschreibung auf Instagram.

Zwischen den harmlosen Bildern platziert die 23-jährige Brandenburgerin ihre politischen Botschaften: Anna Leisten mit dem "White-Power-Gruß" der radikalen Rechten und Neonazi-Szene. Der Christchurch-Attentäter Brenton Tarrant hat ihn benutzt. Anna Leisten aufblickend zu Götz Kubitschek, einem der bekanntesten Rechtsextremisten in Deutschland, der von einer antidemokratischen "Konservativen Revolution" träumt. Oder Leisten mit abgekämpftem Blick durch Schlamm und Stacheldraht robbend. "Trainingslager Ostfront 2025" hat sie dazu geschrieben. Die Junge Alternative phantasiert sich in einen Krieg.

Anna Leisten ist Co-Vorsitzende der Jungen Alternative in BrandenburgBild: Christophe Gateau/dpa/picture alliance

"Gesichert extremistisch"

Leisten verkörpert ganz die Ideale ihrer Organisation, Junge Alternative, kurz JA. Die fordert eine radikale Systemveränderung in Deutschland: Alle die als "ethnisch Fremde" gelesen werden, sollen nach Möglichkeit ausgeschlossen werden. Deswegen urteilt das Verwaltungsgericht Köln in seiner Entscheidung über die Junge Alternative vom 5. Februar 2024: "In der Sache handelt es sich bei der Jungen Alternativen um eine gesichert extremistische Bestrebung."

Mit ihrem ethnischen Volksbegriff verstoße die Junge Alternative gegen Artikel 1 der deutschen Verfassung; die Unantastbarkeit der Menschenwürde. Hinzu komme, dass die Organisation massiv gegen Muslime, Asylbewerber und Migranten agitiere, so das Verwaltungsgericht. "Einwanderer werden allgemein als Schmarotzer und kriminell bezeichnet oder in anderer Weise verächtlich gemacht."

Anna-Sophie Heinze von der Universität Trier hat eine umfangreiche Studie über die Junge Alternative angefertigt. Im Gespräch mit der DW erklärt sie, dass die Verbindungen zwischen Partei- und Parteinachwuchs über die Jahre hinweg immer enger geworden seien. "Insgesamt ist die Junge Alternative für die AfD eine wichtige Kader- wie auch Ideenschmiede. Die Jugend mobilisiert nicht nur in Wahlkämpfen für die Partei, sondern zeigt auch eine starke Social-Media-Präsenz." Heinze sieht in der Jugendorganisation einen "zentralen Treiber einer Radikalisierung der AfD".

Mittlerweile sitzen viele prominente Mitglieder und Anhänger der Jungen Alternative für die AfD in Parlamenten. Matthias Helferich zum Beispiel. Der AfD-Politiker aus Dortmund im Ruhrgebiet sitzt im Deutschen Bundestag; ist aber nicht mehr Mitglied der AfD-Fraktion. In internen Chats hatte er sich einmal als das "freundliche Gesicht des Nationalsozialismus" bezeichnet. Also der Partei, die unter ihrem selbsternannten "Führer" Adolf Hitler den millionenfachen Massenmord an den europäischen Juden organisierte. Bei Auftritten der Jungen Alternative wird er als "künftiger Remigrationsminister" gefeiert; als Mann, der die Massenvertreibung von Menschen aus Deutschland organisieren soll.

"Fehlende Verfassungstreue"

Auch der Bundessprecher der Jungen Alternative, Hannes Gnauck, sitzt für die AfD im Bundestag. Gnauck ist Oberfeldwebel der Bundeswehr. Der Militärische Abschirmdienst der Armee hat ihn allerdings freigestellt. Wegen fehlender Verfassungstreue. Die AfD  erlebt gerade massiven Gegenwind in Deutschland. Medienberichte über die Vertreibungsphantasien der Rechtsextremisten haben eine beispiellose Protestwelle ausgelöst, an der sich Millionen Menschen beteiligten.

Extremisten wie Hannes Gnauck hat das aber nicht leiser werden lassen. Im Gegenteil. "Der Kampf gegen Rechts ist nur ein vorgeschobener Grund: In Wahrheit ist es ein Kampf gegen uns, ein Kampf gegen das deutsche Volk", erklärt Gnauck auf dem YouTube-Kanal der Jungen Alternativen Ende Januar 2024. 

Angesichts des Gegenwinds gegen radikale Kräfte in seiner Jugendorganisation und seiner Partei fordert er den Schulterschluss: "Wir müssen eine Mentalität entwickeln, wo wir sagen: Ein Angriff gegen einen Einzelnen, der für die Sache streitet, ist ein Angriff gegen uns alle. Die Zeit von 'Distanzeritis', vom Ausschluss, muss endlich vorbei sein."

Der Bundesvorsitzende der Jungen Alternative und AfD-Bundestagsabgeordnete Hannes GnauckBild: Bodo Schackow/dpa/picture alliance

Der Schulterschluss scheint gut zu funktionieren: Radikale wie Anna Leisten wurden für ihren rechtsextremen "White-Power-Gruß" zwar abgemahnt, weitere Folgen gab es aber zunächst nicht. Und viele Parteigrößen solidarisieren sich offen mit der radikalen Parteijugend - ein Zeichen für die Radikalisierung der Gesamtpartei. 

Verbot der Parteijugend?

Angesichts der gerichtlichen Einschätzung, dass die Junge Alternative "gesichert extremistisch" ist, hat auch eine Verbotsdebatte an Fahrt aufgenommen. Ein Verbot wäre relativ einfach umsetzbar. Denn die Nachwuchsorganisation ist zwar Teil der Partei AfD, selbst aber nur ein Verein. Über ein Verbot müssten deswegen nicht, wie bei einem Parteienverbot, die Gerichte entscheiden. Stattdessen reichte eine Anordnung im zuständigen Bundesministerium für Inneres.

Viele deutsche Staatsrechtler halten ein Verbotsverfahren zwar für prüfenswert, haben aber auch Bedenken. Die Staatsrechtlerin Kathrin Groh von der Universität der Bundeswehr in München verweist in einem Beitrag für den renommierten Verfassungsblog: "Um der AfD einen Schuss vor den Bug zu setzen, macht es durchaus Sinn, sich zunächst auf ihre Jugendorganisation zu konzentrieren und diese als Vereinigung zu verbieten."  Allerdings wäre der Schaden für die AfD so groß, dass die als Partei dagegen vorgehen könne. Und das durchaus mit guten Erfolgsaussichten, so die Juristin Groh. "Scheitert das Verbot (...), wird nicht nur das Opfernarrativ der AfD bedient, sondern auch eine empfindliche Lücke im Instrumentarium der wehrhaften Demokratie offenbar.“

 

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